Und somit fangen wir mit den zahlreichen schönen Seiten dieses Tages an. Zunächst habe ich mal hervorragend geschlafen - das Bett ist bequem, und die morgendliche Dusche war druckvoll und warm. Ebenso ließ mich eine Schüssel Porridge schwungvoll in den Tag starten. Der Fiat Cinquecento ist das perfekte Auto für einen Roadtrip durch Wales mit seinen engen und kurvigen Straßen. Also die Straßen sind alle sehr gut, die Hauptstraßen auch so ausgebaut, dass man zügig vorankommt. Aber will man das Land sehen, ist ja mehr der Weg das Ziel, und der Fokus liegt nicht unbedingt auf dem schnellen Kilometerfressen - insofern macht es Spaß, mit dem kleinen Italiener gemächlich zwischen Steinmauern und Schafherden auf und ab zu cruisen.
Ich war heute größtenteils auf der Insel Anglesey, die über eine Brücke mit dem Festland, sofern man die britische Insel als solches bezeichnen kann, verbunden ist. Die Landschaft ist rau - was auch ihren Reiz ausmacht. Ähnlich wie in Irland prägen unterschiedliche Grüntöne die Szenerie, welche durch häufig wechselnde Lichtstimmungen unterschiedlich leuchten. Immer im Bild die weißen Farbtupfer der allerorts grasenden Schafe - weswegen ich in meinen Gedanken heute oft bei meiner alten Freundin Verena war, deren Leidenschaft für die flauschigen Wollknäuel fast kultigen Charakter hat, sodass man praktisch jedes einzelne Schaf unweigerlich mit ihr assoziiert.
Anglesey beherbergt auch das Dorf mit dem längsten Namen der Welt. Einer rätselhaften Aneinanderreihung irgendwelcher Buchstaben, die in der walisischen Sprache angeblich wirklich etwas heißen. Der Ort ist längst überregional bekannt im Kuriositätenkabinett, inbesondere das Schild am Bahnhof wird sehr gerne fotografiert. Da habe ich dann doch gleich mitgemacht - seht selber nach auf den Bildern, wie der Ort heißt, müsste ich diese Buchstabenkette hier manuell eingeben, wäre ich wohl morgen noch nicht damit fertig.
Wales ist überdies das Land der Burgen. Gibt es viele Burgen, zeugt dies stets von einer sehr wechselvollen und stark umkämpften Geschichte eines Landstrichs. Das ist hier nicht anders. Bei der Eroberung der keltischen Waliser durch die Engländer, erwiesen sich erstere als durchaus wehrhaft, weswegen der englische König Edward I. im 13 Jahrhundert einen sogenannten "Eisernen Ring" an Burgen bauen ließ, um den Aufständen Einhalt zu gebieten. Hier im Norden stehen 4 dieser eindrucksvollen historischen Zeugnisse in relativer Nähe zueinander - allen ist gemein, dass sie in beeindruckendem Zustand sind und heute auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes stehen. Gestern hatte ich Conwy Castle gesehen, heute startete ich meinen Tag in Beaumaris auf Anglesey mit der einzigen Burg, die von einem Festungsgraben umgeben ist, und ich beendete ihn in Caernafon, wo die Festung mitten in der wunderhübschen Stadt thront. Der letzten aus dem Quartett in Harlech werde ich noch morgen einen Besuch abstatten.
Dazwischen gibt es weitläufige Strände, das Meer ist hier nicht so rau wie es am offenen Atlantik ist, die Irische See, an der die walisische Küste liegt, ist doch um einiges geschützter. Trotzdem liegt auch hier dieser wunderbar salzige Geruch des Meeres in der Luft, der sich mit dem Kreischen der Möwen zu einem harmonischen maritimen Duett vereint. Besonders intensiv erlebt man das am Ende der Insel, also eigentlich einer Anglesey nochmals vorgelagerten Insel namens Holy Island - hier befindet sich, auf einem einsamen Felsen inmitten der Steilküste, das South Stack Lighthouse, das gleichsam das Nordwestende von Wales markiert. Leuchttürme haben stets etwas Mystisches und drücken der speziellen Stimmung hier im Keltenland noch ihren Stempel auf.
12 Stunden war ich heute unterwegs gewesen vom Frühstück bis zu meiner Rückkehr ins Quartier - ein langer Tag. 12 Stunden voller Wahrnehmungen, Eindrücke, voller Staunen und Schauen. Auch wenn der Tag voll war und ich viel im Auto gesessen bin, so war er trotzdem entschleunigend - dafür sorgt schon die Umgebung. Es ist nicht unbedingt mein Wetter oder meine Klimazone - aber das Raue, Wilde, Düstere - es hat schon trotzdem was - ich war auch immer ein Irland-Fan gewesen. Und - bevor ich nun ins Reich der Träume kippen werde - für morgen ist sogar Sonnenschein auf dem Programm. Insoferne eine gute Nacht, und ich hoffe, euch morgen dann dementsprechend noch buntere Bilder präsentieren zu können.