Ipoh, Malaysia, 21.10 Uhr
Dunkel, 27 Grad
Ein höchst interessanter Tag war das heute. Mein Programm umfasste 2 Orte, die ich beide sofort in die Kategorie „seltsamste Plätze dieser Erde“ aufnehmen würde. Aber der Reihe nach…..
Nach einer eher kurzen Nacht bestellte ich mir direkt nach dem Aufstehen wieder einen Uber Wagen, der mich zurück zum Flughafen brachte. Der heutige Fahrer war redseliger als jener beim Ankommen. Er fragte mich interessiert über das Phänomen „Schnee“ aus – wie das so aussieht, wie sich das anfühlt. Die kälteste Temperatur, die er selbst jemals am eigenen Leib verspürt hatte, waren 18 Grad im Hochland von Malaysia gewesen – und da musste er sich bereits dick einmummen ;-) Ich erklärte ihm, Schnee sieht zwar wenn er fällt ganz nett aus, ist aber so eiskalt, wie er selbst es nur von Eiswürfeln kennt und außerdem binnen kurzer Zeit nur noch Matsch und Dreck. Ich sah an seinem ungläubigen Gesichtsausdruck, dass er keine Ahnung hatte, wovon ich da eigentlich spreche – und im Prinzip wollte ich ihm auch nicht seine romantisierte Vorstellung von dem, was für mich nur grausliches Frieren bedeutet, nehmen. Durch dieses Amusement verging die Fahrt jedenfalls sehr schnell.
Angekommen am Airport, frühstückte ich noch und nahm dann meinen Mietwagen in Empfang. Nach sehr langer Zeit nicht hinter dem Steuer machte es richtig Spaß, nun endlich mal wieder selbst seinen Weg zu bestimmen, und wenn es sich nicht um Stadtverkehr handelt, fahre ich im Prinzip immer noch gerne Auto. In Malaysia wird links gefahren, und sofern ich das nach Tag 1 beurteilen kann, auch sehr zivilisiert. Die Straßen sind sehr gut, und damit meine ich mindestens so gut wie bei uns – das ganze Land ist von breiten Autobahnen durchzogen, die alle mautpflichtig sind. Für die Autobahnmaut gibt es für den Touristen, nachdem er keine elektronische Mautbox im Fahrzeug hat, eigentlich nur eine einzige Möglichkeit – man muss sich die aufladbare „Touch n’Go“ Karte besorgen, die man an den Zahlstationen gegen ein Terminal hält, wo der Betrag direkt vom Guthaben abgebucht wird. Denn an vielen der Mautstellen kann nicht mit Bargeld bezahlt werden – und mit Kreditkarten auch nicht. Sprich – kein Touch n’Go – keine Autobahn. Zum Glück ist die Karte an jeder Tankstelle erhältlich und aufladbar, das war auch mein erster Weg, und nun bin ich gerüstet. Zurechtfinden tut man sich auch ohne Navi wirklich leicht, alles ist sehr gut angeschrieben, auch mein Hotel hier in Ipoh fand ich auf Anhieb problemlos. Lästig ist das doch recht niedrige Tempolimit von 110 km/h auf Autobahnen, das einem schnellen Fortkommen nicht gerade zuträglich ist und somit irgendwie einschläfernd wirkt.
