Cradock, Südafrika, 14.45 Uhr
Sonnig, 35 Grad
Zunächst einmal möchte ich mich herzlich bei jener Gelse bedanken, die mir die halbe Nacht um die Ohren gesurrt ist und mich erfolgreich am Schlafen gehindert hat. Denn so saß ich putzmunter um 5 Uhr auf dem Balkon und sah einen wunderschönen Sonnenaufgang über dem Stausee. Man kann also aus jeder Situation das Positive mitnehmen ;-))
Gestern gab es hier nach dem Abendessen noch einen sagenhaften Sternenhimmel – und Misheck erklärte und zeigte uns sämtliche Sternenbilder, unter Anderem jenes, das in der südlichen Hemisphäre das bekannteste ist – das Kreuz des Südens. Ich finde, alleine der Name, Kreuz des Südens, hat schon irgendwie ganz etwas Tolles, es klingt nach Urlaub, Freiheit, nach der fernen weiten Welt. Ich stelle auch diesmal wieder fest, wie wohl ich mich auf Reisen fühle – das ist irgendwie mein absoluter Lieblingszustand ;-)
Apropos Sternenbilder – Misheck muss ich jetzt dringend auch einen ganzen Absatz widmen. Der erinnert mich die ganze Zeit an Martin, also Harrys Martin – der kann und weiß irgendwie Alles, egal um welches Gebiet es geht oder was man ihn fragt. Und das auf eine durchaus positive Art und Weise, er drängt einem sein Wissen nicht auf, sondern es ist einfach da, wenn man ihn fragt, so ganz normal und als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Keinen Moment spürt man dabei irgendeinen Anflug von Besserwisserei oder Wichtigtuerei – solche Menschen sind wirklich bewundernswert. Misheck kann also nicht nur über Sternenbilder referieren, dir jeden unnötigen Vogel und jeden Grashalm exakt bestimmen und dir die Gesteinszusammensetzung des jeweiligen Gebiets vortragen, nein, er kann alleine 8 afrikanische Stammessprachen (Ibu ist nicht darunter), kann dir über jede Volksgruppe und Kultur und deren Sitten und Lebensweisen genaue Auskunft geben – und das sogar auch über asiatische oder alte indigene Kulturen im Vergleich zu den afrikanischen. Und so nebenbei, wenn er grad nichts Besseres zu tun hat, als uns 4000 Kilometer quer durch Südafrika zu chauffieren oder einen platten Reifen zu wechseln, werkt er im Motorraum seines Trucks herum und wartet sämtliche Systeme selbst. Dazu ist er hundert prozentig verlässlich, als ich ihm am Beginn der Tour das mit dem nicht angekommenen Gepäck erzählte, nahm er das selbständig in die Hand ohne dass ich dauernd hätte nachfragen müssen – es war mir von Anfang an klar, dass ich in den besten Händen war. Einfach genial, wie ich finde, und wie wir alle 7 finden. Mit guter Laune geht es in die Nacht (tomorrow, at 6.30 we Rock n’Roll – dieses Wort verwendet Misheck für das Erobern der Straße mit dem Truck) und in den Morgen (vor der Abfahrt wird jeden Tag nochmal nachgefragt ob wir „ready to Rock n’Roll sind“).
Ich befragte ihn gestern beim Abendessen dann auch noch, wie er das sieht, diese in meinem gestrigen Artikel angesprochene nach wie vor vorhandene Trennung zwischen Schwarz und Weiß – er sieht das ganz pragmatisch. Das Hauptproblem dabei ist die nach wie vor starke Segregation, wenn es um die Bildung geht. Denn Schwarze gehen an die öffentlichen Schulen, meist in Townships. Das Bildungsniveau ist niedrig. Weiße gehen meistens auf Privatschulen – und haben somit von vornherein ganz andere Voraussetzungen und einen entscheidenden Startvorteil. Also ist das Phänomen, das wir auch aus Österreich kennen, nämlich dass Bildungsstandards vererbt werden, hier auf einem noch viel stärkeren Level allgegenwärtig.
