Und ist Radfahren in den Niederlanden jetzt wirklich so toll? Eigentlich nicht. Die Radwege sind zwar wirklich vorbildlich ausgebaut, allerdings nehmen weder andere RadlerInnen noch AutofahrerInnen besonders Rücksicht aufeinander. Speziell in Amsterdam ist man gefährlich unterwegs und wird dauernd geschnitten, egal ob man zu Fuß geht oder selbst am Rad sitzt, wobei niemand der Einheimischen einen Fahrradhelm trägt Auch lässt die Beschilderung der Radwege etwas zu wünschen übrig - meistens werden sogenannte "Knotenpunkte" ausgeschildert, wo man sich schrittweise weiterkämpfen kann, eine durchgängige Bezeichnung größerer Orte findet man aber selten. Selbst der Nordseeküsten-Radweg, der gleichzeitig der Euro Velo 12 ist, wird an manchen Kreuzungen nicht oder nur sehr unauffällig beschildert. So mussten wir öfter Google Maps bemühen - und es empfiehlt sich, dies nur mit Rahmen fürs Handy zu tun. Denn einmal kassierte ich eine Verwarnung von einem Polizisten, als ich das Handy in der Hand hielt, um mich das letzte Stück zum Quartier leiten zu lassen. Auch die Räder mit dem Zug mitzunehmen, gestaltet sich überraschend schwierig. So gibt es wie bei uns in den Railjets in den Intercity Zügen maximal 6 fixe Radplätze, und speziell bei der Rückfahrt von Leeuwarden nach Amsterdam war es auch eine Challenge, dass wir alle an Bord kamen. Wir schafften es schon mit etwas Krampf und Kampf, aber ich hätte mir in DEM Fahrradland schlechthin schon großzügigere Möglichkeiten für den Fahrradtransport im Zug erwartet. Zumal die Fahrrad Tageskarte mit 7,50 EUR nicht wirklich ein Schnäppchen ist. In Verbindung mit dem starken Dauerwind, der etwas eintönigen Landschaft und der Tatsache, dass wir nur selten wirklich an einen Strand kamen für eine Küstentour, fand ich das Erlebnis Radfahren in den Niederlanden summa summarum etwas enttäuschend.
Sehr nett waren auch diesmal die kleineren Städte und Orte in den Provinzen Noordholland und Friesland, ganz besonders Haarlem und Dokkum sind wirklich pittoresk. Essen in den Niederlanden ist ganz okay, zumindest, wenn man relativ viel Geld auf den Tisch legt. In hübscheren und geschmackvolleren Restaurants kann man schon gut Essen, die Alltagskost ist aber eintöniger als bei uns. Wirklich gut, abgesehen von Amsterdam, war der Standard der Unterkünfte, jede hatte ihren individuellen Charme, von modern bis traditionell, vom Bed&Breakfast bis zum Hotel. Das war neben der netten Gesellschaft in unserer Freundesgruppe der angenehmste Aspekt dieser Tour. Wir hatten diesmal, aufgrund der Hochsaison und aufgrund der nicht sehr umfangreichen Unterkunftsmöglichkeiten entlang der Route, alle Übernachtungen entgegen unserer Gewohnheiten vorreserviert.
Gar nicht angetan war ich von Amsterdam. Ich war dort schon öfters gewesen, aber der Trubel behagte mir nach der Beschaulichkeit der relativ Touristen freien Idylle der kleineren Städte überhaupt nicht. In Amsterdam blüht, bei aller optischen Attraktion der Grachten, der Touristennepp. In den Niederlanden konzentriert sich der Massentourismus auch wirklich nur auf diese einzige Stadt, während im restlichen Land sonst nur NiederländerInnen und ein paar Deutsche unterwegs sind. Die Hotelpreise in Amsterdam sind völlig überzogen, für ein kleines Schuhschachtelzimmer mit Blick auf einen Schacht zahlten wir ohne Frühstück 290 EUR. Befeuert wurde dies auch durch die an diesem Wochenende stattfindende Pride Parade, wodurch die Stadt ausgebucht war. Es ist auch beim Essengehen schwierig, ein Lokal zu finden, das nicht auf touristische Massenausspeisung von mittelmäßiger Qualität ausgerichtet ist, es liegt der Geruch vom Fett der Frittierbuden und einer permanenten Marihuana Fahne aus den Coffee Shops in der Luft. In Kombination mit der Hektik durch den Verkehr und zum Teil gestresster und nicht besonders freundlicher Leute fühlte ich mich auch gar nicht wohl. Muss nicht so bald wieder sein.
Im Folgenden, bevor ihr euch über die Fotos macht, stelle ich euch noch unsere Tagesetappen im Detail vor, kombiniert mit allen möglichen Tipps. So nett es war, so wirklich eine begeisterte Empfehlung für einen Radtrip durch die Niederlande, kann ich nicht wirklich abgeben....
