Lomé, Togo, 21.20 Uhr
Schwül-warme Nacht, 27 Grad
Es ist wirklich schade, dass Weebly mich augenblicklich so im Stich lässt. Denn heute hätte ich euch einiges mitzuteilen gehabt.
Der Tag begann noch quasi „normal“, ich traf beim Frühstück meine Gruppe. Und – es ist eine Dame aus Kärnten dabei. Ösi Premiere also! Dazu ist neben Deutschen auch ein Italiener vertreten, der aber schon ewig in Deutschland lebt und mit einer der Gruppenteilnehmerinnen verheiratet ist. Und - ich bin mal wieder der Jüngste. Unser Reiseleiter ist ein junger Mann namens Bill, der aus Benin stammt aber sehr gut Deutsch spricht. So ziehen wir also durch die Lande. Heute waren wir in Lomé und Umgebung unterwegs. Und tauchten dabei in Welten ein, die ich noch nie zuvor gesehen hatte.
Unser Hotel, das eigentlich auch recht einfach ist, ist eine Insel der Ruhe. Wir befinden uns in der Hafengegend Lomés, und ringsum hausen die Menschen unter wirklich kläglichsten Bedingungen, in staubigen Holzbaracken mit Wellblechdächern. Die Leute gehen ihren Geschäften nach, betreiben kleine Stände, aber menschenwürdig finde ich diese Behausungen nicht mehr.
Unser erstes Ziel in Lomé war der Fetischmarkt, angeblich der größte Westafrikas, wo es getrocknete Schlangenhäute, Schädel aller möglichen Tiere etc zu kaufen gab. Der Teil beeindruckte mich jetzt noch weniger, ich fand den Markt recht unspektakulär, und viele Menschen waren auch nicht da. Dafür lag er in einem der argen barackigen Viertel – und so nebenbei stand ich dem französischen Fernsehen, das gerade eine Reportage drehte, als Interviewpartner Rede und Antwort. Hm, so fließend ist mein Französisch jetzt auch nicht, dass ich damit gleich ins Fernsehen muss, aber die beiden meinten, das wäre egal, sie fänden meine Eindrücke hier spannend, und außer uns waren eben keine Touristen da, und in meiner Gruppe sonst auch niemand, der Französisch sprach.
Wesentlich beeindruckender als den Fetischmarkt fand ich schon die Massen auf der Straße und am Grand Marché. Heftigstes Treiben all der unzähligen Menschen in ihren bunten Gewändern, Frauen, die Waren auf dem Kopf balancieren, hunderte Kinder, Verkauf aller möglichen Dinge am Straßenrand, eigentlich muss man nie in ein Geschäft gehen, denn wenn die Ampel rot wird, kommen hunderte Straßenverkäufer und bieten die möglichsten und unmöglichsten Dinge an, sodass man am Ende des Tages wenn man will wohl alles beisammen hat. Unser Fahrer kaufte beispielsweise einen neuen Nagelzwicker, einfach so mal an einer roten Ampel, dazwischen war die Windschutzscheibe geputzt, und ich hätte auch vom Gürtel bis zum Waschmittel zirka Alles erstehen können. Da musste ich schmunzeln. Der Grand Marché im Zentrum Lomés ist ein Gewusel und ein echtes Erlebnis, bei dem man als Weißer allerdings kaum einen Schritt weiterkommt, weil wirklich jeder einem etwas andrehen will. Man ist in diesem Teil der Erde schon eine Besonderheit. Bill schirmte uns da so einigermaßen ab so gut er konnte. Trotzdem war das Markterlebnis ein sehr positives, das Leben, das hier herrscht, ist sagenhaft, und das muss man einfach erlebt haben.
Es folgte Mittagessen in Strandnähe, der Strand von Lomé ist schön breit und von Palmen bestanden, nicht nur bei unserem Hotel sondern auch im Zentrum.