Misheck meinte, Südafrika kann 2 Wege gehen: denjenigen Zimbabwes, also seines eigenen Landes, alle Weißen aus Revanchismus für die einstige Unterdrückung von heute auf morgen zu enteignen – das Land würde mangels entsprechender Ausbildung der schwarzen Bevölkerung genauso wie Zimbabwe binnen kürzester Zeit komplett kollabieren. Oder eben den mühevollen, langsamen Weg des Wandels, wie ihn Südafrika seit 20 Jahren durchschreitet – das Bildungsniveau der schwarzen Bevölkerung endlich auf jenes der weißen Minderheit anzuheben. Das ist eher ein Prozess von Jahrzehnten und somit mehreren Generationen, bis es soweit sein kann. Ob man so viel Geduld aufbringen wird, diese Politik der kleinen Schritte fortzusetzen, bleibt abzuwarten, Misheck findet, dass der seit dem Ende der Apartheid regierende ANC, einst Hoffnungsträger unter Nelson Mandela, unter der gegenwärtigen Führung um Jacob Zuma immer mehr durch Korruption und Misswirtschaft auffällt und Zuma mehr und mehr Züge des Despoten Robert Mugabe annimmt. Mugabe hat es geschafft, Zimbabwe, das frühere Rhodesien, vom afrikanischen Wunderland mit Überproduktion an Nahrungsmitteln, binnen weniger Jahre zu einem Armenhaus herunter zu wirtschaften, natürlich nicht, ohne sich selbst und seinen Clan dabei ausgiebig zu bereichern. Die Infrastruktur ist dabei verfallen, die Kriminalität exorbitant und die Versorgungslage immer wieder kritisch. Es bleibt zu hoffen, dass Südafrika den Weg der Vernunft beibehält und es somit eine positive Zukunft für das Land geben kann. War jedenfalls sehr interessant, dieses Gespräch, nachdem ich unmittelbar zuvor meinen gestrigen Artikel verfasst hatte, war es ein guter Anknüpfungspunkt, und ich wollte euch quasi die Fortsetzung nicht vorenthalten. Es zeigt, dass es bei allen Problemen dieser Welt nicht nur die schwarz-weiß Perspektive gibt, dass nicht der eine gut und der andere böse ist, sondern dass die dahinter stehende Thematik meist viel komplexer und facettenreicher ist, als uns H.C. und seine Stammtischbrüder das vormachen wollen.
Unsere heutige Tour begann nach dem Frühstück mit einer Besichtigung der Gariep Dam, durchaus beeindruckend. Danach ließen wir den Free State hinter uns und wechselten nach Eastern Cape. Wir durchfuhren die östliche Karoo, eine Halbwüste beherrscht von Gras-und Buschlandschaft, durchzogen von seltsamen Gesteinsformationen. Hier knallt gnadenlos die Sonne vom Himmel – es ist brennheiß, aber es ist auch eine trockene Hitze mit heißem Wüstenwind, die man sehr gut aushält. Weiterhin ist in der Gegend Afrikaans die dominierende Sprache, die häufigste Volksgruppe sind die Xhosa, jene Nelson Mandelas.
Gelandet sind wir nach nur 3 Stunden Fahrt in Cradock, einer von den Briten 1814 gegründeten kleinen Stadt mitten in der Karoo. Entsprechend findet man hier einige viktorianische Häuser, die hiesige Kirche wurde als Kopie der St. Martin’s in the Field in London errichtet. Auch unsere Unterkunft ist in diesem altenglischen Stil gehalten, natürlich modern adaptiert. Ein ziemlicher Kontrast zur sehr modernen Bleibe der letzten Nacht. Ich bewohne ein eigenes Haus, das einem Museum gleicht – nicht wirklich mein Wohlfühlstil, zum Übernachten aber durchaus originell.
Jetzt am Nachmittag machen wir noch eine Fahrt in den nahen Mountain Zebra National Park, wo man das fast ausgestorbene Bergzebra zu sehen bekommen sollte. Morgen ziehen wir auch schon wieder weiter. Mehr über all das dann bei nächster Gelegenheit!