Die letzten Wochen ereilte mich so eine Art "Impf-Ernüchterung". Eigentlich hätte es ja der große Sitch in die Freiheit sein sollen, nur, nachdem aufgrund von Delta in ganz Europa die Zahlen wieder am Steigen sind und auch immer wieder Geimpfte sich anstecken (wenn auch meistens nur mit sehr harmlosen Verläufen) - so führte mir das bildlich vor Augen, ich bin geimpft, und das Gefühl der Unbeschwertheit ist trotzdem nicht da. Ich war nicht so naiv zu denken - Impfung, hollario - und Maske ab. Das war mir schon klar, dass es nicht so sein wird. Aber irgendwie hätte ich mir jetzt ein tieferes Durchatmen erhofft - nach dem Motto - ich habe meine Reisefreiheit, ich kann wieder einigermaßen normal leben. Stattdessen verhielt ich mich gesellschaftlich vorbildlich - und war trotzdem wieder mal unglücklich damit. Denn nach wie vor muss man weiter mit der Ansteckung rechnen. Die Reisefreiheit wird auch wieder Stück für Stück eingeengt - auch für Geimpfte. Ich sah meine Felle irgendwie davonschwimmen - geimpft, und trotzdem tut sich nichts. Trotzdem kein besseres Leben. Ich weiß, ich denke oft zu viel nach, aber genau das war meine Stimmung letzte Woche im Krankenstand. So irgendwie - dr Strohhalm der Impfung löst sich gerade in Luft auf, und die Perspektive, die da war, verwässert sich wieder.
Zum Glück geht es aber auch wieder in die Gegenrichtung. Rechtzeitig vor meiner geplanten Frankreich Reise wurde ich wieder fit, flog noch einen Dienst und saß wie geplant im Flieger nach Paris. Noch voller Zweifel, ob ich mich jetzt darauf freuen soll oder nicht. Frankreich hatte die Covid Regeln immer schon strenger ausgelegt, wie mir auch bei meinem letztjährigen besuch aufgefallen war. Ich kam also an in Paris - für meinen Impfnachweis interessierte sich genauso wenig jemand wie für meine eidesstaatliche Erklärung über die Symptomfreiheit. Manche mögen die laxen Kontrollen anprangern, für mich war es das Hinübergleiten in eine wieder entspanntere Welt. Ich übernahm auf dem Flughafen meinen Mietwagen und machte mich auf den Weg ins Burgund. Eine Region, die ich bisher noch nicht kennenlernen durfte. Ich stieg aus zur Mittagsrast in Auxerre. Eine wunderschöne kleine mittelalterliche Stadt mit Fachwerksbauten und einer herrlichen gotischen Kathedrale. Ich aß eine Kleinigkeit zu Mittag - dachte ich. Stattdessen erfreute ich mich an einer Forelle mit Reis und Zucchini. So trivial das klingt - in Frankreich ist das eine Geschmacksexplosion. Die Art, wie Dinge zubereitet werden, in überragender Qualität mit immer raffinierten und nie langweiligen Aromen, erstaunt mich immer wieder. Eine hohe Kunst, die selbst einfache Gerichte zum Hochgenuss werden lässt. Auch spürte man wieder die Unbeschwertheit, die Leichtigkeit des Savoir-vivre, die dieses Land immer ausgezeichnet hatte. Masken werden immer noch brav getragen in Innenräumen, draußen auf der Straße hat sich das entspannt, manche tragen sie, manche nicht, aber die panischen Gesichter vom letzten Jahr sind weg. Es war schön, gut zu essen, Französisch zu sprechen und das Gefühl zu haben, ja, ich bin wieder in meinem Frankreich.
Positiv ergriffen, setzte ich meine Fahrt nach Dijon fort, das Zentrum der Region Burgund. Hier hatte ich mir für 3 Nächte eine Wohnung im Stadtzentrum reserviert, quasi also Homebase, um die Gegend zu erkunden. Dijon ist zauberhaft. Eine Stadt voller Fachwerkhäuser, voller lebendiger Bars und Cafés, Terrassen zum Draußensitzen, voller Lebensfreude. Ich genoss das unglaublich, aß wieder formidabel zu Abend - ganz stilgerecht Boeuf Bourguignon - ein Gedicht. Ich flanierte durch die Gassen und genoss ein Bier in einer der zahlreichen Bars um die Markthalle. Kam dabei lustigerweise zweimal mit Österreichern am jeweiligen Nachbarstisch ins Gespräch. Frankreich ist für Österreicher kein Massenziel, sondern zieht dann doch eher Menschen mit höherer Bildung an, die Wert legen auf Qualität, auf gutes Essen, auf hohe Kultur und die so wie ich die hiesige Lebensart schätzen. Entsprechend interessant war der Erfahrungsaustausch.
Ja, so schnell geht es, die eher trübe Grundstimmung der letzten Tage ist wie weggeblasen - das Savoir-vivre hat auch mich wieder erfasst, die Betonung liegt klar auf "Vivre". Darauf muss ich mich einfach mehr konzentrieren. Und das habe ich in den kommenden Tagen vor. Mein alter Freund Ré wird morgen nachkommen, am Abend in Dijon eintreffen. Wir werden noch weiter gemeinsam die Bourgogne erkunden und dann nach Paris fahren. Ich freue mich schon unheimlich, meine Familie wiederzusehen - was in normalen Zeiten toll ist, seine engsten Verwandten quer verstreut zu haben und mal eben kurz in Paris vorbeizuschauen, ist zum Spießrutenlauf geworden. Das Zeitfenster ist jetzt da, und man sollte es nicht verstreichen lassen. Leider funktioniert das WLAN hier nicht wirklich, sodass ich euch an meiner Achterbahnfahrt der Emotionen wohl erst verspätet werde teilhaben lassen können. Anyway, eine geballte Ladung an Impressionen und Fotos ist euch sicher!