Santorin ist eigentlich die Bezeichnung für eine Inselgruppe. Ursprünglich stand hier ein großer Vulkankegel, der im Zuge einer gewaltigen Eruption um 1600 v. Chr. zerstört wurde. Nur ein Teil der Kraterwände blieb stehen, der Rest stürzte ein. In die Caldera, also den Krater, drang das Meer ein und teilte Santorin in mehrere Inseln, von denen Thira die Hauptinsel ist und jene, die alle eigentlich meinen, wenn sie von Santorin sprechen. Das Landschaftsbild ist ganz untypisch für die Ägäis – schwarzes Lavagestein ragt aus dem tiefblauen Meer. Auf Thira bildet der Kraterrand eine Seite, von hier blickt man auf die mit Wasser gefüllte Caldera und die abgesplitterten Inseln. Man kann die Gesamtheit des Kraters noch gut erahnen. An die steile, über 300 Meter hohe Kante der Steilwand, wurden die Dörfer gebaut, allen voran der Hauptort Fira und auch Oia, das bekannteste. Die Dörfer ziehen sich wie ein weißes Band an der scharfen Kante entlang, wurden auch steil in den Hang hineingebaut, bei der Anfahrt mit dem Schiff sieht es aus, als wäre das schwarze Gestein angezuckert von Schnee. Auch die Bauweise ist hier eine besondere – wurden die Wohnungen und Häuser doch zum großen Teil in das weiche Lavagestein hineingebaut, sogenannte „Cave Houses“, die kühlen und auch erdbebensicher sind. Ziemlich genial. An der Rückseite der Kraterkante fällt Thira dann an seiner Ostseite sanft ab ins Mittelmeer, der vulkanische Boden ist fruchtbar, weswegen in großen Stile Wein angebaut wird – ganz anders als auf den anderen komplett kargen Kykladen.
Santorini ist also etwas ganz Besonderes, wie man es auch bei der Anfahrt mit dem Schiff bereits erkennen konnte. Überhaupt – schon die Fahrt mit dem Schiff war traumhaft. Es ist eine moderne Schnellfähre, die hier unterwegs ist, komfortabel und pünktlich, die Fahrzeit von Mykonos nach Santorin beträgt gerade mal 2 Stunden. Dabei passiert man die ebenso wie Mykonos sehr kahlen Inseln Paros und Ios sowie das große und gebirgige, sehr nett aussehende, Naxos. Ich war an Deck, nach dem gestrigen etwas bewölkten Intermezzo strahlte heute wieder die Sonne vom tiefblauen Himmel, dazu das gleichfarbige Meer – und ich mittendrin. Ich war richtig happy, dieses herrliche Panorama, das wunderbare Licht, die angenehm warmen Temperaturen – Griechenland ließ die Grenzen offen, und Griechenland hat mich heuer voll erwischt. Es ist kein Wunder, dass dieses Land von solcher Schönheit so beliebt ist.
Wir kamen pünktlich auf Santorin an, ich hatte mir einen Transfer vom Hafen zum Flughafen organisiert, wo ich mein Mietauto für die kommenden Tage entgegennahm. Direkt steuerte ich dann meine Unterkunft in Oia an. Ein sehr schönes kleines Hotel mit Pool und Blick aufs Meer. Und heuer so gut wie keinen Gästen, deshalb wird auch kein Frühstück angeboten. Auch kein Drama, so ging ich in den nahen Minimarkt Brot, Käse, Früchte und Joghurt einkaufen und bestückte den Kühlschrank damit – kann ich mir mein Frühstück auch gerne wieder selbst auf meinem Balkon herrichten!
Oia ist das, was alle meinen, wenn sie von Santorin sprechen. Diese steilen Gassen, diese schneeweißen Häuser, diese tiefblauen Kuppeln der Kirchen hoch über dem Meer. In normalen Jahren passieren hier eigentlich Dinge, die gar nicht so normal sind, Oia ist dank seiner Perfektion eine der klassischen „Overtourism“ Destinationen, über die Tag für Tag hunderte an Kreuzfahrttouristen hereinbrechen. 3 große Schiffe täglich kommen an einem durchschnittlichen Sommertag an, heuer waren es 2 in der gesamten Saison. Was nicht heißt, dass heuer gar nichts los ist, in Oia wurden die Massen aus den Schiffen durch nicht wenige Individualtouristen ersetzt, auch jetzt im Oktober ist der Ort nicht leer – aber auch nicht unangenehm überfüllt. Primär hört man in den Gassen praktisch nur Französisch – es scheint als hätte halb Frankreich die Corona Flucht in Richtung Santorin angetreten….
Der Ort ist unbeschreiblich schön, aber hat schon auch sehr musealen Charakter. Oia wurde 1956 von einem Erdbeben fast vollständig zerstört, bis dahin hatte es an die 8000 Einwohner. Die meisten zogen nach dem Erdbeben fort, man machte sich dennoch an den Wiederaufbau. Die vielen Cave Houses sind heute alle mustergültig restauriert, die meisten sind allerdings luxuriöse Wohnungen für Touristen mit Infinity Pool inmitten der Szenerie, andere Gebäude wurden zu Boutique Hotels, recht teuren Restaurants und Bars (ein kleines Bier um 8 EUR lässt schon fast an Norwegen denken!), Kunstgalerien und vielen edlen Boutiquen. Wirklich wohnen tun heute nur 500 Menschen in Oia, durch die attraktiven und teuren Unterkünfte für Touristen sind es in der Saison ungefähr 10 Mal so viele. Wie gesagt, es ist eine Augenweide und bildschön, aber es ist dann schon auch mehr Kulisse als lebendiger „echter“ Ort. Einen Hinweis darauf gibt auch, dass sich vor den unwirklich schönen Szenerien die Instagram Tussen haufenweise dahinräkeln und posen, bis das perfekte Foto noch perfekter wird.
Das soll der Begeisterung aber keinen Abbruch tun, meine Unterkunft liegt knapp außerhalb des Zentrums in 10 minütiger Gehdistanz und ist deshalb auch gut leistbar und sogar von hervorragendem Preis-Leistungs-Verhältnis. Ich werde hier nun die folgenden 4 Tage verbringen, werde die Insel besichtigen, mindestens eine Wanderung entlang des Kraterrandweges werde ich ebenso unternehmen. Ich weiß jetzt schon, dass es eine gute Idee war, 2020 hierher zu kommen, in anderen Jahren wäre mir die Menge an Touristen wohl zu viel. Heuer genieße ich jetzt aber die tolle Kulisse und das herrliche Wetter. Mehr davon bald hier.