Nun aber zu meinen beiden Tagesinhalten…..den eingangs zitierten Merkwürdigkeiten…
Zunächst einmal stand Putrayaja auf dem Programm. Dieses liegt 25 km südlich von K.L. und ebenso weit entfernt vom KLIA, also genau zwischen diesen beiden Punkten. Die Beschreibung hatte mich neugierig gemacht – irgendwie soll es gewisse Züge von Astana haben. Eine auf dem Reißbrett entworfene „Gartenstadt“, mit breiten Boulevards, monströser und futuristischer Architektur zur Unterbringung von Malaysias Regierungsspitze und vielen Ministerien, dazu großzügige Promenaden, die schön gepflegt und mit Blumen bepflanzt sind – und ebenso wie in Astana meistens menschenleer. Eigentlich sollte nach den Plänen Putrayaja mittlerweile über 300.000 Einwohner haben, aktuell sind es aber erst knapp über 70.000 – auch das wieder eine Parallele zur kasachischen Hauptstadt, dass die geplante und teilweise verordnete Besiedelung sich nicht immer so leicht herbeiführen lässt, wie es manche Herrschen und Planer gerne hätten. Dazu sind beide Städte baulich schneller gewachsen als die Zahl ihrer Bewohner – was sie beide irgendwie als Geisterstädte erscheinen lässt. Und gibt es nun einen Unterschied auch?! Während Astana mitten in der Steppe, im Nirgendwo, liegt und man die Hälfte des Jahres extrem eisigen Temperaturen ausgesetzt ist, so ist Putrajaya unter anderem auch deshalb relativ ausgestorben, weil die sengende Sonne erbarmungslos auf die breiten Straßen knallt und Herumspazieren bei der Hitze und der extremen Luftfeuchtigkeit selbst für mich fast unerträglich macht. Dazu liegt Putrajaya mitten in einem dicht besiedelten Gebiet, es ist also keinesfalls weit weg vom Schuss. Während in Astana auf natürlichem Wege so gut wie nichts wächst, wird Putrajaya geprägt von tropischer Vegetation mit ihrem satten Grün, einem riesigen botanischen Garten und viel Wasser – was die Sinne eher belebt als dass sie wie im Falle Astanas schockgefroren werden. Muss man sich Putrajaya nun ansehen?! Wenn man schon in K.L. ist würde ich sagen – auf jeden Fall. Es ist ganz eigen aber auf jeden Fall sehr beeindruckend und allein schon aus diesem Grunde mehr als sehenswert. Für die Besichtigung braucht man definitiv ein Fahrzeug, die Stadt ist sehr weitläufig, und die Gebäude liegen teilweise sehr weit voneinander entfernt – zu Fuß gehen ist wie gesagt angesichts der klimatischen Verhältnisse auch keine Option. Möglich ist auch eine Bootstour, die an allen markanten Bauwerken vorbei führt. Ich war jedenfalls froh, nach Putrajaya gekommen zu sein und setze mich nach einem Mittagessen ebendort (ein paar Lokale gibt es schon) zufrieden ans Steuer.
Rund 3 Stunden war ich nun unterwegs, bis ich Ipoh erreichte. Ipoh ist die Hauptstadt des Bundesstaates Perak und war einst sehr reich geworden durch die großen Zinnvorkommen, die hier ausgebeutet wurden. Der Merkwürdigkeiten war aber mit Putrajaya für diesen Tag noch nicht Genüge getan, nein, ich musste noch eines draufsetzen und befand, dass auch Ipoh ist eine ganz seltsame Stadt ist. Sie hat heute 700.000 Einwohner, man kommt sich aber vor wie in einem größeren Dorf. Viele der Häuser sind verfallen, nachdem der Zinnabbau zum Erliegen gekommen war, und auch die Straßen sind mit Ausnahme des großen Rasens zum Fußballspielen relativ leer. Klingt deprimierend?! Ist es aber nicht. Denn Ipoh ist trotzdem sehr charmant. Hinter den bröckelnden Fassaden hat sich hier interessanter Weise eine kreative Szene herausgebildet. Man findet auf vielen der Hausmauern schöne Wandmalereien eines litauischen Künstlers, an vielen Ecken gibt es schräge Geschäfte oder coole und hippe Lokale, wie sie auch bei uns in Neubau stehen könnten, vom Vintage Café über das Lokal im klassischen Industrial Design bis hin zum hausgemachten französischen Brot findet man neben ebenfalls recht chic aufgepeppten asiatischen Suppenlokalen Dinge, mit denen man in so einer Umgebung eigentlich nicht rechnen würde. Die ganze Kombination und das ganze Ambiente sind irgendwie total schräg – und für mich aufgrund ihrer Eigenwilligkeit durchaus reizvoll und sympathisch, zumal auch die Menschen hier sehr freundlich sind. Touristen gibt es in Ipoh kaum – was für mich ebenfalls so gut wie immer einen Pluspunkt darstellt. Insgesamt war dieser Tag sehr eindrucksvoll und hat mir mehrere Facetten von der Vielseitigkeit aber auch der Eigenartigkeit Malaysias offenbart. Ich kann das Land nach einem Tag abseits von K.L. schwer einordnen, glaube aber, dass ich es mag, weil es irgendwie anders ist, anders als vieles, das ich schon gesehen habe, und auch anders als andere asiatische Länder. Ob das schon der Endbefund zu Malaysia ist, wird sich in den kommenden Tagen herausstellen.
Ipoh ist nun für 2 Nächte meine Basis, von der aus ich morgen eine Tagestour in die nahen Cameron Highlands unternehmen werde. Hier kann man sich bei kühleren Temperaturen ein wenig auslüften und sich am satten Grün der Teeplantagen erfreuen. Meine Eindrücke vom Hochland gibt es beim nächsten Mal!