Gesagt getan, machte ich mich also über das Pfingstwochenende auf, um einen neuen Teil Europas für mich zu entdecken. Unsere Homebase schlugen wir in Gent auf – um von hier aus auch Brugge zu besuchen, und vor meiner Weiterfahrt nach Frankreich stattete ich auch Brüssel einen kurzen Besuch ab. Kann ja irgendwie nicht sein, dass man als Dauer Weltreisender noch nie in Europas Hauptstadt war!
Neben dem schönen Wiedersehen mit meinen Freunden Eric und Stefano war es vor Allem Gent, das mir sehr gut gefallen hat. Gent hat um die 250.000 Einwohner und ist eine lebendige Studentenstadt, mit Kanälen, viel Backstein und vielen Türmen, zahlreichen Cafés und Restaurants und einer insgesamt sehr angenehmen und lebenswerten Atmosphäre. Der Tourismus ist hier eine Nebenerscheinung, zwar vorhanden aber doch in überschaubarem Ausmaß. Ganz im Gegensatz zu Brugge.
Brugge ist optisch eine Augenweide, allerdings die bekannteste Touristenstadt Flanderns und – speziell an einem langen Wochenende bei Schönwetter – hoffnungslos überlaufen. Trotz der hübschen Gebäude, vielen Schokoladegeschäfte und Brauereien – hier ist es überteuert, die Warteschlangen für Bootstouren an den Kanälen oder den Aufstieg zum Glockenturm endlos, und Flanieren ist wegen hunderter Reisegruppen, die einem Schirmchen oder Schild folgen, unmöglich. Wir ergriffen nach einem Rundgang bald die Flucht, das war uns doch zu viel. Vermutlich müsste man sich Brugge mal unter der Woche ansehen, um es etwas mehr genießen zu können, man sollte es schon gesehen haben, denn schön ist es wirklich. Trotzdem werde ich mit Städten, die mehr dem Tourismus als malerische Kulisse dienen als dass sie durch ihre eigenen Bewohner geprägt werden, nicht so wirklich warm.
Brüssel als Belgiens Hauptstadt ist irgendwie ein Sonderfall. Es gehört weder zum Niederländisch sprachigen Flandern noch zum Französisch sprachigen Wallonien sondern liegt dazwischen und ist auch offiziell zweisprachig. Jeder, der in Brüssel war, sagt dasselbe. Der Große Platz, die Grande Place, ist einer der schönsten Plätze Europas, die Gassen rundherum auch noch ganz nett, aber ansonsten gäbe Brüssel nicht viel her. Nun nutzten wir also die paar Stunden, fuhren dementsprechend zur Grande Place, die in der Tat ausgesprochen schön ist. Die Gassen rundherum sind dann tatsächlich recht nett – was ich sonst von Brüssel der Zugtrasse entlang, die von Nord nach Süd mitten durch die Stadt führt, gesehen habe, sieht jetzt wirklich nicht sehr einladend aus. Ich will aber kein Gesamturteil abgeben, dafür war mein Eindruck dann doch zu oberflächlich.
Und dann gibt es da noch den Thalys. Der Super schnelle Zug benötigt von Brüssel nach Paris gerade mal 1.20, braust mit 300 km/h durch die langweilige flache Landschaft Belgiens und Nordfrankreichs und brachte mich direkt ins Zentrum von Paris. Paris, mon amour. Trotz aller Nicht-Perfektion ist Frankreichs Hauptstadt ein Ort, der mich jedes Mal aufs Neue von sich einnimmt. Hier liegen eleganter Glanz und prachtvolle Schönheit eng neben grindiger Abgefucktheit, Schmutz und sozialen Brennpunkten, man ist begeistert und schockiert gleichzeitig – Paris ist eben Paris. Durch seine Straßen zu flanieren zaubert mir jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht, mit meiner Tante in Belleville auf dem Markt die Einkäufe zu tätigen, umgeben von Menschen aller Religionen und Hautfarben, das ist einfach großartig. Mit meiner Familie bei einer unvergleichbar guten Käseplatte die ein oder andere Flasche Wein zu leeren und dabei zu politisieren macht Spaß, uns vereint, dass wir mit Freude das Leben genießen und Nationalisten und Spießbürger zum Teufel wünschen. Belgien war nett, Paris bleibt dennoch meine Herzensstadt.
Im Folgenden noch ein paar Reiseinfos und Tipps
- Eckdaten
- Herumkommen und Verkehr
www.thalys.com
Paris besitzt 2 Großflughäfen, nämlich Charles de Gaulle in Roissy (CDG) sowie Orly im Süden (ORY). CDG ist Europas zweitgrößter Flughafen, direkt über einen TGV Bahnhof an das französische und internationale Hochgeschwindigkeits Bahnnetz angeschlossen. In die Stadt kommt man am besten, zumindest wenn nicht gerade gestreikt wird, mit dem Vorortezug RER, die Linie B verkehrt in dichten Intervallen und benötigt gut 35 Minuten zum Gare du Nord und 5 Minuten mehr zum zentralen innerstädtischen Knotenpunkt Chatelet-Les Halles mit zahlreichen Metro Linien. Ticket vom Airport nach Paris kostet 10,30 EUR, eine Einzelfahrkarte innerhalb von Paris ist mit 1,90 EUR relativ günstig und immer noch sinnvoller als Tages-oder Wochenkarten. Eine Ausnahme in Europa, dass man am besten mit Einzeltickets fährt! Noch billiger wird es, wenn man sich gleich ein sogenanntes „Carnet“ von 10 Einzeltickets kauft, das kostet dann nämlich nur 14,90 EUR. Weitere Infos:
www.ratp.fr
Ein Taxi zum CDG kostet aus Paris einheitlich 50 EUR, Uber gibt es mit 45 EUR eine Spur billiger. Durch die gute öffentliche Anbindung kommt man aber gut ohne Taxis, die ohnehin oft im chronischen Stau stecken, über die Runden.
