Valparaíso, Chile, 21 Uhr
Heiter, 19 Grad
Das Bett war sehr bequem, die Raumtemperatur angenehm, und so wurde es eine gute Nacht. Ein gutes und frisches Frühstück folgte, mit Avocados, Käse, Müsli und frischen Früchten. So gestärkt, war es also Zeit, mich voll und ganz Valpo zu widmen.
Valparaíso erlebte seine Blütezeit im 19. Jahrhundert. Es stieg damals zum wichtigsten Hafen ganz Südamerikas auf, war ein Umschlagplatz für Waren aller Art. Viele prächtige und repräsentative Gebäude wurden damals errichtet, von reich gewordenen Kaufleuten. Zwei Ereignisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts führten dann aber zum rapiden Abstieg und Niedergang der Stadt. 1906 vernichtete ein Erdbeben mit anschließendem Tsunami große Teile des prächtigen Zentrums, und die wirtschaftliche Bedeutung des Hafens sank ein paar Jahre später durch die Eröffnung des Panamakanals ins Bodenlose. Und so kam es, dass Valparaíso zunehmend verfiel. Dieser Niedergang ist bis in die Gegenwart deutlich zu sehen. Das Zentrum direkt am Hafen wirkt auch heute noch heruntergekommen und verfallen, eigentlich wenig einladend. Häfen mit ihren Kränen und Containern strahlen per se stets eine etwas verruchte Stimmung aus, die umso stärker ihre Wirkung entfaltet, wenn sie ihre einstige Bedeutung eingebüßt haben. Aber, wie es unser Tourguide heute sagte, das Zentrum ist zwar nicht optisch attraktiv aber „demokratisch“. Sprich, die Menschen, die auf den Hügeln leben, egal ob auf den wohl situierten oder den unterprivilegierten, kommen gleichermaßen ins Zentrum, zum Einkaufen oder um Amtswege zu erledigen. Somit treffen hier alle sozialen Schichten aufeinander, es findet dadurch keine komplette Segregation von Arm und Reich statt wie es in anderen Städten in Entwicklungsländern so oft der Fall ist. Seit den 1990er Jahren wird zudem viel getan, Valpo als alternative Kulturdestination zu etablieren, die beiden Hügel Concepción und Alegre nahmen seither einen Aufschwung, Schritt für Schritt wird hier die immer noch vielerorts arg ramponierte historische Bausubstanz saniert. Einen Rückschlag gab es dabei 2010, als ein schweres Erdbeben die chilenische Küstenregion erneut arg in Mitleidenschaft gezogen hat. Heute gibt es dennoch Fortschritte, eine lebendige kulturelle Szene ist entstanden, so wurde ein ehemaliges Gefängnis aus der Zeit der Militärdiktatur zu einem schönen Kulturpark umgestaltet, der Künstlern aller Richtungen, seien es Musiker, seien es Maler, Raum zur Entfaltung bietet. Insbesondere aber ist Valpo DIE Street Art Metropole schlechthin. Praktisch alle Häuser sind mit bunten Wandmalereien verziert, und das, obwohl die Graffitis eigentlich illegal sind, sofern sie auf öffentliche Mauern gemalt werden. Auch der Hafen hat inzwischen eine gewisse Renaissance erfahren. Der Mix aus kreativ und verfallen, ärmlich und bunt, heruntergekommen und boboesk, das Auf und Ab im Gassengewirr, dazwischen die zahlreichen Aufzüge – all das macht Valparaíso zu einer spannenden und einzigartigen Destination. Eine vergleichbare Stadt gibt es meiner Meinung nach nicht – und daher ist es wie ich finde fast ein Muss, sie im Zuge einer Chile Reise zu besuchen!
