Mein Quartier hatte ich diesmal wieder über Airbnb gefunden. Passend zum Platzmangel sind die Mieten in Hong Kong unbezahlbar, man baut daher in großer Menge schmale, hohe Gebäude im Plattenbaustil, um möglichst viele Menschen auf möglichst wenig Fläche verteilen und unterbringen zu können. Der Zustand der Gebäude ist zum Großteil erbärmlich. Entsprechend ist mein Zimmer hier winzig klein, aber das hatte ich davor schon gewusst. Dafür ist es sehr sauber, hat sogar einen kleinen Balkon mit Aussicht – und die Lage ist top. Direkt ganz im Süden Kowloons gelegen, mitten im Shopping District, 5 Gehminuten zur Uferpromenade mit Panoramablick auf Hong Kongs Skyline und zur allabendlichen Symphony of Lights Show. Besser kann man in Hong Kong kaum wohnen. So gesehen ein Top Treffer, und will man für das Wohnen in einem Hotelzimmer nicht Unsummen ausgeben, so ist das hier schon in Ordnung. Von außen würde man dieses Quartier nie finden, denn auch mitten in der noblen Shopping Gegend präsentiert sich das Gebäude an sich so gar nicht einladend. Hinter der Türe im 16. Stock ist aber Alles voll okay, und meine Vermieterin, die sehr süße Koreanerin Juliet, erfreute mich mit ihrer sonnigen Art gleich bei meinem Eintreffen. Juliet ist natürlich nur ein Name für die Touristen, an die sie vermietet, denn ihren echten Namen könne niemand aussprechen, meinte sie.
Nach dem Erstschock der Hektik und des Wirbels also dann die Entschleunigung. Und so war ich nach einer Dusche fit für Hong Kong. Ich stürzte mich wieder ins Gebrodel, nahm die U-Bahn und besichtigte einen Tempel, der nicht allzu weit entfernt lag. Auch dieser ist bezeichnend für Hong Kongs Kontraste. Er steht mitten im Stadtgebiet Kowloons, eingebettet in ringsum stehende Plattenbauten. Sehr schräg, vor den Toren hektisch und hässlich, innen drinnen im hübschen Tempel finden auch die Business People und alle, die es noch werden wollen, einen Augenblick der Ruhe und des Innehaltens.
Von dort aus marschierte ich durch Kowloon, ging Abendessen und tappte erstmals auf dieser Reise in die Korianderfalle. Meine Suppe mit Schrimps Teigtaschen war verseucht mit dem Kraut. Der schon weiter oben angesprochene Kellner, der Genuss und Lebensfreude in Kanada erlernt hatte, nahm sich Zeit für eine nette Unterhaltung mit mir, organisierte mir inzwischen eine neue Suppe ohne Koriander und erklärte, dass es diesen zwar in Nordchina nicht gäbe, in Südchina jedoch, wohl schon die räumliche Nähe zu Südostasien vorwegnehmend, werde er sehr häufig verwendet. Gut zu wissen, dass ich nun bei jeder Bestellung sicherheitshalber nachfragen werde. Während der Wartezeit auf die neue Suppe zeigte er mir auf seinem Handy Bilder von seinem letzten Urlaub – am Donauradweg von Passau nach Wien ;-) Nach Juliet nun meine zweite sehr nette Begegnung an diesem Tage.
Als ich dann weiter ging, schlenderte ich über den Temple Street Night Market. In der Mitte Stände mit Fetzen und dazwischen Essen, seitlich stehen die gewerblichen Damen, die mich teilweise sogar am Arm anpackten, um mich von ihren Vorzügen und ihren Massage Plus Dienstleistungen zu überzeugen. In dieser Aufdringlichkeit hatte ich das nicht einmal in Bangkok erlebt, und ich wurde auch durchaus energisch in meiner Ablehnung. Nichts gegen die – zweifellos recht hübschen – Damen, aber das ist mir vom Niveau her doch eine Stufe zu tief.
Ein Stück Schokoladekuchen vermochte aber, nebst den warmen Temperaturen, die auch am Abend Langärmeliges überflüssig machen, meine Stimmung wieder ins Positive zu drehen.
Und wenn ich schon quasi direkt daneben wohne, ließ ich mir auch die Symphony of Light Show nicht entgehen, auch wenn ich diese schon beim letzten Mal gesehen hatte. Auch wenn Hong Kongs Gebäude bei näherem Hinsehen in kläglichem Zustand sind, so ist die Skyline zwischen Bergen und Meer, noch dazu nächtlich mit diversen Farbenspielen beleuchtet, dennoch eines der beeindruckendsten und schönsten Stadtpanoramen dieser Erde.
Ich kann mich gut dran erinnern, dass ich diese zwiespältigen Eindrücke, was Hong Kong betrifft, auch vor 5 Jahren bei meinem Erstbesuch hier gehabt hatte, diesen ständigen Wechsel zwischen Faszination und Abstoßung, Begeisterung und Entsetzen. Eines steht jedenfalls fest – Hong Kong muss man besuchen! Diese Stadt der Widersprüche lässt niemanden kalt, und man wird sie bestimmt nicht am Ende mit einem emotionslosen „eh recht nett“ verlassen. Man wird sie lieben oder hassen – oder beides gleichzeitig.
Die Wetteraussichten für die kommenden Tage sind nicht gerade überragend. Was ich konkret tun werde, entscheide ich spontan nach Lust und Laune, ich werde mich auf jeden Fall auf Dinge konzentrieren, die ich vor 5 Jahren noch nicht gemacht habe. Als Optionen bieten sich das etwas außerhalb gelegene Kloster der 1000 Buddhas, eine der äußeren Inseln mit ihren geruhsamen Fischerorten oder auch ein Besuch Macaos an. Was genau es wird – lasst euch überraschen – ich selbst bin auch gespannt, wonach mir sein wird! Langweilig wird es in Hong Kong jedenfalls bestimmt keine Minute werden!