Nach dem Frühstück brach ich also die Zelte wieder ab – ich hatte mich sehr wohl gefühlt in meinem kleinen Apartment und die Ruhe genossen. Einige Stunden nahm ich mir aber noch Zeit, meinen Finger, die Kassandra, zu erkunden. Sie ist der touristisch am stärksten erschlossene Teil der Chalkidiki, was im Jahre 2020 aber nichts heißen will, es war auch hier ruhig und angenehm. Die Kassandra ist flacher als die anderen Finger, intensiver landwirtschaftlich genutzt, Getreidefelder und Olivengärten prägen das hügelige Terrain. Ein paar hübsche Orte hat auch die Kassandra, abgesehen von meiner Homebase Afytos, zu bieten. Der Rundgang durch den alten Kern von Pefkohori war ein besonders netter. Ich erholte mich danach im Schatten am blau-türkisen Xenia Beach und genoss schließlich noch ein paar Mezze in einer Taverne am Meer. Was für schöne Tage – dachte ich mir, als ich meine Zeit hier Revue passieren ließ und dann eine Stunde Fahrtzeit brauchte, um mein Auto am Flughafen von Thessaloniki zurückzugeben.
Unmittelbar hier stieß ich dann ins andere Griechenland vor. In eines, das auch in guten Jahren praktisch ohne Touristen ist, in die zweitgrößte Stadt Thessaloniki. Schon der Weg vom Flughafen ins Zentrum war chaotisch und unübersichtlich. Google Maps kennt in Thessaloniki keine öffentlichen Verkehrsmittel, die Homepage der Verkehrsbetriebe ist undurchschaubar – und so versuchte ich es auf dem alten Weg, nämlich am Airport jemanden beim Ticketschalter für die Bustickets ins Zentrum zu befragen. Schnell wurde ich in irgendeinen Bus gesetzt, der allerdings nur bis zum Ikea fuhr, wo ich einen total überfüllten anderen Bus ins Zentrum bestieg. Warum der angeblich existierende direkte Airport-Expressbus nicht da war, konnte mir keiner sagen, aber egal, der Ikea Bus fuhr hinein und blieb auch mehr oder weniger direkt vor meiner Unterkunft stehen. Das war griechisch wie im Bilderbuch – irgendwie chaotisch, nicht besonders effizient aber im Endeffekt doch funktionierend.
Meine Unterkunft ist ein total cooles Apartment im Retro Style mitten auf der großen Einkaufsstraße. Sehr schön. Von hier aus nahm ich einen ersten Rundgang in Angriff. Durch eine Stadt, die kaum etwas mit irgendeinem Griechenland Klischee zu tun hat. Eine Stadt, die auf den ersten Blick praktisch keine Sehenswürdigkeiten hat und von gesichtslosen und teils auch heruntergekommenen Betonbauten geprägt wird ebenso wie von einer stark befahrenen, zubetonierten Uferpromenade. Aber ich kann es nicht erklären warum, ich mochte Thessaloniki auf Anhieb und fühlte mich vom ersten Moment an wohl. Es ist nicht aufgehübscht, nicht aufgesetzt, es ist eine durch und durch griechische Stadt mit quirligem Leben auf der Straße, einer Unmenge an tollen Cafés, Bars und Restaurants, die vor Allem nach Einbruch der Dunkelheit von ganz vielen jungen Leuten bevölkert werden. Thessaloniki ist eine Studentenstadt ohne Schnörkel, ganz erdig aber wunderbar lebendig, denkt man sich noch den Stadtstrand dazu, erinnert es mich fast an Tel Aviv – auch dort ist das Leben an sich die Sehenswürdigkeit. Die Leute tragen brav die Maske im Bus oder wenn sie in Geschäfte gehen, auch die Kellner, aber ansonsten brodelt das Leben. Und das ist schön. Corona hin oder her – es tut gut, zu sehen, dass sich die Menschheit nicht unterkriegen lässt.
So gesehen – zwei Griechenlands – das ruhige mit den schönen Stränden und friedlichen Orten, und das ungeschminkte voller Elan in Thessaloniki. Beides hat mich bezaubert, mein Gemüt erfreute sich sowohl an der Ruhe und den Farben des Meeres wie auch am Brodeln der Großstadt. Ich bin jedenfalls sehr froh, mich für Griechenland entschieden zu haben, dieser Trip hinterlässt bei mir weniger schalen Beigeschmack als es Frankreich und Italien gemacht haben, man hat das Gefühl, dass sich die Griechen, die bisher ziemlich gut durch die Viruskrise gekommen sind, weniger unterkriegen lassen und sich trotz Maskerade am Lebensstil nicht viel verändert hat.
Morgen bleibt mir noch der Tag in Thessaloniki, ich werde mich ziellos durch die Gassen und über die Märkte treiben lassen, die Cafészene genießen und am späteren Abend dann nach Hause fliegen. Was ich dabei noch erlebt habe und praktische Reisetipps für Nordgriechenland gibt es von ebendort….