Nach einer, teilweise leider durch meine Gesundheit verordneten, Reise-Zwangspause seit meiner Rückkehr aus Asien und Australien, habe ich mich nun endlich wieder auf den Weg gemacht, einen neuen Teil Europas, genauer gesagt Italiens, zu entdecken. Die für italienische Verhältnisse eher wenig touristisch geprägten Regionen im Nordwesten, das Piemont und das Aostatal.
Was hatte mich in diese Gegend verschlagen? Nun, in erster Linie unser jährliches San Diego Treffen, für das wir heuer Torino, die piemontesische Hauptstadt, auserkoren hatten. Eine Stadt, bekannt für FIAT und Industrie sowie mit Juventus den wohl bekanntesten Fußballklub Italiens. Auch eine Stadt, die, seitdem im Zuge der olympischen Winterspiele 2006 Einiges investiert worden war, angeblich im Aufwind sein soll und auf dem Weg dazu, ihr Image als grauer Industriemoloch abzulegen. Das Treffen mit meinen Freunden inklusive aller Kinder hat viel Spaß gemacht, es war schön, sie nach einem Jahr Pause wiedergesehen zu haben.
Torino selbst, mit seinen knapp 900.000 Einwohnern Italiens viertgrößte Stadt und seinerzeit dessen erste Hauptstadt, fand ich aber insgesamt ziemlich unattraktiv, trotz schönen Wetters wirkte Vieles verwahrlost und heruntergekommen, über weite Strecken dominieren unansehnliche Wohnblocks das Stadtbild, das Zentrum hat ganz nette Ecken, aber auch dieses reicht nicht annähernd an die Grandezza und Schönheit anderer italienischer Städte heran. Summa summarum eine der für meinen Geschmack hässlichsten Städte Italiens, die ich bisher gesehen hatte.
Nun ja, natürlich ist auch in Torino nicht Alles schlecht, und so möchte ich nachstehend auf einige Dinge hinweisen, die ich doch als sehr sehenswert einstufen würde…..
- Quatrilatero – jener Teil des Zentrums, in dem sich viele gute Restaurants, Bars und Cafés befinden. Besonders jene Straßenzüge um die hübsche Piazza Emanuele Filiberto weisen hier eine hohe Dichte auf.
- Juventus Stadium. Diesen schlichten Namen trägt die Heimstätte des wohl bekanntesten Fußballklubs Italiens. Auch wenn man, so wie ich, kein Juve Fan ist, lohnt sich bei einem Aufenthalt in Torino der Besuch eines Heimspiels trotzdem auf jeden Fall. Die Architektur des Stadions ist interessant, zumindest für mich das eindrucksvollste Bauwerk, das ich in Torino erblicken konnte. Die Atmosphäre ist friedlich und angenehm – schöne Show zur Begrüßung der Spieler, davor wird kräftig mit Heavy Metal Sound eingeheizt! Das Stadion ist mit Öffis relativ leicht zu erreichen, an Spieltagen wird ab der Metro Station Bernini ein Shuttle Service der Tramlinie 9 zur Verfügung gestellt. Klappt Alles – völlig unitalienisch – reibungslos und gut organisiert.
http://www.juventus.com/en/
- Essen und Trinken – sind in Torino so wie im gesamten Piemont Weltklasse! Kulinarische Hochgenüsse führen am laufenden Band in Versuchung und lassen jeden Plan für Ernährungsoptimierungen kläglich scheitern. Ein paar Highlights auf diesem Gebiet sind….
- - Der größte Freiluft-Lebensmittelmarkt Europas auf der Piazza della Repubblica ist ein Erlebnis, das man sich keinesfalls entgehen lassen darf. Unzählige Stände führen Menschen aller Hautfarben und unterschiedlichster Herkunft zusammen, um speziell Obst und Gemüse, aber auch Fleisch, Fisch und Käse einzukaufen. Die Auswahl ist sagenhaft, und jetzt im Frühling biegen sich die Stände unter frischem Spargel und Erdbeeren, die so rot sind, dass sie künstlich aussehen, aber so intensiv duften, dass man sich am liebsten drin eingraben würde. Die Atmosphäre auf dem Markt ist freundlich, geschäftig, angenehm multikulturell und ein Erlebnis für die Sinne. Ein Muss für Markt-Freaks wie mich!
