Was also war das Besondere an diesem Paris-Besuch, in dessen Rahmen mich meine gute Freundin Isabella begleitete?
Zum Einen - wir genossen makellos schöne Herbsttage. Keine Wolke am strahlend blauen Himmel, 19 Grad, wunderbares, intensives Licht.
Zum Anderen - es war ein Abschied und ein Neuanfang. Abschied aus Vincennes. Neuanfang in Belleville. Wie kommt es dazu?
Michel und Jacqueline, mein Onkel und meine Tante, haben im zarten Alter von über 70 beschlossen, ihr Leben noch einmal neu in die Hand zu nehmen. Den umgekehrten Weg zu gehen, den wohl die meisten ihrer Altersgenossen wählen würden - aus dem ruhigen, beschaulichen Vorort Vincennes hinein in das boomende Trendviertel Belleville. Statt dem alten, schönen, mit Efeu überwucherten steinernen Haus, in dem sie weit über 30 Jahre ihres Lebens verbracht haben, in eine moderne Neubau-Wohnung mit Dachterrasse. Statt der aufgeräumten Bourgeoisie Vincennes das brodelnde, multikulturelle Leben Bellevilles. Andere Menschen ihres Alters würden wohl vor Allem ihre Ruhe haben wollen, Michel und Jacqueline dagegen wollen mitten drin sein im Geschehen. Auf der Straße Menschen aller Nationen und Hautfarben antreffen, in ein Eckcafé gehen und ihren täglichen Einkauf auf dicht gedrängten, bunten Märkten erledigen statt in sterilen Bobo-Geschäften. Ich hege große Bewunderung für diesen positiven Zugang zum Leben, und genau deswegen fühle ich mich immer besonders wohl in ihrer Gesellschaft. Denn so schön ich insbesondere das alte Haus in Vincennes, das ich diesmal vor ihrer Übersiedlung wohl zum letzten Mal besucht habe, immer fand, so bin ich dann doch auch eher ein urbaner Mensch, und müsste ich mich entscheiden, ob ich lieber in Vincennes oder in Belleville leben würde, würde ich mich wohl ebenso entscheiden wie die Beiden.
Ein wenig Touristenprogramm haben wir am ersten Tag dann doch eingebaut und haben Montmartre besucht. Tatsächlich tummeln sich vor der Sacré Coeur und auf der Place du Tertre die Massen an Selfie Stick Selbstinszenierern ebenso wie jene der Selfie Stick Verkäufer, die sich in ihrer Geschäftstüchtigkeit der seltsamen Bedürfnisse ihrer weltweiten Klientel schnell angepasst haben. Die anderen Gassen des ehemaligen Künstlerviertels strahlen aber nach wie vor fast dörflichen Charme inmitten der Millionenstadt aus. Auch sind wir durch die Gärten der Tuileries bis hin zum Louvre marschiert.
Den zweiten Tag verbrachten wir dann in Belleville. Das ehemals sehr arme, auf dem Weg zur "Gentrifizierung" befindliche, Einwandererviertel und zukünftige neue Zuhause meiner Familie. Sahen zumindest von außen das neue Gebäude und die neue Terrasse, die noch nicht ganz fertig gestellt sind. Erfreuten uns an schönen Konditoreien ebenso wie an Wandmalereien und Graffities, Urban Gardening Projekten wie Gerüchen chinesischer und vietnamesischer Gewürze und dem chaotisch-lauten Treiben des Marktes, der mich in seiner Dynamik wirklich nach Afrika oder Asien versetzte. Wir folgten anschließend zu Fuß dem Verlauf des Canal St. Martin, wo wir alte Schiffschleusen mitten in der Großstadt bestaunen konnten. Am Ende gelangten wir zum modernen Parc de la Villette mit seiner beeindruckenden Architektur. Insbesondere die "Géode" genannte Kugel mit ihren Spiegeleffekten, die bessere Selfies als jeder Stick erzeugt, versetzte uns hier in Entzücken.
Und heute zum Abschluss besuchten wir ob des herrlichen Wetters noch einmal den Parc Floral in Vincennes. Die Dahlien, die im Herbst in ihrer vollen Blüte stehen, sorgten für durch die Vielfalt ihrer Farben und Formen in Kombination mit dem blitzblauen Himmel genauso für sinnlichen Freuden wie die tägliche Käseplatte.
Ja, mein nächster Paris Besuch wird mich dann wohl direkt in die Urbanität Bellevilles führen. So bleibt nur noch zu sagen - Au revoir Vincennes, bonjour Belleville! Und Michel und Jacqueline nebst herzlichem Dank für die schönen Tage im Familienkreis vor Allem das Allerbeste für ihren neuen Lebensabschnitt zu wünschen. Ich bin sicher, es wird ein großartiger werden.........