Blickt man auf die düstere Zeit der NS Diktatur zurück, so fällt auf, dass viele entscheidende Dinge in Nürnberg passiert sind. So wurden hier regelmäßig die großen Reichsparteitage abgehalten, an jenem im Jahre 1935 wurden auch die berühmten "Nürnberger Gesetze" erlassen, die dem offen gepredigten Rassismus eine juristisch einwandfreie Grundlage gaben. Symbolisch bedeutsam war, dass in weiterer Folge nach Kriegsende auch die Kriegsverbrecherprozesse gegen zahlreiche Nationalsozialisten in Nürnberg abgehalten wurden - historisch, dass erstmals Politiker für Verbrechen in Ausübung ihres Amtes zur Verantwortung gezogen wurden.
Nürnberg war von Hitler als eine der 5 auszubauenden Reichsstädte auserkoren, neben Hamburg, München, Berlin und Linz. Berlin sollte nach seinen Plänen zur Welthauptstadt Germania avancieren, Wien hasste er als zu intellektuell und zu jüdisch, deshalb hatte er der Arbeiterstadt Linz den Vorzug in seiner alten Heimat gegeben.
Die NSDAP hatte in Nürnberg auch schon vor ihrer Machtergreifung mehrere Parteitage abgehalten, ab Beginn der Diktatur bis Kriegsbeginn gab es jährlich den Nürnberger Reichsparteitag, ein pompöses Fest, das kultische Ausmaße hatte und den Größenwahn der selbst ernannten Herrenmenschen zur Schau stellte. Um dieser jährlich stattfindenden Großveranstaltung den passenden Rahmen zu geben, sollte Hitlers Vertrauter Albert Speer in monumentaler Architektur alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen und die Unsterblichkeit des Reiches anhand protziger Kultbauten inszenieren.
Diktaturen neigen stets dazu, sich selbst zu überhöhen, einen Führerkult zu pflegen und sich selbstverständlich ein Denkmal der Unsterblichkeit zu setzen. Lange und breite Geraden und klotzige Prunkbauten sind charakteristisch dafür, die für das normalsterbliche Auge zwar imposant, gleichzeitig aber abstoßend, lächerlich und im Endeffekt hässlich wirken. Ich selbst fühlte mich an das kasachische Astana erinnert, und sieht man sich die Filmdokumente von den Aufmärschen der Nazis in Nürnberg an, so erinnern diese Bilder verblüffend an heutige Übertragungen aus Nordkorea, die bizzarr und surreal erscheinen, wie aus einer anderen Welt.
Auf dem sogenannten "Reichsparteitagsgelände", das außerhalb des Zentrums um den Dutzendteich liegt, wurde nur ein kleiner Teil der Vorhaben verwirklicht - heute noch erhalten sind die dem römischen Kolosseum nachempfundene, nicht ganz fertig gestellte, Kongresshalle sowie Teile der Zeppelinfeldes inklusive der wuchtigen Zeppelintribüne, von der aus die Nazigrößen die jubelnden Mengen auf Größeres, die Weltherrschaft, einschworen. Die Große Straße, die die mittelalterliche Burg im Zentrum mit dem Parteitagsgelände als gerade Achse verbinden und so den Bogen vom Heiligen römischen Reich zum Dritten Reich spannen sollte, wurde in großen Teilen verwirklicht, während zum Beispiel das geplante Deutsche Stadion, selbstverständlich das weltweit größte, nie über das Stadium einer Baugrube hinauskam, welche heute ein Baggersee ist. Die mächtigen Granitplatten für die Gebäude und die Große Straße wurden in den Steinbrüchen der Konzentrationslager in Zwangsarbeit hergestellt. Die noch vorhandenen Reste der verwirklichten Bauten auf dem Reichsparteitagsgelände sind die besterhaltenen Zeugnisse der NS Architektur in Deutschland und stehen heute als stumme Zeitzeugen und Mahnmale unter Denkmalschutz.
In einem Teil der Kongresshalle wurde ein sehr interessantes und informatives Dokumentationszentrum untergebracht, das die Geschichte der Reichsparteitage im Besonderen aber auch der NS Herrschaft im Allgemeinen - von ihren Anfängen bis zu ihrem Untergang - in zahlreichen Bild-und Tondokumenten aufbereitet. Das Dokumentationszentrum ist auch architektonisch interessant, durch spitz-filigrane Glas-und Stahlelemente soll quasi ein "Stachel" in die Monumentalität gesetzt werden, das ist es, was der österreichische Architekt Günter Domenig Ende der 90er Jahre als bewussten Kontrapunkt zur klotzigen Wucht zum Ausdruck bringen wollte und was finde ich gut gelungen ist.
Das Dokumentationszentrum erreicht man in knapp 15 Minuten vom Hauptbahnhof mit der Tram Linie 9. Eintritt für Erwachsene - 5 EUR. Dazu kann man gratis in rund 90 Minuten einen großen Spaziergang um den Dutzendteich machen und dabei mehrere Stationen des Reichsparteitagsgeländes besuchen, insbesondere kann man auf die erhaltenen Teile der Zeppelintribüne steigen. Insgesamt erachte ich einen Besuch des Geländes fast als ein Muss bei einem Nürnberg Besuch, zumindest wenn man zeitgeschichtliches und/oder architekturgeschichtliches und/oder politisches Interesse mitbringt.
Hier noch ein paar weiterführende Informationen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsparteitagsgelände
https://museen.nuernberg.de/dokuzentrum/
https://de.wikipedia.org/wiki/Nürnberger_Gesetze
https://de.wikipedia.org/wiki/Nürnberger_Prozesse