- Eataly („Eat Italy“). Ein Konzept, bei dem italienische Lebensmittel in den Mittelpunkt gerückt werden und in einer Mischung aus Supermarkt, Markt und Restaurant zu einem riesigen Feinkostladen verschmelzen. Es werden auch Degustationen angeboten und frische Pasta, Fleisch, Wurst, Käse, Fisch, Bäckereien, Eis oder Wein verkauft. Die Produkte sind alle hochwertig und von feinster Qualität. Die Filiale in Torino, die praktischerweise gleich neben unserem Hotel lag, wurde 2007 eröffnet und war die erste ihrer Art, sie befindet sich in einer schön renovierten alten Industriehalle und ist ein Genuss für das Auge und den Gaumen! Mittlerweile haben Eataly Filialen in mehreren italienischen Städten eröffnet, und auch rund um den Globus werden es immer mehr – von New York über Seoul und Tokio bis hin nach Sao Paolo reicht die Palette. In Europa existiert bisher nur eine einzige nicht-italienische Filiale, nämlich in München. Für die kommenden Jahre sollten wir uns hoffentlich auch in Österreich über Eataly freuen können, und einen Kunden würde ich bereits kennen ;-)
https://de.wikipedia.org/wiki/Eataly
- Lokaltipp: Antico Balon. Pizza und piemontesische Küche von herausragender Qualität. Die Vorspeisenplatte war unglaublich, das beste Vitello Tonnato aller Zeiten befand sich unter anderem darauf. Einfach zum Dahinschmelzen! Alles hausgemacht, die Besitzerin ist freundlich und richtig italienisch – laut, temperamentvoll, unterhaltsam, spricht ohne Luft zu holen – selbstverständlich ausschließlich auf Italienisch. Nicht verpassen!
Nachdem es von Wien aus keine direkten Flüge nach Torino gibt, hatte ich beschlossen, den einfacheren Anreiseweg über Milano Malpensa zu wählen, dort ein Auto zu mieten und im Anschluss an unser Treffen dann noch ein wenig durch die Gegend zu tingeln und mir die Region ein wenig anzusehen. Ich fahre zwar, speziell seitdem ich zu Hause keines mehr besitze, im Urlaub sehr gerne Auto, was Marken oder sonstige Liebhabereien betrifft, bin ich aber ein absoluter Banause, ein Auto ist für mich in erster Linie Gebrauchsgegenstand und Mittel zum Zweck, nämlich, mich dorthin zu bringen, wo ich gerne hin möchte. Mit einem Fiat Cinquecento Mini durch den Nordwesten Italiens zu tuckern, löst aber sogar in mir eine positive Emotion aus, das hat schon wirklich etwas Klassisches und macht richtig Spaß!
Ich kehrte also dem grauen Torino den Rücken und folgte dem Ruf der Sonne. Zunächst nach Nordwesten, in Italiens kleinste Region, das Aosta Tal (Val d’Aosta, Vallée d’Aoste). Diese Region ist neben Südtirol der zweite zweisprachige Teil Italiens, hier wird auch Französisch gesprochen. Val d’Aosta ist ausgesprochen gebirgig, wird eingerahmt von den Massiven der 4000er des Mont Blanc, des Monte Rosa und des Matterhorns. Landschaftlich ein absoluter Traum, wenn die spektakulären, verschneiten Alpengipfel aus dem sonnigen Himmel ragen und die Kulisse für urige steinerne Bergdörfer und viele malerisch gelegene Burgen und Ruinen geben. Auch die Hauptstadt Aosta mit ihrer noch gut erhaltenen römischen Stadtmauer ist unbedingt einen Besuch wert. Während die Ortsnamen in der Gegend fast alle eher Französisch sind und die meisten Dinge zweisprachig angeschrieben, so machte für mich Val d’Aosta dennoch einen sehr italienischen Eindruck. Ich hörte ringsum alle Menschen, egal ob in der Stadt Aosta oder in den kleinen Dörfern, nur Italienisch sprechen, und auch die Küche ist sehr Italienisch geprägt. Unbedingt einen Abstecher empfehle ich in das schöne Vallée d’Ayas, speziell der besonders urige und hübsche Ort Artagnod, der den Eindruck erweckt, als würde man die Zeit ein paar Jahrhunderte zurückdrehen, lässt einen in das hochalpine Ambiente eintauchen.