Am Nachmittag aber kam das absolute Tageshighlight – unsere erste Voodoo Zeremonie in einem Dorf außerhalb Lomés, ein Messertanz. Das Spektakel dauerte eineinhalb Stunden und war auch noch nicht vorüber, als wir von dannen zogen. So waren wir zwar der Anlass für die Zeremonie, aber sie ist nicht extra für Touristen gemacht sondern wird auch tatsächlich so zelebriert und von den Menschen sehr ernst genommen. Man ist zwar hier im Süden auch katholisch und im Norden muslimisch, aber das Dominierende bleibt doch der Geisterglaube. Auch Bill glaubt an den Voodoo Kult, wie er uns mitteilte, die Vorstellung, dass ein Fetisch von uns Besitz ergreift, uns in Trance versetzt und von uns besänftigt werden muss, ist für meinereiner, der schon jeder herkömmlichen Religion skeptisch gegenüber steht, schon sehr weit hergeholt. Aber darum geht es hier nicht, hier geht es um die Menschen Westafrikas.
Es beginnt mit Gesang und Getrommel, dabei kann jeder mitmachen, in Trance versetzt können aber nur die werden, die schon das Initiationsritual über sich ergehen haben lassen. Wer in Trance fällt, entscheidet der Fetisch und der Voodoo Priester stellt die Verbindung vom Fetisch zum Menschen her. In unserem Fall war eine Frau die erste, diese bekam ein Huhn auf den Kopf gesetzt, das dabei mit Messern erlegt wurde (das Tier stirbt dabei sofort und wird danach auch gegessen, also kein sinnloses Gemetzel), das Blut des Huhns wurde dann dem Fetisch gespendet, der damit bespritzt wird. Notwendig ist auch rotes Palmöl und ein bestimmter Schnaps. Nach der Schlachtung des Huhns wankte die Frau wild und unkontrolliert durch die Gegend, es sah richtig gespenstisch aus. Ein anderer schmierte sich mit rotem Öl ein, das vorher auf glühendem Ofen erhitzt wurde, ein weiterer in Trance kam mit Bastrock zurück, schmierte sich Maismehl ins Gesicht und schnitt sich mit Messern in die Arme, ohne dass er sich verletzte, das ist auch der spezielle Teil des Messertanzes. Auch schluckte er einfach eine Rasierklinge. Angeblich bringt der Trancezustand übernatürliche Kräfte, die das ermöglichen. Als die in Trance Geratenen begannen, wild und mit leeren Augen herum zu schwanken, gab es doch einige Kinder, die sich davor fürchteten und ängstlich zur Seite wichen als sie sich ihnen näherten. Ich muss sagen, mich hat diese Zeremonie schwer beeindruckt, auch weil sie keine Touristenshow war sondern offensichtlich regelmäßige Praxis ist, und ein wenig gruselig fand ich es schon. So etwas Vergleichbares habe ich noch nirgendwo gesehen, und ich war mir in dem Moment nicht mehr sicher, ob ich mich noch auf dem Planeten Erde befand, so fremd und faszinierend zugleich war dieses Ritual. Gesang, Tanz und Getrommel begleiten die Zeremonie durchgängig. Ich glaube jetzt schon sagen zu können, dass Westafrika in seinen Traditionen und seiner Denkweise der uns wohl am allerfremdeste Erdteil ist, neben Indien vielleicht, nicht nur der Geisterglaube sondern generell, wie das Leben hier abläuft ist so anders als alles, was ich sonst kenne – und ich habe doch schon Einiges von unserer schönen Erde gesehen. Das hier ist jedenfalls auf einem anderen Blatt Papier geschrieben, und das werden wohl noch sehr spannende Tage, die da auf uns zukommen.
Als wir wieder im Hotel waren war es, als hätte sich hinter uns ein Vorhang geschlossen, die Welten hier drin und dort draußen sind doch zwei komplett verschiedene. Wir aßen noch Abend, und morgen ziehen wir weiter, so wie wir das jetzt fürs Erste jeden Tag tun werden. Wir besuchen den Togosee, überschreiten dann die Grenze zu Benin, wo wir einer weiteren Vodoo Zeremonie, die sich Zangbeto nennt, beiwohnen werden. Dieser ist offensichtlich ein Wächter für das Gute, sieht aus wie ein wandelnder Heuhaufen und wird von übernatürlichen Geistern bewohnt. Nun, vielleicht glaube ich ja am Ende dann doch noch dran oder trage den Zauber in mir wenn ich zurückkehre ;-) Jetzt versuche ich aber ganz auf natürlich menschliche Weise einzuschlafen, ganz ohne Trance! Vielleicht mag Weebly sich ja mal einer Voodoo Zeremonie unterziehen um wieder zu Kräften zu kommen und euch wieder an meine einzigartigen Erlebnisse hier anzubinden…..