Santana, Sao Tomé e Principe, 15 Uhr
Heiter, 30 Grad
Mein letzter ganzer Tag auf Sao Tomé, und ich bin schon etwas früher ins Quartier zurückgekehrt, da ich mich heute recht schlapp fühle, und auch ein wenig Durchfall hat sich eingestellt. Nun ja, das gehört irgendwie einmal pro Urlaub dazu, sei es die ungewohnte Ernährung, vielleicht aber auch die Malariatabletten, mit denen ich angesichts meiner bevorstehenden Abreise auf den Kontinent gestern begonnen habe.
Einen kurzen Trip ins Inselinnere habe ich heute noch unternommen, war bei einem kleinen Wasserfall und habe eine der ehemaligen herrschaftlichen Kaffeeplantagen besichtigt. Zum Abschluss bin ich noch ein wenig durch die wuselnde Hauptstadt Sao Tomé geschlendert.
Zunächst war ich in der Roca Monte Café. Als Roca wird ein Herrschaftssitz der Plantagenbesitzer, der Kaffee-und Kakaobarone, bezeichnet. Um sein herrschaftliches Gebäude herum entstand dabei jeweils eine ganze Stadt mit allen notwendigen Einrichtungen für die Plantagenarbeiter. So gab es fast immer ein Spital, natürlich eine Kirche, und die ärmlichen Behausungen der ausgebeuteten Arbeiterschaft. Auch wurde direkt auf diesen Sitzen der Kaffee und der Kakao verarbeitet und fertig zum Export gemacht. Nach dem Ende der Kolonialherrschaft zogen die Plantagenbesitzer alle ab, der unabhängig gewordene Staat Sao Tomé e Principe hatte nicht die Mittel, die historische Bausubstanz zu erhalten und so verfiel alles zusehends, wird teilweise von der Vegetation überwuchert. Auch wohnen die Einheimischen heute noch in den halb verfallenen Gebäuden, andere haben sich in den klassischen Holzbaracken angesiedelt. Manche der Plantagen sind noch, wenn auch in weit geringerem Umfang als in kolonialen Zeiten, in Betrieb, die Roca Monte Café hat sich inzwischen zu einer Kooperative für biologischen Anbau entwickelt. Erste Erfolge sind sichtbar, denn man konnte inzwischen moderne Geräte anschaffen, auch gibt es eine Volksschule für die Dorfbewohner und eine Mittelschule ist in Bau. In den Häusern hat sich auch das Museu do Café angesiedelt, das den Produktionsprozess veranschaulicht – ich hatte hier eine nette Führung auf Französisch, Englisch konnte niemand. Die Dame, die mich herumführte, fragte nach jedem zweiten Satz lächelnd „vous avez compris?“ und ich versicherte ihr, dass ihr Französisch mindestens so gut wie meines wäre ;-) Auf Tourismus ist man kaum noch eingestellt bzw steckt er in den Kinderschuhen, nicht nur die geringen Fremdsprachenkenntnisse fallen auf, auch, dass im ganzen Land so gut wie nirgends noch irgendwelche Souvenirstände aufgebaut wurden. Man wird also an keiner Ecke bedrängt, man möge doch bitte dieses oder jenes kaufen. Und wo man etwas kaufen kann – die Auswahl ist limitiert, für den Touristen gibt es keinen einzigen internationalen Bankomaten, und außer den beiden Pestana Luxusresorts sind auch Kreditkarten ein komplettes Fremdwort.
Nach der Roca fuhr ich noch zu einem tief im Wald liegenden kleinen Wasserfall, nichts Spektakuläres. Oberhalb des Wasserfalls scheint ein Dorf zu liegen, weit weg von der Hauptstraße. Eine Dame, die ich fragte, ob ich hier richtig wäre, marschierte den ganzen Weg zu Fuß, mindestens 1-2 Stunden Gehweg bedeutet das, wenn sie niemand mitnimmt. Ein Wahnsinn eigentlich, dieses nicht vorhandene Transportsystem. Am Rückweg war eine Gruppe von Schülern, diesmal genau 4 ;-), auch auf dem Waldweg unterwegs, sie wollten in einen 15 (!!!) Kilometer entfernten Ort. Nachdem ich durch diesen auch fahren musste, nahm ich sie mit. Langsam wird mir begreiflich, wieso mein lieber Herr Schwager einfach nicht imstande ist, zu einer bestimmten Uhrzeit irgendwo zu sein, denn in Afrika weiß man einfach wirklich nicht, wann man ans Ziel kommt. Hat man das Glück und jemand nimmt einen mit, kann es ganz schnell gehen, muss man alles zu Fuß gehen, kann es auch Stunden dauern. Egal, ob man zur Arbeit oder zur Schule muss, ob gerade ein Sammeltaxi kommt ist auch eine Glücksfrage. Hm, und bei uns wird ein Riesen Aufstand gemacht, wenn ein Zug oder Flug mal 10 Minuten verspätet ist. Man lernt hier wieder, die Dinge richtig einzuordnen. Auf Sao Tomé haben die meisten Haushalte kein fließendes Wasser im Haus sondern müssen zum Brunnen gehen, auch Strom haben bei Weitem nicht alle, und selbst wenn, fällt er oft aus. Für solche Fälle hat meine Unterkunft hier einen 24 Stunden Generator – purer Luxus. Wäsche wird ebenso wie Geschirr im Fluss gewaschen. Eigentlich klar, dass sich das Leben vorwiegend auf der Straße abspielt, denn man muss auch für praktisch jede Tätigkeit das Haus verlassen.