Nach meiner kurzen Reise durch das Aosta Tal kehrte ich wieder ins Piemont zurück. Dass die Region um Vieles schöner als ihre Hauptstadt sein würde, war mir irgendwie von vornherein klar gewesen. Piemonte steht für „Pie“ (=der Fuß) und „Monte“ (=der Berg) – liegt also am Fuße der Berge, wo die Alpen in die flache Po Ebene übergehen. Bekannt ist die Region vor Allem als DIE Gourmethochburg des Feinschmeckerlandes Italien, sensationelle Rotweine wie Barolo, Barbaresco und Barbera haben hier ebenso ihre Heimat wie die Weiße Trüffel von Alba. Die Gegend um Alba wird als „Langhe“ bezeichnet, das sogenannte „Herz des Piemont“. Hier findet man Alles, was Italien so ausmacht – von Weinreben bestandene Hügel, soweit das Auge reicht, auf denen uralte Dörfer mit ihren steinernen Campanili thronen. Kulinarische Verlockungen an jeder Ecke. Menschen, die lustig und gastfreundlich sind – und selbst in der jungen Altersgruppe selbstverständlich ausschließlich Italienisch sprechen - ein Phänomen, dass Menschen, deren Sprache gerade mal in einem einzigen Land der Welt gesprochen wird, auch im 21. Jahrhundert in einem vereinten Europa nach wie vor so resistent gegen jegliche Verbesserung ihrer Fremdsprachenkenntnisse sein können. In Italien wird dies aber stets mit Augenzwinkern gesehen, es wird auch nicht vom Gegenüber erwartet, verstanden zu werden, man kommt auch mit viel Deuten und Gestikulieren irgendwie an sein Ziel, sich zu verständigen. Ein paar Fragmente meines italienischen Wortschatzes sind ebenfalls noch vorhanden, die ich mit einer gehörigen Prise meines nicht so schlecht entwickelten Spanisch mixe – und so klappt die Kommunikation unter dem Einsatz aller erlaubten Hilfsmittel insgesamt recht gut ;-) Interessanterweise ist das Piemont, trotz seiner Attraktivität, bisher von den Touristenmassen à la Toscana und anderer berühmter italienischer Regionen verschont geblieben, was die Gegend zusätzlich aufgrund ihrer Authentizität sehr reizvoll macht!
Ich residierte eine Nacht in einem kleinen Landhaus nahe der recht netten Trüffelhauptstadt Alba. Auch wenn die Edelpilze gerade nicht Saison haben, so kam ich dennoch in meinem Genussstreben nicht zu kurz.
Unterkunftstipp:
Affitacamere Mammanella, die italienische Variante eines B&B. Hübsche saubere Zimmer ein paar Kilometer außerhalb Albas, ruhig auf dem Lande gelegen – mit einwandfrei funktionierendem WIFI.
http://www.mammanella.it/
Lokaltipp in Alba:
Ristorante L’inedito – typische Regionalküche der Langhe in modern-gemütlichem Ambiente, untermalt nicht von schwülstigem Italo-Kitsch sondern sanft aufgetragenen, lounge-artigen Jazzklängen. Ein Degustationsmenü mit Barbaresco Begleitung führt in den lokal-kulinarischen Himmel!
http://www.lineditoviginmudest.it/
Am letzten Tag führte mich meine Runde bei größtenteils bewölktem Himmel durch die Weinbauregionen des Barolo und Barbaresco. Der Ort Barolo selbst liegt als einer der wenigen nicht auf einem Hügel sondern in einer Talsenke und ist weniger berauschend als er klingt. Die Gegend ist aber wunderschön, majestätisch geschwungene Hügel, voll von Weinreben, gehen mit den auf jeder Hügelspitze klebenden Dörfern eine harmonische Symbiose ein. Beide Weinbaugebiete liegen wenige Kilometer außerhalb Albas und können mit dem Auto problemlos erreicht werden. Als netteste Dörfer empfand ich im Barolo La Morra (tolle Aussicht) und Serralunga d’Alba mit seinem steinalten Kirchturm. Im Barbaresco ist eindeutig Neive der Höhepunkt. Mein Schlusspunkt war dann noch Asti, das ich weniger interessant empfand als ich gedacht hätte.