In Brüssel gibt es ebenfalls ein Metro Netz, in Gent und Brugge sind die Trams das Verkehrsmittel der Wahl. Wir haben hier allerdings alles fußläufig erledigt.
- Einreise
- Infrastruktur und Strom
- Sprache
In Paris spricht man Französisch. Trotz der gängigen Meinung, Franzosen würden kein Englisch sprechen oder sprechen wollen, so trifft dies nur noch auf die ältere Generation zu (die bei uns im Übrigen auch selten Englisch kann). Jüngere Menschen sprechen heute auch in Paris zumindest in Grundzügen Englisch, ebenso wird es im Tourismussektor ohne Probleme beherrscht. Dass man in Paris ohne Französisch nicht durchkommt, ist eine Mär. Bestimmt freuen sich Franzosen aber immer über ein „Bonjour“ und „Merci“, auch wenn man die Sprache nicht spricht.
- Sicherheit
- Geld und Preise
Beide Länder verwenden den Euro. Geldautomaten findet man ausreichend, sowohl in Belgien als auch in Frankreich sind Kreditkarten sehr verbreitet, in beiden Ländern ist das Akzeptanzniveau höher als in Österreich, in Frankreich noch etwas mehr, hier kommt man sogar auf vielen Marktständen bargeldlos über die Runden. Kontaktloses Bezahlen ist besonders in Frankreich schon sehr weit fortgeschritten.
- Unterkunft
- Küche
Belgisches Bier gibt es in unzähligen Sorten, die meisten davon sind recht stark, ab 6% Alkohol aufwärts. Gut waren sie alle, unsere favorisierte Marke aber eindeutig „La Chouffe“ aus den Ardennen. Sehr nett ist es auch, in Brugge die Brauerei „De halve Maan“ (Halbmond) zu besuchen.
http://www.achouffe.be/fr
https://www.halvemaan.be/
Ebenso berühmt wie das Bier ist die Schokolade. In Gent und Brüssel aber vor Allem in Brugge gibt es unzählige Geschäfte mit einheimischen Pralinen und Schokolade. Wo man dabei einkehrt und sich durchkostet, ist wohl eine Frage des Zufalls bzw der Sympathie. Wir wurden hier fündig und nicht enttäuscht….
https://www.pralinette.be/
Weiters sind belgische Waffeln sehr bekannt, man findet Geschäfte, die sie mit allen möglichen Toppings verkaufen, allerorts, ebenso an Straßenständen. Die süße Sünde ist jedenfalls eine Versuchung wert.
Und auch sehr berühmt sind belgische Pommes Frittes. Ich konnte hier eigentlich keinen Unterschied zu Pommes irgendwo anders auf der Welt feststellen, liegt aber vielleicht auch daran, dass ich generell nicht so ein Pommes Freak bin. Sehr bekannt ist auch die Kombination aus Miesmuscheln und Pommes (Moules Frittes). Die Miesmuscheln schmeckten jedenfalls ausgezeichnet.
Außerdem gibt es verschiedene Schmorgerichte, deren Besonderheit darin liegt, dass sie in Bier gekocht werden. In Bier geschmortes Rindfleisch konnte mich jedenfalls sehr überzeugen!
Generell konnte man in Flandern allerorts sehr gut – und ziemlich teuer – Essen.
Was Paris betrifft, könnte man Seiten füllen, was die Kulinarik betrifft, nachdem ich hier im Kreise meiner Familie bestens mit den frischesten Köstlichkeiten und dem besten Käse dieser Erde versorgt bin, kann ich euch kaum Tipps geben, probiert euch einfach durch, Schlemmen kann man in Paris an jeder Ecke, am besten versucht man, Touristenfallen aus dem Weg zu gehen, dann kann eigentlich nichts schief gehen!
- Klima und Landschaft
- Sehenswertes
In Brüssel ist die Grande Place ein Muss, die bekannteste Sehenswürdigkeit, der Manneken Pis (also eine pinkelnde Männerfigur) hingegen unscheinbar. Zum Atomium haben wir es aus Zeitmangel nicht geschafft. Nett sind auch Brüsseler Comics, die an verschiedenen Hausmauern als Street Art zu bewundern sind.
Sehenswürdigkeiten von Paris aufzuführen, würde Seiten füllen. Wer die Stadt so wie ich gut kennt, sollte sich einfach durch die Gassen treiben lassen und die Atmosphäre genießen. So hab ich eher ein paar Geheimtipps für die Paris Liebhaber unter euch. Das kosmopolitische Belleville mit dem Parc de Belleville (Traumaussicht auf den Eiffelturm!), dem inzwischen recht bekannten Park Buttes-Chaumont (von hier aus sieht man besonders Montmarte herrlich!), dazu dem langen brodelnden Straßenmarkt Marché de Belleville, wo sich alle Nationen und Kulturen vereinen, kann ich euch nur dringend ans Herz legen. Etwas gehobener wird es im Trendviertel Oberkampf, wo an jedem Eck ein nettes Café, eine Bar oder ein Kunstatelier wartet. Und richtig boboesk aber auch sehr schön geht es dann im Marais (nicht das jüdische Viertel um die Rue des Rosiers oder die Marktstraße Rue de Bretagne verpassen!) oder in St. Germain des Près zu (die Passage am Odéon ist beispielsweise bezaubernd!). Bio Cafés, Restaurants aus aller Herren Länder, kleine Straßenmärkte und köstliche Patisserien erfreuen hier das Herz!