Ich machte im Endeffekt 2 Touren. Am Vormittag die „Offbeat“ Tour, die uns mehr abseits der Touristenrouten führte, und am Nachmittag die „Highlights“, die uns die Stadt eher anhand der Touristen Hotspots präsentierte. Während ich mich am Vormittag der Englisch sprachigen Gruppe anschloss, wählte ich als Herausforderung am Nachmittag die Spanisch sprachige Tour. Obwohl die Nachmittagstour vielleicht weniger originell war, fand ich sie trotzdem interessanter, das lag aber auch an unserer Tourguide, einer Studentin aus Spanien, die uns die Stadt mit Humor, viel Enthusiasmus und ansteckender Leidenschaft näher brachte. Die Touren finden täglich auf Trinkgeldbasis statt, je nach Gefallen sind zwischen 5000 und 10000 CLP (rund 7-14 EUR) angemessen. Auf jeden Fall eine nette Art, ein wenig mehr Einblick zu bekommen.
https://tours4tips.com/valparaiso/
Ich schloss dann noch mit einem wirklich netten Abendessen in einem der vielen Restaurants gleich um die Ecke ab – Schwertfischfilet auf Meeresfrüchte Risotto sowie Mangomousse erfreuten mein Herz. Leider hat „Sabor y Color“ („Geschmack und Farbe“) nur ein Facebookprofil aber keine Homepage.
https://www.facebook.com/saborcolor.cl
Mein Aufenthalt in Valparaíso war ein wirklich genialer Auftakt meiner diesjährigen Reise. Die Stadt hat mich in all ihren Facetten in ihren Bann gezogen, die Kontraste zwischen Glanz und Verfall mit ihrem kreativen Touch sind faszinierend!
Morgen begebe ich mich ein wenig die Küste entlang nach Süden – sofern das Auto anspringt. Was es dabei zu sehen gab, wie es mir gefallen hat und mehr erfahrt ihr, funktionierendes Internet vorausgesetzt, morgen dann!
Im Anhang nun noch eine kleine Übersicht mit Tipps für Valparaíso.
- Eckdaten
Valparaíso, kurz auch „Valpo“ genannt, hat in etwa 290.000 Einwohner, liegt 120 Kilometer westlich der Hauptstadt Santiago direkt am Pazifik. Valpo war einst die bedeutendste Stadt Chiles, was sich zwar mit dem Erdbeben und der Eröffnung des Panamakanals Anfang des 20. Jahrhunderts änderte, dennoch tagt hier immerhin noch das chilenische Parlament (während der Präsident in Santiago residiert), die Marine des Landes hat hier ihren Sitz, und Valpo ist definitiv Chiles kulturell bedeutendste Stadt. Abgesehen von den wenigen flachen Straßenzügen des eher heruntergekommenen direkt am Hafen gelegenen Stadtzentrums breitet sich Valpo auf 42 Hügeln aus, die sich durch ihre Sozialstruktur voneinander unterscheiden.
- Herumkommen und Verkehr
Valparaíso liegt vom Flughafen in Santiago de Chile zirka 90 Kilometer entfernt, ist von ebendort über die direkte, mautpflichtige Autobahn Ruta 68 in gut einer Stunde erreichbar. Auch Busverbindungen gibt es regelmäßig ab Santiago. Innerhalb der Stadt verkehrt entlang der Küstenlinie eine Art Metro bis in den benachbarten Ferienort Vina del Mar. Ansonsten verkehren innerstädtisch mehrere Buslinien sowie ein Oberleitungsbus „Trolebus“), und für die Überwindung der Höhenunterschiede zwischen den Stadtteilen stehen zahlreiche historische Aufzüge („Ascensores“) bereit, deren Benützung nur ein paar Cent kostet. Tickets kauft man im Bus beim Fahrer, bei den Aufzügen beim Eingang.
- Einreise
Österreicher (und ich nehme an das gilt für die meisten anderen EU Bürger gleichermaßen) benötigen für die Einreise nach Chile nur einen noch mindestens 6 Monate gültigen Reisepass, dazu füllt man eine Zolldeklaration im Flugzeug aus. Witziges Detail am Rande – einzig Australier müssen bei der Einreise nach Chile eine Gebühr entrichten, die sogenannte „Reciprocity Fee“. Diese wird deshalb erhoben, weil Australien chilenischen Staatsbürgern im Gegensatz zu Europäern die elektronische Einreisegenehmigung nicht kostenlos erteilt sondern dafür Gebühren einhebt. Und genau diese „Gegenseitigkeitsgebühr“ verlangen die Chilenen auch von australischen Bürgern, wofür es am Flughafen eigene Schalter, die groß mit australischer Flagge und dem Hinweis „Reciprocity Fee“ gekennzeichnet sind, gibt. Wirkt schon ein wenig skurril, wobei die Maßnahme ja im Kern durchaus verständlich ist.