Wir reisten getrennt an. Harry und Martin schickte ich als meine Flight-Buddies schon einen Tag voraus, Anita und Uschi kamen mit einem fix gebuchten Ticket nach, und Peter und ich nahmen einen Tag später den Flug Standby. Alle versammelt, trafen wir uns dann beim Radverleih mitten in Amsterdam.
Organisatorisch hatte Alles gut geklappt, die 2 E-Bikes für Harry und Martin standen ebenso bereit wie die 4 siebengängigen Touring Bikes für uns andere. Die Räder waren im Großen und Ganzen okay, ein paar kleine Wehwechen hatten sie, die aber Martin bestmöglich behob. Ein Touring Bike kam auf 18 EUR pro Tag, ein E-Bike auf 23. Ein halber Extra-Tag, den wir eigentlich in Anspruch genommen hatten, wurde uns kulanter Weise erlassen. Vorteil von Rentabike zudem - hat 7 Tage die Woche von 9-18 Uhr geöffnet, womit man schön flexibel ist, wenn man, so wie wir, unsere Tour an einem Sonntag beginnt.
https://www.rentabike.nl/en
1. Etappe: Amsterdam - Haarlem (ca 20 Kilometer)
Der Weg vom Radverkehrschaos hinaus in die nette Hauptstadt Noordhollands, Haarlem, führte zum Großteil entlang der Straße und war nicht besonders attraktiv. Insbesondere, weil man Richtung Westen fährt und somit voll gegen den Wind strampelt.
Haarlem ist sehr hübsch und sieht nicht viel Tourismus. Die Grote Kerk, die Windmühle Adriaan, und viele kleine Gassen und Kanäle sowie zahlreiche nette Cafés machen die kleine Stadt nicht nur angenehm sondern sehr sehenswert.
Unsere Unterkunft war das moderne NIU Dairy Hotel, das am Rand der Altstadt liegt und angenehm ist. Auch sehr gutes Frühstück.
https://the.niu.de/hotels/niederlande/haarlem/the-niu-dairy
Zum Abendessen fanden wir das nette indonesische Lokal Café Samabe, wo wir uns eine typische indonesische Reistafel mit unzähligen Gerichten genehmigten. Nicht billig, aber sehr gut, fanden wir alle bis auf Uschi. Aufgewertet wurde der Abend auch dadurch, dass mein holländischer Bekannter J aus Den Haag angereist war und uns Gesellschaft leistete.
https://samabe.nl/
2. Etappe: Haarlem - Schagen (ca 50 Kilometer plus 30 per Bahn)
Schlecht war für heute das Wetter angesagt, aber bis auf ein paar Spritzer hielt sich der Regen in Grenzen. Die Strecke der Kustroute führte zunächst lange durch diverse Dünen, die an sich ganz hübsch aber auch recht eintönig waren. Auch einen Kanal mussten wir überqueren per Fähre, die aber sehr regelmäßig fährt und für RadfahrerInnen gratis ist. Das Meer sah man kaum. Wir zweigten dann ab ins Landesinnere nach Alkmaar, das für seinen Käsemarkt bekannt ist (immer nur Freitag von 10-13 Uhr). Man kann auch das Käsemuseum besuchen, wofür uns keine Zeit blieb. Das Zentrum ist ganz hübsch aber nicht ganz so nett wie andere Städte. Von Alkmaar nahmen wir für die letzten 30 Kilometer den Zug, weil es schon spät war und wir keine Lust mehr hatten. Schagen ist ein süßes wirklich kleines Örtchen im Landesinneren.
Unsere Unterkunft in Schagen war das sehr hübsche Hotel Marktstad direkt am Hauptplatz. Stilvolles Ambiente zu angemessenem Preis.
https://www.hotelmarktstad.com/
Das Abendessen konsumierten wir im Restaurant Linkke Loetje - hier gab es solide Küche bei etwas zu großen Portionen und sehr langsamem Service.
https://www.linke-loetje.com/pg-67-7-27702/pagina/welkom_bij_linke-loetje.html
3. Etappe: Schagen - Den Helder plus Ausflug auf Texel (gesamt ca 45 km)
Die Strecke von Schagen nach Den Helder führte zwar auf perfekten Radwegen, aber durchwegs entlang der Straße. Der erste Teil zudem gegen heftigen Wind, was in Summe kein Vergnügen war.
Den Helder selbst bietet wenig Herausragendes abgesehen von einer schön renovierten Mole mit ein paar netten Lokalen, insbesondere hervorzuheben ist hier das Restaurant Stoom. Tolles, extrem helles, Ambiente, sehr feine Küche, freundliches Service. Ein unbedingter Tipp.
https://restaurantstoom.nl/
Übernachtet haben wir im kleinen familiären Hotel De Werf direkt an der Mole. Eigenwillig aber stilvoll eingerichtete Zimmer.
https://www.hoteldewerf.nl/en
Die Fähre zur Insel Texel fährt zwischen 9 und 16 Uhr alle 30 Minuten, danach jede Stunde. Die Überfahrt dauert 20 Minuten, die Fähre ist wesentlich größer als man sich vorstellen würde. Für RadfahrerInnen gibt es einen eigenen Eingang, der Radweg führt bis direkt vor die Türe. Tickets inklusive Rad sind günstig und kosten 5 EUR (inklusive Retourfahrt). Diese können entweder Online oder vor Ort erworben werden, vor Ort werden dafür ausschließlich Karten akzeptiert.
https://www.teso.nl/de/
Texel selbst hat an seiner Westküste zur Nordsee hin einen rund 30 Kilometer langen Sandstrand, wir haben kurz den untersten Abschnitt besucht, hielten es aufgrund des starken Windes dort aber nicht lange aus.