Ein paar Worte noch zum Autofahren in Italien und zur Erreichbarkeit des Piemont. Da Torino, wie schon vorher erwähnt, von Wien aus nicht direkt angeflogen wird, empfiehlt sich die einfachere Anreise über Milano Malpensa, dorthin gibt es täglich mehrere Flugverbindungen. In Malpensa ein Mietauto nehmen, und in gut einer Stunde ist man in Asti, in rund 90 Minuten in Torino oder Alba.
Autofahren in Italien ist entspannter geworden, als es das früher war, wohl horrende Strafen und ein gnadenloses Punktesystem haben die Italiener „erzogen“, und sie gleiten erstaunlich zivilisiert über die Straßen. Allerdings ist Autofahren in Italien ein teures Vergnügen, zu exorbitant hohen und stark variierenden Spritpreisen (1 Liter Super kostet zwischen 1,60 bis zu fast 2 EUR – der Vergleich lohnt sich also!) kommen auch noch hohe Autobahngebühren (wahlweise bar, mit Kreditkarte oder mit elektronischer Mautbox „Telepass“ zu bezahlen).
Kleiner Hinweis noch zum Wagen Anmieten in Malpensa…..will man diesen vollgetankt zurückgeben, muss man einen Spießrutenlauf auf sich nehmen, damit das gelingt. Generell wurden in ganz Italien fast alle Tankstellen auf Selbstbedienungsautomaten umgestellt, wo es kein Servicepersonal mehr gibt. So weit so gut. Im Flughafengelände von Malpensa gibt es keine Tankstelle (wurde angeblich durch die Gesetzgebung verhindert), außerhalb in der Umgebung mehrere Selbstbedienungsautomaten. Während es im Piemont meist geklappt hatte, funktionierte dabei plötzlich weder meine Visa noch meine Maestro Karte. Schiebt man Banknoten ein, gibt es kein Restgeld, ich hatte nur 50 EUR Scheine eingesteckt, hätte aber maximal um 20 EUR auftanken müssen. Also auch keine Option. So suchte ich ewig nach einem Bankomaten, um einen 20er abzuheben, der volle Tank machte 18 EUR aus, somit immer noch 2 EUR „Körberlgeld“ für den Mineralölkonzern. Ob dahinter, dass gerade um den internationalen Flughafen herum nirgends ausländische Karten funktionieren, vielleicht Kalkül steckt? Die Mietwagenfirma kannte jedenfalls das Problem, da 80% der Anmieter Ausländer wären und alle die gleichen Schwierigkeiten hätten. Eine Zumutung, bitte daher darauf achten, kleine Scheine bei sich zu haben, um nicht „Deppensteuer“ zahlen zu müssen. Retourniert man das Auto nicht voll betankt, zahlt man eine noch wesentlich höhere „Zuschlagsgebühr“ an den Mietwagenbetreiber. Ein Schelm, wer hinter der ganzen Geschichte ein abgekartetes Spiel vermutet……
Nun ja, durch dieses Ärgernis zum Abschluss ließ ich mir aber nicht meinen schönen Aufenthalt in einer absolut empfehlenswerten Region vermiesen – untouristisches, landschaftlich wunderschönes Italien gepaart mit Kulinarik auf Weltklasseniveau lässt die Herzen von Genussmenschen und solchen, die es noch werden wollen, höher schlagen. Als beste Reisezeit empfehlen sich definitiv so wie in meinem Fall Frühling, wenn Alles schön saftig grün in Blüte steht, oder Herbst, wenn das Licht golden ist und die Trüffeln frisch auf den Tellern landen. Man kann sich sowohl für das Piemont als auch für das Aostatal viel mehr Zeit nehmen und zum Beispiel endlose Wanderungen unternehmen. Piemont, wir sehen uns wieder, und ich hoffe, ich konnte auch meinen Lesern mit diesem Artikel etwas Appetit auf die Region machen! Falls nicht – vielleicht überzeugen euch ja die vielen Fotos im Anschluss ;-))