- Infrastruktur und Strom
Chile verwendet die südeuropäischen Steckdosen vom Typ C. Das bedeutet, dass unsere dünnpoligen Stecker passen, für Schukostecker aber ein Adapter erforderlich ist. Internet funktioniert in Valparaíso gut, und WLAN ist auch fast in jedem Café und Restaurant gratis vorhanden. Das Kanalsystem in den alten Häusern auf den Hügeln entspricht nicht unserem Standard, Papier darf daher nicht in die Toilette geworfen werden, um die engen Abflüsse nicht zu verstopfen sondern muss stets im daneben stehenden Mistkübel entsorgt werden. Auf Leitungswasser sollte man verzichten, zum Zähneputzen ist es aber kein Problem.
- Sprache
Amtssprache in ganz Chile sowie auch in Valpo ist Spanisch. Das chilenische Spanisch weist in punkto Vokabular einige Unterschiede zu jenem in sonstigen Regionen auf, auch ist, was die Chilenen selbst bestätigen, ihr Spanisch das mit Abstand undeutlichste und daher am schwersten verständliche. Gerne werden Silben verschluckt, und so muss man sich, wenn man eher so wie ich die Grundverständigung beherrscht, schon sehr konzentrieren, um immer alles Wesentliche mitzubekommen. Englisch wird in ein paar wenigen touristischen Einrichtungen gesprochen, im Großen und Ganzen sind die Kenntnisse aber eher mangelhaft bis gar nicht vorhanden, selbst hier in meinem Boutique Hotel spricht das Personal an der Rezeption ausschließlich Spanisch. Grundkenntnisse in Spanisch sind daher schon von Vorteil!
- Sicherheit
Entsprechend der Tatsache, dass in Valparaíso eine große soziale Kluft besteht, ist die Sicherheitssituation nicht als hundertprozentig bedenkenlos einzustufen. Im heruntergekommenen Zentrum hat man vor und nach Geschäftsschluss nichts mehr verloren, unter Tag kann man sich dort, wenn die Straßen belebt sind, problemlos aufhalten. Die beiden touristischen Hügeln Concepción und Alegre gelten weitgehend als sicher, Dinge sichtbar in einem Mietwagen liegen zu lassen, ist aber auch hier eine schlechte Idee, selbst tagsüber. 3 deutschen Mädels in meinem Hotel wurden heute ihre gesamten Rucksäcke, die sie sichtbar in ihrem Auto deponiert hatten, entwendet, ihre Dokumente und Kreditkarten hatten sie aber wenigstens bei sich gehabt. Die Diebe hatten dabei die Autoscheiben eingeschlagen, und das am helllichten Tag hier im guten Viertel. Derartige Vorkommnisse werden immer wieder berichtet. Mietwägen, die leider durch ihren Sticker auch sofort als solche erkennbar sind, daher nur auf bewachten Privatparkplätzen abstellen! Auf ärmere Hügel sollte man sich alleine auch tagsüber nicht begeben sondern nur in der Gruppe unterwegs sein. Die Dokumente sollte man im Hotel lassen und nur wenig Bargeld mit sich führen, auch ist es ratsam, maximal eine Kreditkarte bei sich zu tragen und die andere in der Unterkunft zu deponieren, um im Verlustfall ein Back Up zu haben. Zahlreiche streunende Hunde bevölkern Valpos Gassen, die aber stets sehr gut genährt wirken und daher nicht aggressiv sind.
