Zunächst einmal hatten wir, oder zumindest ich als einer, der die Hitze liebt, extremes Wetterglück. Während einer Woche fiel kein Regentropfen, und auch unsere Etappen hatten wir uns perfekt eingeteilt. Denn es begann angenehm warm und wurde von Tag zu Tag heißer. Und unsere Etappenplanung war so angelegt, dass die zu bewältigenden Distanzen von Tag zu Tag kürzer wurden - sprich umgekehrt korrelativ zum Anstieg der Temperaturen.
Unterkünfte hatten wir für die erste und die letzte Nacht im Voraus arrangiert - dazwischen dann tageweise. Meistens kamen wir in Appartments unter, die wir teils über die Plattform airbnb buchten, teils über booking.com. In Tschechien waren wir dazwischen auch in Hotels. Eigentlich waren alle Quartiere sehr in Ordnung, manche mehr, manche noch mehr. Aber Reinfall war diesbezüglich keiner zu beklagen.
Wir begannen unsere Tour im immer wieder schönen Prag. Das etwas zu voll von Touristen ist, aber optisch schon eine Augenweide. Besonders nett wurde dieser Aufenthalt durch das Treffen mit meiner tschechischen Cousine Misa.
Der Zielort lag diesmal in Dresden, der Landeshauptstadt Sachsens. Ich hatte Dresden noch nie gesehen, bekannt ist es als "Elbflorenz" einerseits, durch seine legendäre Zerstörung im Zweiten Weltkrieg andererseits, und in jüngster Zeit war es meist durch die Demonstrationen der fremdenfeindlichen Pegida in die Schlagzeilen gekommen. Ich selbst war begeistert von Dresden - die Altstadt mit ihrer beeindruckenden Silhouette an der Elbe ist wunderschön. Als Gegenpol gibt es das Trendviertel der äußeren Neustadt. Ein Stadtteil, jung und alternativ. Mit einer Unmenge an Bars, Cafés, schrägen und alternativen Lokalen an jeder Ecke, multikulturell und entspannt, und bestimmt keinem einzigen Pegida Unterstützer. Einem herrlichen Park, in dem gegrillt und zusammengesessen wird - wir waren angetan von der Atmosphäre. Und selbst auf Dresdens Wahrzeichen, der Semperoper, ist eine klare Anti-Pegida-Botschaft zu lesen. Ich fand die Stadt unglaublich sympathisch - und unter den größeren Städten Deutschlands ist es neben Berlin nun eindeutig mein Favorit!
Zwischen Prag und Dresden lagen einige nette Orte - wir übernachteten im hübschen Melnik und im ebenso netten Litomerice, im weniger interessanten Decin und dann in den pittoresken sächsischen Orten Wehlen und Pirna. Wir sahen die Burgruine Schreckenstein (Strekov) und besichtigten das ehemalige Konzentrationslager Theresienstadt.
Theresienstadt war kein Vernichtungslager, es gab dort also keine Gaskammern, dennoch kamen unzählige Menschen, die unter Folter und unmenschlichen Haftbedingungen litten, auch dort zu Tode. Wir hatten eine Führung durch das Lager, die äußerst interessant war, es galt auch als das "Vorzeigelager", in das Delegationen des Roten Kreuzes geführt wurden, in Kombination mit dem Film "Die geschenkte Stadt" die übelste Art der NS-Propaganda. In Wahrheit war es vor Allem ein Riesen Getto und ein Umverteilungslager für Transporte in die Vernichtungslager. Es wurden uns einige Details der Geschichte von Theresienstadt (heute wieder Terezin) gezeigt, die in ihrem Gesamtkontext höchst interessant waren und die mir, und wohl auch vielen anderen, bisher komplett unbekannt waren.
Landschaftlich war der Höhepunkt eindeutig die sächsische Schweiz, wie das Elbsandsteingebirge auch genannt wird, bizarre, dolmenförmige Sandsteinformationen, die südlich von Dresden hoch aus dem Elbtal emporragen. Wunderschön und ein Landschaftstyp, den ich in der Form sonst noch nicht gesehen hatte.