4. Etappe: Den Helder - Harlingen (ca 50 Kilometer plus 30 mit dem Bus)
Heute hatten wir dann am Vormittag Dauerregen und wurden waschelnass. Dabei radelten wir eigentlich durch ganz nette Dörfer, für die wir aber entsprechend kein Auge hatten. Glück im Unglück war, dass der Abschlussdeich, der die Nordsee vom Ijsselmeer trennt, gerade renoviert wird und entsprechend nicht mit den Fahrrädern befahren werden kann. Dafür wurde ein Ersatzbus eingerichtet (Fietsbus), der stündlich verkehrt und gratis ist. Wir waren nicht unglücklich, in dem Fall die öde Fahrt auf dem Damm abkürzen zu können. Nach Harlingen verblieben dann noch gut 10 Kilometer direkt am Deich auf einem geneigten Betonband, wo uns der Wind zwischen Schafen an unser heutiges Tagesziel trug. Auf der Fahrt ins Quartier wurde ich dann noch vom Polizisten wegen Handy in der Hand angehalten und verwarnt, entgegen meinem Naturelll blieb ich ruhig und ersparte mir dadurch die Strafe.
Bed&Breakfast De Oosterpark: ausgesprochen nette Unterkunft. Der Gastgeber ist ein solcher mit Leib und Seele und kümmert sich aufopfernd um seine Gäste. So durften wir als besonderes Service den Wäschetrockner benutzen, um unsere nassen Sachen zu trocknen. Auch das Frühstück war liebevoll angerichtet und grandios. Liegt etwas außerhalb vom hübschen Harlingen in einer ruhigen Wohngegend, man geht zirka 20 Minuten zu Fuß ins Zentrum.
https://bnb-oosterpark.nl/de
Ein unbedingter Tipp auch unser Lokal beim Abendessen. Im wohl schönsten Haus von Harlingen liegt das gemütlich eingerichtete Lokal mit feinem Essen und freundlichem Service.
https://www.eetcafenooitgedagt.nl/
5. Etappe: Harlingen - Dokkum (ca 58 Km)
Auf dem heutigen Abschnitt, der immer gleich verlief und uns im Endeffekt wieder nicht ans Meer führte, nahmen wir einige Abkürzungen und kamen so mit knapp 60 statt geplanter 75 Kilometer davon. Die Gegend war weiterhin recht eintönig, weswegen wir beschlossen hatten, dass man nicht viel versäumt, nicht die volle Strecke zu fahren. Dokkum ist eine ganz besonders nette kleine Stadt, die von einem sechseckigen Wassergraben mit Windmühlen umgeben ist.
Unser Hotel lag genau an diesem Graben am Rand dieser Altstadt, war abermals sehr hübsch und bot auch ein gutes Restaurant, wo wir gleich auch Abend aßen.
https://www.hotelvandermeer.nl/
6. Etappe: Dokkum - Leeuwarden ( ca 25 km), dann per Bahn nach Amsterdam
An den letzten Abschnitt hatten wir keine großen Erwartungen mehr und wurden positiv überrascht. Insbesondere das letzte Stück führte durch idyllische Orte (insbesondere Burdaard) an kleinen Kanälen entlang, wo friedlich die Hausboote dahinschipperten. Leeuwarden ist die Hauptstadt Frieslands, das wir allerdings nicht mehr besuchten. Von hier aus nahmen wir den Zug nach Amsterdam.
Ist man zu mehreren Personen, empfiehlt sich bei längeren Strecken mit dem Zug, das "Off Peak Group Ticket" zu nehmen (2 bis maximal 7 Personen), damit kann man je Strecke sich ganz schön viel ersparen, wenn man außerhalb der Stoßzeiten unterwegs ist. Ein Fahrrad-Tagesticket um 7,50 EUR pro Rad muss man zusätzlich kaufen. Am einfachsten ist es, sich die App der Niederländischen Bahn runterzuladen, auf dieser findet man alle Verbindungen und kann alle Tickets gleich kaufen.
https://www.ns.nl/producten/en/meest-gekocht/p/groepsticket-daluren
Heute gelangten Peter und ich wieder mit einem Standby-Ticket nach Hause, Anita und Uschi folgten uns am Nachmittag mit iihren normalen Tickets. Harry und Martin bleiben noch eine Nacht und geben sich den Trubel der Pride Parade.