Zum Abschluss bin ich dann noch durch Sao Tomé Stadt geschlendert. Es gibt dort viele alte Kolonialgebäude, die fast durchwegs komplett verfallen sind. Die Straßen im Stadtzentrum werden von tiefen Schlaglöchern in der Fahrbahn ebenso wie am Gehsteig gesäumt. Havanna war fast nichts dagegen. Trotzdem hat die Stadt eine nicht unsympathische Ausstrahlung auf ihre ganz eigene Art, man ist auch hier noch nicht vom Tourismus verdorben, kann als einer der wenigen ausländischen (weißen) Besucher völlig unbedrängt herumspazieren, hin und wieder wird man mal freundlich gegrüßt oder gefragt, ob man Geld wechseln möchte, das war es aber auch schon. Der Markt ist Afrika pur, ein quirliges Chaos auf der Straße, leider wieder ohne Bilder, denn die Kamera ist das Einzige, auf das die sonst so netten Bewohner allergisch reagieren. Einzige Ausnahme sind Kinder, die sich gerne ablichten lassen.
Was bleibt mir also von Sao Tomé……sehr viel! Ich finde, es ist ein Juwel, und es wird nur noch eine Frage der Zeit sein, bis mehr Touristen hier ankommen werden, es werden bestimmt weitere Luxusresorts folgen. Immerhin wurde es von Lonely Planet bereits als eine DER zu bereisenden Geheimtipps genannt – der beste Weg, nicht mehr lange ein Geheimtipp zu bleiben. Ich bin sehr angetan von dieser Insel, diese Mischung aus wild schöner Landschaft, extrem freundlichen und hilfsbereiten Bewohnern, die noch nicht auf die Idee kommen, den Touristen ausnehmen zu wollen, dass man sich trotz der ärmlichen Verhältnisse und dass man als Weißer schon noch immer Neugierde und Interesse erweckt frei und sicher bewegen kann – das ist eine tolle Mischung, die ganz eigen ist und in ihrer Gesamtheit einzigartig. Man braucht ein wenig Entdeckergeist und Offenheit dafür, dass nicht immer Alles perfekt ist, ich denke, dann wird man ausschließlich mit bereichernden und positiven Eindrücken von hier nach Hause zurückkehren. Und vielleicht auch mit ein wenig Demut, in welch materiellem Paradies wir, vom Klima vielleicht mal abgesehen ;-), leben. Bevor wir unsere Grenzen schließen und uns vor Allem und jedem fürchten, der an unserem Wohlstand vielleicht ein wenig teilhaben will, dem sei beschieden – selbst wenn wir ein bisschen was abgeben und unsere Ansprüche etwas herunterschrauben, selbst dann werden wir für einen Sao Toméer noch immer in unermesslichem Luxus schwelgen. Aber was schreibe ich mir die Finger wund – die Grenzschließer in unserem Lande machen sich leider sowieso nicht auf den Weg hierher und halten unseren Lebensstandard für normal. Er ist es nicht – und wir sollten jede Minute dankbar dafür sein!
So, wie geht es nun für mich weiter…..morgen Abend mache ich mich auf den Weg nach Accra. Wo ich wieder eine Nacht in einem Airport nahen kleinen Hotel verbringen werde, um am Folgetag den kleinen Hupfer nach Togo weiterzufliegen. Hier treffe ich dann auf meine Gruppe, mit der ich meine Westafrikatour unternehmen werde. Mit dem nächsten Beitrag gibt es natürlich auch meinen ausführlichen Sao Tomé Guide, zu dem Land gibt es ja wirklich viel zu sagen. Die ersten beiden Hotels in Westafrika sollten ebenfalls Internet haben, wie immer, so wird sich zeigen, wie „blogtauglich“ dieses sein wird. Auf jedem Fall bis bald!