Das Radfahren war zum Großteil ein Vergnügen. Die Qualität des Elberadweges in Tschechien wurde in den letzten Jahren sehr verbessert, viele Stücke komplett neu gebaut. In Prag selbst ist Radfahren allerdings nach wie vor ein Abenteuer, im Stadtgebiet gibt es nicht einen einzigen Radweg. Außerhalb dann aber ändert sich das zum Glück, und auch die Beschriftung der Route war auf tschechischer Seite gut. Ein paar holprige Abschnitte mussten wir schon noch zurücklegen, es ist aber damit zu rechnen, dass auch diese in den kommenden Jahren verschwinden werden. In Sachsen ist die Radwegequalität dann hervorragend (und im Gegensatz zu Prag auch innerhalb Dresdens im Stadtverkehr mustergültig). Einzig die übersichtliche Beschilderung fehlte auf deutscher Seite, es war uns nicht immer klar, wie wir weiterfahren mussten - das war in der Tschechischen Republik besser. Unser Radführer von Bikeline, wie immer der treueste und wichtigste Begleiter auf Radreisen, schaffte da aber stets Abhilfe.
Wenn man die ehemaligen Ostblock Länder vergleicht, so muss man sagen, die DDR ist nicht mehr sichtbar in Sachsen. Alles ist schön saniert und tip-top in Schuss. Und der Kontrast zu Tschechien scharf. In Tschechien ist nach wie vor zirka jedes zweite Gebäude verfallen, die Bahnhöfe abgesehen vom Prager Hauptbahnhof eine Katastrophe, und Industrieruinen prägen zudem das ansonsten schöne Landschaftsbild. Echt erstaunlich, wie lange es dauert, bis hier außerhalb Prags westliches Niveau erreicht wird - mir kam die Entwicklung dahingehend in Polen schon wesentlich weiter vor. Auch die Züge sind, trotz Upgrade auf Railjet auf der Verbindung nach Wien, weiterhin langsam unterwegs und zuckeln in gemächlichem Tempo durch böhmische und mährische Lande. Was hingegen in Deutschland nach wie vor auf DDR Niveau ist, ist der Einsatz von bargeldlosen Zahlungsmöglichkeiten - es gibt in Europa glaube ich kein Land, wo Plastikgeld weniger verbreitet ist als im modernen Deutschland, das sich dahingehend als echt rückständig präsentiert. Vor Allem, wenn man so wie ich gewohnt ist, immer nur wenig Bares bei sich zu haben, ist das wirklich mühsam und völlig unverständlich, wenn auf jedem zweiten Geschäft sogar noch extra mittels Aufklebern darauf hingewiesen wird, dass keine Kartenzahlungen akzeptiert werden.
Was sich in Tschechien wirklich verbessert hat, ist die Freundlichkeit der Menschen. Man war stets bemüht und hilfsbereit, jüngere Leute halfen uns in Englisch, ältere öfter auch in Deutsch, immer wieder gerne aus. Die Sachsen sind, abgesehen von ihrer in meinen Ohren schrecklich klingenden Sprache, ausgesprochen nett. Das lustigste Wort dieser Reise ist aber "Zmrzlina" geworden, das tschechische Wort für Speiseeis. Ein Traum, wie viele Konsonanten man aneinander reihen kann :-)
Beim Essen teilten sich unsere Meinungen etwas. Während sich meine Mitradler in Böhmen vor Allem über die nach wie vor billigen Preise freuten, verzweifelte ich an der dort nach wie vor herrschenden Fleischlastigkeit der Küche. Abgesehen vom wirklich guten Bier finde ich das kulinarische Erlebnis in Tschechien ziemlich schwach, nicht nur, dass es viel Fleisch ist, finde ich die Küche auch ziemlich einfallslos und wenig variantenreich. Und die Qualität bestenfalls mittelmäßig. Aus meiner Sicht trat ich, als wir die Grenze zu Deutschland überschritten, ins Paradies ein - auf einmal gab es wieder interessante Gerichte auf der Karte, ich konnte mich bei den hohen Temperaturen auch mit leichter Kost wie Fisch oder Salaten austoben, auch mal raffiniertere Varianten und Kombinationen ausprobieren. Nun ja, hier scheiden sich die Geister, ich tat mir im ländlichen Tschechien jedenfalls eher schwer.......
Nun dann, ich lasse nun viele Bilder einer wunderschönen Reise sprechen und wünsche euch viel Spaß damit! Ahoj - wie man auf Tschechisch sagt!