- Geld und Preise
Chiles Währung ist der Chilenische Peso (CLP). Nach momentanem Kurs bekommt man für 100.000 CLP 140 EUR. Bankomaten gibt es mehr als ausreichend. Kreditkarten werden hier in Valpo sehr häufig genommen, in praktisch allen Cafés, Restaurants und Hotels kann man problemlos nicht nur mit Visa und Mastercard sondern sogar mit AMEX oder Diners zahlen. Lediglich auf Straßenständen und für öffentliche Verkehrsmittel inklusive der Aufzüge benötigt man Bargeld, ebenso wie für die Autobahnmaut. Manchmal gibt es mit europäischen Karten Probleme mit der Lesbarkeit der Chips auf chilenischen Bezahlterminals, sollte dies der Fall sein, hilft die manuelle Eingabe der Nummer am Gerät. Chile ist kein Billigland, das Preisniveau ist für die wesentlichen Dinge wie Essen, Trinken, Unterkünfte in etwa auf unserem Niveau.
- Unterkunft
Was man in Valpo weniger findet, sind große Hotelketten. Dafür gibt es unzählige charmante kleine Boutique Hotels und Hostales mit persönlichem und zuvorkommendem Service. Mit meiner Unterkunft, die ich gestern ja schon präsentiert habe, bin ich voll und ganz zufrieden! Idealerweise sucht man sich eine Bleibe auf den Cerros Concepción oder Alegre, um sich auch am Abend problemlos nach Hause begeben zu können und mitten im Geschehen zu sein.
- Küche
Auch wenn die chilenische Küche selbst eher fettig ist und mit den südamerikanischen kulinarischen Top Destinationen Peru und Argentinien nicht mithalten kann, so kann man in Valpo allerorts sehr gut speisen. Es gibt die Wahl zwischen unzähligen Cafés, Bars, Restaurants mit stets frischer und guter Küche. Insbesondere Fisch und Meeresfrüchte bekommt man hier in sehr guter Qualität, dazu werden Naschkatzen auch von appetitlichen Kuchen und Torten oft verführt. Chilenischer Wein ist großartig und unter den besten der Welt, speziell Cabernet Sauvignon schmeckt hervorragend. Auch das Bier orientiert sich an deutschen Standards und ist absolut empfehlenswert, dünnes amerikanisches Abwaschwasser ist zum Glück nicht die vorherrschende Braukunst hierzulande. Nachdem in Mittelchile mediterranes Klima herrscht und es entsprechend ausgeprägte Jahreszeiten gibt, sind hier weniger die tropischen Früchte tonangebend sondern im Jänner, sprich im Hochsommer, auch die bei uns bekannten Obstsorten in voller Reife. Erdbeeren, Kirschen, Pfirsiche, Zuckermelonen sind gerade wunderbar saftig und süß und ein Hochgenuss!
Restaurant Tipps habe ich schon in den Texten zuvor mit euch geteilt ,-)
- Klima
Valparaíso hat mediterranes Klima, entsprechend gestaltet sich auch die Vegetation. Dadurch, dass eine kalte Meeresströmung hier auf warme Luftmassen trifft, wird es auch im Sommer nie wirklich heiß, oft bleibt es auch nebelig-trüb und im Gegensatz zum Landesinneren immer feucht. Ich hatte Glück und gestern einen richtig warmen Tag, und auch heute bekam ich die Sonne noch zu Gesicht. Im Winter wird es in Valpo bis zu plus 5 Grad kalt.
- Sehenswertes
Unbedingt die beiden Hügeln Concepción und Alegre. Diese Stadtteile sind auch UNESCO Weltkulturerbe.
Interessant auch der Parque Cultural de Valparaíso auf dem Cerro de Carcel.
http://parquecultural.cl/
Es empfiehlt sich, auch einmal mit einem der historischen Aufzüge zu fahren, speziell der Ascensor Reina Victoria wurde erst kürzlich restauriert. Eine Übersicht hier.
http://ascensoresvalparaiso.org/taxonomy/term/4
Das Zentrum ist wie schon gesagt heruntergekommen, im historischen Kontext und im Hinblick auf die soziale Durchmischung aber schon einen kurzen Blick wert, insbesondere die zentrale Plaza Sottomayor, wo sich auch das schöne Gebäude der chilenischen Marine befindet. Wie schon erwähnt – ausschließlich tagsüber zu Geschäftszeiten besuchen!
Die Wandmalereien finden sich in ganz Valparaíso auf fast jeder Hausmauer, auch auf den ärmeren Hügeln. Besonders schön und konzentriert finden sie sich aber auf dem Cerro Concepción.