Hier bin ich in einem Land, das entgegen unseres Wunder Bastis ebenfalls von einem recht jungen Politiker regiert wird – einem, der seinem Alter entsprechend eine Vision hat, der verändern will. Justin Trudeau ist liberal, weltoffen, Einwanderer werden als normal angesehen und nicht als potenziell verdächtige Kriminelle, ihnen wird abverlangt, dass sie etwas zur kanadischen Gesellschaft beitragen, aber ihnen wird auch die Chance dazu gegeben, sich zu beweisen, und sie werden nicht von vornherein unter Generalverdacht der Unintegrierbarkeit und des religiösen Fanatismus gestellt, dass sie nur da sind, um an die Töpfe des Sozialsystems zu gelangen. Kanada begreift Einwanderung und Multikulturelles als Potenzial und zu Förderndes und nicht als Bedrohung. Trudeau federt eine per se liberale Wirtschaftspolitik sozial ab, Homosexualität wird ebenso wie Frauengleichberechtigung nicht zähneknirschend zur Kenntnis genommen, bis der Verfassungsgerichtshof keine andere Möglichkeit mehr lässt, sondern als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft akzeptiert. Während mein Heimatland – abgesehen von ermutigenden grünen Einsprenkelungen - am liebsten in Kaisers Zeiten verharren würde, lebt Kanada das moderne Gesellschaftsbild des 21. Jahrhunderts. Vielleicht ist es auch das, was mich dauernd in die Ferne treibt – ich liebe Wien ob der Schönheit der Stadt und seiner Lebensqualität, ich liebe auch meine Wohnung, meine Freunde und auch die „Standard“-Blase, in der ich lebe – zu einer Mehrheit meiner Landsleute mit ihren verbohrten, xenophoben und gesellschaftlich ewig gestrigen Ansichten empfinde ich aber keinerlei Verbundenheit, sondern ich fühle mich oft fremd in meiner Heimat, und der beschränkte Horizont vieler Österreicher lässt mich stets eine gewisse Enge verspüren, wenn ich zu lange nicht herauskomme. Nationalstolz ist mir fremd – worauf sollte ich stolz sein? Dass ich zufällig in einem Land geboren wurde, das zwar reich ist, wo die Donau aber mehr braun als blau ist (hm, steckt hinter dieser Farbmetapher vielleicht sogar mehr?!), wo irgendwann vor mehr als 200 Jahren Mozart gelebt hat und 1889 der schlimmste Diktator aller Zeiten geboren wurde…..oder das jetzt solche Kapazunder wie Felix Baumgartner oder Andreas Gabalier hevorbringt – nein, es gibt nichts, worauf ich stolz bin, denn mit nichts davon habe ich etwas zu tun.
Warum erzähle ich das Alles eigentlich…..ich wachte heute in Québec auf und gehe nun in Montreal zu Bett. Und zwischen den beiden Städten liegen wahre Welten. Québec ist klein, die Altstadt mit ihren Stadtmauern wird als etwas in Nordamerika Einzigartiges gefeiert. Trotzdem – Quebec ist so etwas wie das Salzburg Österreichs, in den paar engen Gassen der Altstadt schieben sich Touristenmassen par Excellence durch, und das Setting wirkt fast ein wenig aufgesetzt. Montreal hingegen, ungefähr gleich groß wie Wien, ist eine Metropole. Multikulturell, vibrierend, viel junges Studentenleben, irgendwie Französisch aber irgendwie auch international. Die Stadtviertel sind bunt und voller Gegensätze, vom Hipster bis zum Bettler, von der bunten Wandmalerei bis hin zum Kunstmuseum, von der modernen und effizienten Metro bis zu einem gut ausgebauten und in Nordamerika wohl einzigartigen Radwegenetzes, vom Gay Village bis zur China Town – Alles und jeder hat in Montreal seinen Platz – und das ist gut so. Mit anderem Wort – Basti Kurz würde gut nach Quebec passen – Klischee behaftet, etwas rückständig, viel oberflächliche hübsche Fassade mit wenig Inhalt. Ich hingegen wusste sofort, wohin ich gehöre – nämlich nach Montreal, das jedem seinen Platz und Freiraum lässt, das nicht einengt sondern sich öffnet.
Wie ihr schon gemerkt habt – ich mochte Montreal von Anfang an wieder und wurde mit Quebec nicht so richtig warm. Und dass ich Basti Kurz am heutigen Wahlsonntag nicht ganz ignorieren kann, auch wenn ich es gerne würde, verleitete mich dazu, diese Geschichte in den örtlichen Kontext einzubinden.
Meine Wohnung hier in Montreal ist riesig – und sie liegt mitten im Schwulen Viertel der Stadt. So ist die angrenzende Hauptstraße Rue Ste. Catherine komplett mit Regenbogenfahnen geschmückt. Dazu traf ich mich heute auch mit Guillaume aus meiner Marokko Reisegruppe. Dass diese Gruppe etwas Besonderes war, hatte ich im Zuge meiner Marokko Beiträge immer wieder freudig erwähnt, und auch viele Monate später lebt diese Runde in Form einer weiterhin höchst aktiven WhatsApp Gruppe weiter. Guillaume und ich sind aber nicht die ersten, die sich trafen, nein wir sind sogar nur Nummer 3, nachdem sich weitere Gruppenmitglieder bereits in England und auf dem portugiesischen Jakobsweg begegnet waren. Na immerhin das erste Meeting auf nordamerikanischem Boden können wir für uns verbuchen. Wir gingen gemeinsam auf ein Bier und dann auch in ein libanesisches Restaurant im herrlichen Plateau Viertel Abendessen, wir unterhielten uns höchst kurzweilig und werden auch am Dienstag nochmal gemeinsam etwas unternehmen. Wir Reisenden egal welchen Alters (Guillaume ist 57) tragen irgendwie die gleiche DNA in uns und haben immer einen Draht zueinander – die Begegnungen mit gleichgesinnten Menschen machen neben den sonstigen Schönheiten, die unser Planet zu bieten hat, erst das Salz in der Suppe des Unterwegsseins aus.
Nach diesem emotional bis philosophisch angehauchten Artikel gönne ich euch natürlich auch gerne ein paar Bilder und freue mich, euch von meinen Erlebnissen in Montreal zu berichten!