San Cristóbal de las Casas, Mexiko, 17 Uhr
Wolkig, 16 Grad
Herzlich willkommen aus der Welt der Maya von heute! Hier im Hochland von Chiapas ist sie allgegenwärtig. Wir haben am Vormittag im Zuge einer Wanderung zwei Dörfer der Umgebung besucht und hatten jetzt am Nachmittag „Freizeit“, um auf eigene Faust San Cristóbal DLC zu entdecken.
Zunächst fuhren wir ins Dorf Chamula. Die dortigen Einwohner gehören fast durchwegs der Volksgruppe der Tzotzil an und verständigen sich untereinander auch fast nur in dieser Sprache, nicht alle können Spanisch. Besuchern gegenüber sind sie gleichgültig bis ablehnend, letzteres vor Allem dann, wenn man ihnen die Kamera vor das Gesicht hält. Die Indigena in Mexiko und eigentlich in ganz Amerika werden generell nicht gerne fotografiert, man sollte das respektieren, und wenn man Fotos macht, dann entweder um Einverständnis fragen (das man meist nicht bekommen wird bzw wenn dann nur gegen Bezahlung) oder es aus diskreter Entfernung tun. Die Indigena-Frauen, die außerhalb von San Cristóbal nach wie vor alle Tracht tragen, geben natürlich äußerst attraktive Fotomotive für unsereins ab, denn sie symbolisieren eine uns sehr fremde Welt.
Chamula hat eine Besonderheit: es hat eine katholische Kirche, in der aber fast nie Gottesdienste stattfinden sondern stattdessen Maya-Rituale abgehalten werden, Tag und Nacht. Etwas Ähnliches gibt es auch in Guatemala, nämlich in Chichicastenango, was ich seinerzeit schon erleben durfte. In der guatemaltekischen „Light“-Variante hatte man sich aber darauf geeinigt, dass die Rituale vor der Kirche und nicht in dieser abgehalten werden, während die Menschen in Chamula es zur Bedingung für die Zustimmung zur Errichtung einer Kirche erhoben hatten, dass diese für die traditionellen Rituale genutzt werden darf. Diese Tradition verteidigt man bis heute, auch gegen Bestrebungen des seinerzeitigen Papstes JP II, der die Ausübung der heidnischen Bräuche verbieten wollte. Und so betritt man als Besucher eine ganz fremde Welt, sobald man in die Kirche von Chamula eintritt…..überall ist Stroh ausgelegt, auf dem Boden brennen Kerzen – und es werden nach wie vor auch Tieropfer dargebracht. Die Indigena knien auf dem Boden und beten oder wie immer man das nennt was sie dort tun. Touristen sind geduldet, aber es herrscht strengstes Fotografierverbot. Die Stimmung ist spirituell, sie transportiert uns in eine ganz andere Sphäre als den Planeten Erde. Schwer zu beschreiben, wenn man es nicht gesehen hat. Jedenfalls war es für mich bizarr und gleichzeitig irgendwie einmalig. Nach Verlassen der Kirche war ich von Demut erfasst, zu den privilegierten Menschen auf diesem Planeten zu gehören, die die Möglichkeit haben, Einblick in solche ganz fremden Kulturen zu bekommen. Sozusagen habe ich, als ich die Kirche verließ, einen Weg heraus zwischen zweierlei Welten gefunden (außer von Isabella erwarte ich von Niemandem, den letzten Satz verstanden zu haben ;-))
Von Chamula wanderten wir dann durch ländliches Gebiet, durch das raue Bergland von Chiapas. Es ist kühl hier, aber das Klima ist ideal, um auf den fruchtbaren Böden Gemüse anzubauen, insbesondere Mais, das Grundnahrungsmittel schlechthin, wird 2 Mal pro Jahr geerntet. Die Häuser sind einfach, und die Armut merkt man auch daran, dass es hier deutlich schmutziger ist als in anderen Teilen Mexikos. Trotzdem ist diese Armut noch immer nicht erdrückend, denn die Menschen haben das Notwendigste und können sich selbst versorgen. Hühner, Schafe, viel Gemüse – dazu gibt es Schulen und Krankenstationen und überall Stromanschluss. Selbst den ärmsten Teil Mexikos empfand ich als einigermaßen entwickelt – generell hat das Land einen wesentlich höheren Standard als viele andere in der Region. Die Indigena außerhalb Chamulas sind Fremden wieder freundlicher gesonnen, sie winken einem zu, grüßen und freuen sich, wenn man das ebenso tut. Auf den Feldern arbeiten zum Großteil Männer, die Frauen ziehen unter Tag eher nach San Cristóbal, um dort auf dem Markt Gemüse oder Kunsthandwerk zu verkaufen.
