Der Stadtteil, in dem mein Hotel liegt, nennt sich El Cangrejo. Das ist das Geschäftsviertel mit seinen unzähligen Wolkenkratzern. Geben diese aus der Ferne eine wirklich beeindruckende und funkelnde Kulisse ab, so relativiert sich das aus der Nähe. Bis auf ein paar architektonische Ausreißer sind die meisten davon doch irgendwie nur in die Höhe gezogene schmucklose Betonklötze. El Cangrejo ist durchaus okay und sicher, gefüllt mit vielen Geschäften und Restaurants, andererseits gibt es hier auch nicht wirklich etwas sehr Interessantes zu entdecken.
Anders die Calzada de Amador. Dieser Damm wurde bei Errichtung des Panamakanals geschaffen, um den Kanal vor den starken Strömungen des Pazifiks zu schützen. Mit der Erweiterung des Kanals 2017 wurde auch der Damm verbreitert - er hat nun 2 Fahrspuren in jede Richtung, gesäumt von Palmen, begleitet von großzügigen Geh-und Radwegen. An seinem Anfang steht das von Frank Gehry, bekannt unter Anderem als Architekt des Guggenheim Museums in Bilbao, geschaffene Museo de la Biodiversidad. Das Museum, das leider nur sehr eingeschränkte Öffnungszeiten hat, ist ein spannendes und sehr auffälliges Bauwerk mit bunten Dächern, die die Farben der Karibik symbolisieren. Der Damm, den ich in seiner vollen Länge von vier Kilometern hinausspaziert bin, bietet einerseits tolle Blicke auf die Skyline von Panama City, andererseits kommt auf der Westseite die große Stahlbrücke Puente de las Americas ins Blickfeld, die an der Ausfahrt des Panamakanals in den Pazifik steht. Ein großes Containerschiff verließ gerade den Kanal, über dessen Dimensionen man auch auf Schautafeln informiert wird. Der Spaziergang auf dem Causeway bei doch starker Sonneneinstrahlung war sehr schön und interessant, man bekommt ein erstes Gefühl, was für ein gigantisches Projekt die Eröffnung des Kanals war - es stand und steht je nach Betrachtungsweise für Größenwahn und Rücksichtlosigkeit ebenso wie für Vision und Willen menschlichen Schaffens. Ich habe für den Tag nach meiner Rückkehr von der Insel eine Bootstour auf dem Kanal gebucht, ich werde euch dann mehr davon erzählen und bin selbst schon sehr gespannt.
Während der Damm selbst sehr gepflegt ist, top in Schuss und angenehm, wurden an dessen Ende auf der Isla Flamenco dann Duty Free Shops und eher etwas vernachlässigt wirkende Buden und Restaurants für Massentourismus hingestellt. Total entbehrlich, wie ich fand - es wurde, als ich hinkam, gerade eine Schiffsladung voller deutscher Kreuzfahrttouristen durch das Areal geschleust, die die üblichen 10 Minuten Zeit hatten, schnell Souvenirs zu kaufen, bevor es weiterging für sie.
Ich nahm mir von hier ein Taxi in die Altstadt, wollte dort eigentlich ins Kanalmuseum, um mich noch vor meiner Schiffstour ausführlicher zu informieren, leider hatte dieses für 10 Tage geschlossen. Die Fahrt dorthin führte auch durch El Chorillo, jenes an die Altstadt angrenzende Viertel, in dem auch die Metrostation liegt, von der mir gestern im Hotel abgeraten wurde. Und ich sah dann auch warum. Was für ein Kontrast zur liebevoll restaurierten Altstadt, getrennt von ebendieser genau durch eine Straße. Dreckig, total heruntergekommen, die Armut auf den ersten Blick sichtbar. Auch der Taxifahrer sagte, dass hier Drogenbanden den Ton angeben und es besser wäre, nicht auszusteigen. Mir wurde schon wieder anders, wie krass der Gegensatz ist, auch wenn man es in der Theorie weiß, so ist es doch noch einmal ganz anders, wenn man es in der Realität sieht. Es ist traurig, dass es in einem Land, das wegen seines Kanals eigentlich reich wäre, Menschen unter diesen Bedingungen leben müssen - politisches Versagen par excellence. Zurück in der heilen Welt des Casco Viejo ging ich, nachdem das Museum wie erwähnt zu hatte, dann gleich in mein Lieblingscafé, das bunt und boboesk ist, und ich ließ mir hier einen Mittagssnack und frischen Maracujasaft schmecken.
Nun nahm ich mir dann ein Uber zurück in die Unterkunft. Bereits zum zweiten Mal wurde ich dabei von einer Fahrerin chauffiert. Eigentlich hatte ich noch nie drüber nachgedacht, aber jetzt fiel mir dann doch auf, dass ich bisher ausschließlich, egal wo auf der Welt, mit männlichen Uber Fahrern unterwegs gewesen war. Und hier in Panama bereits zum zweiten Mal mit einer Frau. Eigentlich gut so. Ich mag es grundsätzlich, wenn Frauen in Männerdomänen vordringen (und auch umgekehrt). Ob es allerdings ein Fortschritt für Gleichberechtigung und Empowerment ist, wenn Frauen auch bei den schlecht bezahlten Jobs quasi gleichziehen, sei dahingestellt. Trotzdem in Summe ein angenehmes Gefühl.
Soweit also viele kontrastreiche Eindrücke von einer Stadt, in der arm und reich, sauber und schmutzig, glanzvoll und heruntergekommen nur den sprichwörtlichen Steinwurf voneinander entfernt liegen. Ebenso ambivalent ist mein Gefühl, das ich von hier mitnehme, das eingangs von mir zitierte "eigen" ist jedenfalls immer noch das Wort, das es am besten beschreibt. Es wird nicht meine Lieblings-und Wohlfühlstadt werden, dennoch finde ich sie andererseits auch nicht unsympathisch.
Wie auch immer, morgen sehr früh geht es dann los. Bereits um 5 Uhr werde ich abgeholt, es geht dann gute 3 Stunden mit dem Allradfahrzeug hinauf an die Karibikküste und dann hinaus im Boot auf meine abgeschiedene Insel. Erst Samstag Abend kehre ich zurück nach Panama City, somit gibt es dann frühestens da dann wieder etwas von mir zu lesen. Und hoffentlich ganz viele "öde" Hängemattenfotos zu sehen mit türkis leuchtendem Meer, schneeweißem Sandstrand und in den blauen Himmel ragenden Palmen. Seid gespannt - ich bin es auch. Bis dahin unten noch Bilder von meinem heutigen Tag!