Cuenca, Ecuador, 17 Uhr
Heiter, 24 Grad
Ich muss sagen, ich habe schon extremes Glück auf dieser Reise. Nach dem Cotopaxi war heute, als wir in der Früh aus Riobamba aufbrachen, auch der Chimborazo komplett frei! Auch das kommt nur an einem von 10 Tagen vor! Na, ich will mich mal nicht beklagen.
Wie schon gestern angedeutet, ist der Chimborazo mit 6310 Metern der höchste Berg Ecuadors. Er hat zwar nicht die perfekte Kegelform des Cotopaxi, dafür aber andere Qualitäten. Was die Berge hier eindeutig von unseren unterscheidet, ist die Tatsache, dass sich im Gegensatz zu unseren Alpen nicht ein Gipfel an den nächsten reiht, sondern, dass einzelne Riesen aus dem Hochland herausstechen. Das macht sie auch so einzigartig, dass sie nicht mit „Nebengipfeln“ quasi um die Aufmerksamkeit ringen müssen. Was beim Chimborazo auch noch dazu kommt, ist, dass in der Hochsteppe ringsum dekorativ die Vicunas grasen – was natürlich traumhafte und gleichzeitig klischeehafte Traumbilder ergibt. Zur Erinnerung ein kleiner Überblick zu den Andenkamelen – es gibt 2 wild lebende und 2 domestizierte Gruppen. Wild lebend ist die Urform, die Guanacos. Von ihnen gibt es nicht mehr sehr viele, und in Ecuador gar keine. Vicunas sind die zweite wild lebende Art. Domestiziert sind das Lama, das vor Allem als Lasttier genutzt wird, und das Alpaka, das für seine Wolle berühmt ist und aussieht wie ein Schaf mit langem Hals.
Oben am Chimborazo stiegen wir auf einer Schutzhütte auf 4800 Metern aus dem Auto. Dadurch, dass hier viel weniger Wind ging als am Cotopaxi, konnte ich eigentlich recht gut atmen, und ein kleines Stück nach oben schaffte ich es auch immerhin. Ansonsten genoss ich bei herrlich sonnigem Wetter das Panorama – einfach genial!
Anschließend zogen wir weiter und hatten wie angekündigt die lange Fahrt nach Cuenca zu bestreiten. Die Straßen in Ecuador sind grundsätzlich ganz gut. Allerdings merkt man eben auch, dass das Land eher arm ist, denn die Infrastruktur ist mit jener, die wir in den 1970er Jahren hatten, zu vergleichen, als wir noch über die Wechselbundesstraße nach Graz fuhren. Sprich, es werden hier keine Tunnel gebaut, sondern auch die Hauptverbindung zwischen Quito und Cuenca schlängelt sich, von einem neuen Autobahnteilstück bei Quito abgesehen, in Serpentinen über die Pässe und durch die Dörfer. Und nachdem das Land gebirgig ist, ist die Strecke stets kurvenreich. Für mich, der die Route wahrscheinlich genau ein einziges Mal in seinem Leben befährt, schön anzusehen, jemand, der aber beruflich hier unterwegs ist oder mit dem Bus fahren muss, sicher anstrengend, denn man braucht ewig.
Ein weiteres Kriterium eines Entwicklungslandes wurde mir heute auch noch ins Bewusstsein gerufen. Luis, mit dem ich die letzten 4 Tage unterwegs war, fuhr nämlich, nachdem wir seit dem Frühstück inklusive Chimborazo bereits 7 Stunden unterwegs gewesen waren, direkt, nachdem er mich im Hotel hier in Cuenca abgesetzt hatte, gleich wieder nach Quito zurück, was mindestens 8 Stunden Fahrzeit bedeutet. Er hätte zwar an sich vom Reiseveranstalter die Übernachtung in Cuenca noch bezahlt bekommen und erst morgen retour müssen, aber, so meinte er, da würde er einen ganzen Tag verlieren. So kann er das Auto morgen in Quito zum Service geben, sich währenddessen ein wenig zu Hause erholen und ist ab übermorgen wieder bereit für neue Aufträge. Sprich, wann er das nächste Mal frei hat, weiß er nicht, wenn er gebraucht wird, ist er zur Stelle. Man muss eben jeden Auftrag annehmen und kann es sich nicht leisten, einen Tag zu „verlieren“, sprich, einfach mal Freizeit zu haben. Etwas, das für unsereins unvorstellbar ist, dass wir nie wissen, wann wir das nächste Mal etwas Privates unternehmen können, wann wir uns mit Freunden treffen können etc. Luis feiert nächstes Jahr seine Silberhochzeit – und da möchte er sich EINE Woche Urlaub gönnen und mit seiner Frau erstmals in seinem Leben auf die immerhin zum eigenen Land gehörenden Galapagos Inseln fliegen. Dafür legt er schon seit Jahren sämtliche Trinkgelder, die er bekommt, zur Seite, damit dieser kleine Luxus einmal drinnen ist. Dabei arbeitet seine Frau auch ganztägig in einem Beauty Salon in Quito, sie haben nicht einmal Kinder, und trotzdem geht es sich immer nur ganz knapp aus, dass sie durchkommen. Mir wurde wieder bewusst, in welchem Luxus wir eigentlich leben – und dennoch so viele Menschen bei uns nie zufrieden sind. Traurig, denn in Österreich sind wir wirklich im Paradies und schätzen es so selten!
In Cuenca liegt mein Hotel mitten in der Altstadt, die auf den ersten Blick sehr nett wirkt. Es liegt „nur“ auf 2500 Höhenmetern, und man merkt sofort, dass es gleich viel wärmer ist – unter Tag jetzt definitiv Wetter für kurze Ärmel! Das Hotel ist jetzt zwar nicht sehr toll, mein Zimmer hat nur ein Fenster ins Stiegenhaus, so etwas mag ich gar nicht. Aber was soll’s, es ist sauber, die Dusche funktioniert und das WIFI auch und die Lage ist top ;-) Und ich bin ja nicht hier, um außer zum Schlafen den ganzen Tag im Zimmer zu versumpern. Dazu hat mich die obige Geschichte wieder mal geerdet, und es gibt keinen Grund, sich zu beklagen, wenn man das Privileg hat, mal eben so 5 Wochen durch Südamerika reisen zu können und jeden Tag mit neuen Schönheiten und Highlights verwöhnt zu werden.
Morgen habe ich eine Gruppentour in den nahe gelegenen Cajas Nationalpark am Programm, übermorgen einen Tag, um in Ruhe durch Cuenca zu flanieren. Wie immer, so halte ich euch am Laufenden, jetzt werde ich mir ein nettes Lokal zum Abendessen suchen. Erfreut euch an den schönen Bildern des heutigen Tages – und seid dankbar dafür, dort leben zu dürfen, wo ihr lebt!