Einerseits ist New Orleans eine Stadt der Südstaaten. Das Klima ist subtropisch, jetzt im November ist eine ideale Zeit, um hierher zu kommen, nicht mehr heiß für alle, die schwüle Hitze fürchten, aber auch nicht kalt. Mit 23-25 Grad wunderbar zum Flanieren und draußen sein. Die Vegetation ist saftig grün, für all jene wie mich, die mit Herbst-und Wintertristesse nichts anfangen können, eine Wohltat.
NOLA ist mit knapp 500.000 Einwohnern Louisianas größte Stadt, aber nicht die Hauptstadt. Wie so oft, sind in vielen US Bundesstaaten kleinere unbekanntere Städte deren Kapitalen, im Falle Louisianas ist es Baton Rouge. Während der Bundesstaat Louisiana wie alle Südstaaten tief republikanisch ist, ist NOLA seit jeher fest in demokratischer Hand. Waffenwahn, prüder, religiös geprägter, Konservativismus, offen zur Schau gestellter Rassismus und Sexismus - seit jeher klassisch republikanische Tugenden, haben in dieser Stadt keinen Platz - hier herrscht ein weltoffenes, liberales, tolerantes Klima, eine Mischung aller Hautfarben und bunte Lebensfreude mit einer Vielfalt an Lebensstilen.
Dazu kommt der Charakter, den man nicht einordnen kann. NOLA hat von Allem etwas - eine Mischung aus kreolisch-karibischer Lebensfreude, die mit augenscheinlichem Verfall an manchen Stellen einhergeht. Ein wenig Koloniales, mehr aus der spanischen als der französischen Herrschaftszeit. Dazu DAS Markenzeichen schlechthin - Musik ist omnipräsent. An jeder Ecke taucht spontan irgendjemand auf, mit einem Saxophon, einer Trompete, und so ist die Luft stets von Klängen erfüllt. In Jazzbars muss man eigentlich nicht gehen - man hat den ganzen Tag Livekonzert in den Straßen - um nicht zu sagen...."There is always music in the air" ;-).
Eine ganz eigene und schwer zu beschreibende Mischung, die New Orleans zu dem macht, was es ist. NOLA ist einzigartig - ich hatte es gehofft, weil ich schon so viele Beschreibungen vom "Big Easy" gelesen habe - es ist so - man muss es sich tatsächlich selbst ansehen, wie es hier ist, denn man muss es einmal erleben, um sein persönliches Bild zu bekommen. Ich bin jedenfalls ergriffen von der Stimmung hier und so richtig froh, dass ich statt Österreichs vierte Corona Welle gerade südliche Leichtigkeit erleben darf. NOLA war einer jener Orte in den USA, von denen ich immer gesagt hatte, dass ich sie unbedingt noch sehen will, und ich wurde nicht enttäuscht, ich finde, dieses Flair hier ist etwas, das jeder Reisende einmal erleben sollte.
Der Weg hierher war teils kurios aber im Wesentlichen einfacher als gedacht. Seit 8. November lassen die USA geimpfte Menschen aus fast allen Ländern auch wieder für touristische Zwecke einreisen, und pünktlich am 8. November saß ich im Flieger nach Chicago. Ich hatte mein 20 Jahre Jubiläumsticket in der Business Class einzulösen, und das ließ mich sehr entspannt den großen Teich überqueren - meine erste Fernreise seit Pandemiebeginn. Ich hatte ein wenig Chaos befürchtet, dass die Amerikaner an Tag 1 noch etwas überfordert sein würden mit den neuen 'Einreiseregeln. Im Endeffekt wurde es die einfachste Einreise in die USA in meinem Leben. In Wien wurden vorab Impf-und Testnachweis überprüft, bei der Ankunft in Chicago gab es, trotz mehrerer bummvoller Flieger, die gerade aus Europa ankamen, eine schnelle und effiziente Grenzabfertigung, unkomplizierer als je zuvor. Gesundheitsdaten wurden keine überprüft, man konnte also ganz normal sein Gepäck holen und war durch.
So hatte ich dann, da ich auch nicht wusste, wie lange die Einreise dauernd würde, ein Airporthotel gebucht für eine Nacht. Dieses lag ganze 5 Meilen vom Airport weg - an einer typisch amerikanischen Straßenkreuzung im Nichts. 5 spurige Straßen in alle Richtungen, Fußgänger nicht vorgesehen, Wer nicht SUV fährt, verliert. An kulinarischen Optionen in dieser Wüste gab es einen Mc. Donald's oder einen polnischen Pierogen Schnellimbiss zur Auswahl. Wo die Dame aus Polen alleine drinnen stand, und mir erklärte, dass sie das Lokal in der kommenden Woche endgültig schließen wird müssen. Irgendwie fast symbolhaft, das sterbende Lokal an einem menschenfeindlichen Ort, der nur dem Auto gehört. Die Stimmung an dieser Straßenkreuzung war eigenartig - der Mensch steht hier nicht im Fokus, wichtig ist, dass man seine Tonnen an Blech fortbewegen kann auf breiten Betonpisten. Skurril. Amerika ist im Umweltschutz aber generell weiterhin nicht vorangekommen - nicht nur diese Fixierung auf das Auto, auch was hier nach wie vor an Plastik verwendet wird, geht auf keine Kuhaut. Das Frühstück in meiner Unterkunft waren auch lauter in Plastikfolie einzeln eingewickelte Toastscheiben, dazu Styroporteller und Plastikbesteck. Der Flughafen Chicago ist auch aus der Zeit gefallen, man hat den Eindruck, man ist in den 70er Jahren gelandet, so altmodisch und abgenutzt wirkt hier Alles. Nein, die USA sind definitiv nicht auf dem letzten Stand in vielerlei Hinsicht. Anyway, das Zimmer in der lauschigen Umgebung war sauber und das Bett bequem, im Endeffekt erfüllte es seinen Zweck für die Nacht, um am nächsten Morgen dann die 2 Stunden nach New Orleans weiterfliegen zu können. Auch der Inlandsflug klappte sehr einfach und komplikationslos, und so war ich um 13 Uhr dann auch da. Ich bin noch im Jetlag, mangels der begrenzten Optionen am unwirtlichen Straßenkreuz kapitulierte ich gestern um 18.30 Ortszeit, um knapp nach Mitternacht wieder aufzuwachen. Naja, heute bis 10 durchhalten, ist mein Vorhaben, und ich bin auf gutem Weg ;-)
Nun werde ich die nächsten beiden vollen Tage hier in New Orleans verbringen. Bei all den Dingen, die man hier noch tun könnte, fast etwas zu wenig. Für morgen Nachmittag habe ich eine Fahrt auf dem Schaufelraddampfer, eine Jazzcruise auf dem Mississippi gebucht, ansonsten werde ich mich weiter vom Flair hier inspirieren lassen und diverse Stadtviertel erkunden. Und dabei dem Lebensmotto der Stadt folgen. Laissez les bons temps rouler. So sei es!