Die Wanderung endete nach rund 2 Stunden im Ort Zinacantán, der den Besucher etwas weniger zurückhaltend empfängt als es Chamula tut. Der Ort ist einfach, es gibt zahlreiche Kunsthandwerksläden und Webereien – und man fühlt sich weniger beobachtet als in Chamula. So endete unser Programm, und wir kehrten knapp nach 13 Uhr nach San Cristóbal zurück.
Hier hatten wir den ganzen Nachmittag „frei“. Klingt komisch im Urlaub, Zeit für sich selbst ist aber auf dieser Reise wirklich sehr dünn gesät, für mich fast ein wenig zu dünn. Die Reise ist hoch interessant, man sieht unglaublich viel, ich denke aber, man könnte sie durchaus mit dem gleichen Programm um 2-3 Tage verlängern und hin und wieder mal einen Tag zur freien Verfügung einbauen, einfach, um die Eindrücke setzen zu lassen, um mal zu entschleunigen und auch, um ganz profane Dinge wie die Wäsche zu erledigen. Anyway – ein freier Nachmittag war auch fein.
Wie ist also nun San Cristóbal? Abgesehen vom kühlen und wolkigen Klima gefällt es mir sehr gut hier. Ich finde nicht, dass man es unbedingt mit Antigua vergleichen sollte, rein optisch ist Antigua bestimmt noch hübscher. Aber San Cristóbal hat seinen ganz eigenen Charakter. Natürlich ist es ziemlich touristisch, es gibt von Yoga-Zentren über Bio-Läden bis hin zu französischen Bäckereien und Thai Restaurants so ziemlich Alles, was es in Mexico sonst außerhalb der Hauptstadt eher nicht gibt. Aber es gibt, wie ich finde, Orte, die aufdringlich-unangenehm touristisch sind und solche, die eine entspannt-angenehme touristische Atmosphäre ausstrahlen. San Cristóbal gehört für mich eindeutig in die letztere Kategorie, warum es so ist, ist ein rein subjektives Gefühl. Vielleicht macht es die Mischung – handelt es sich beim Publikum hier doch eher um Individual-und Kleingruppenreisende als die All Inclusive Fraktion. Dazu kommt, dass es eine Uni gibt, sodass auch Einheimische hier ihre Rolle und ihren Platz haben. Die – zum Großteil ebenso indigenen - Mädchen, die hier studieren, sind modern und westlich gekleidet, dazwischen bieten die Frauen aus den umliegenden Dörfern in ihren Trachten ihre Waren feil. Egal ob Tracht oder nicht – am Smartphone wird auch in traditionellem Gewand eifrigst gewischt ;-) Alles in Allem jedenfalls stimmt die Mischung hier für mich.
Wir werden heute noch Abendessen gehen und morgen weiter ziehen nach Palenque. Hinunter ins warme Tiefland. Bis zum Ende der Reise ist es nun endlich vorbei mit kalten Zwischen-Episoden, ab morgen ist es durchgehend heiß! Nachdem wir uns heute ausführlich mit der Welt der heutigen Maya beschäftigt haben, tauchen wir ab morgen tief ein in die vergangenen Zeiten der Hochkultur. Ich freue mich, wenn ihr mich begleitet!