Santiago de Chile, Chile, 21.30 Uhr
Heiter bis wolkig, 24 Grad
Viele Chile Reisende lassen seine Hauptstadt Santiago links liegen, um sich gleich der Natur des Landes zu widmen. Andere schauen mal kurz rein, sagen dann, die Stadt wäre nicht aufregend, und belassen es bei diesem oberflächlichen Befund. Ich hingegen muss sagen, mir gefällt es ausgezeichnet hier! Ich halte Santiago de Chile sogar für eine der am meist unterschätzten Städte überhaupt. Klar, wenn man sich darauf beschränkt, durch das Stadtzentrum zu schlendern, wird man vielleicht enttäuscht sein. Das Zentrum ist okay, hat ein paar recht nette Gebäude von historischer Bedeutung, aber das Herz der Stadt schlägt in anderen Ecken. So eben in meinem Viertel Lastarria, das ich schon gestern beschrieben habe. Im Künstler-und Ausgehviertel für Studenten, Bellavista, wo besonders das Nachtleben zelebriert wird. Oder im aufstrebenden wunderschön grünen Barrio Italia, wo sich kleine individuelle Läden, Cafés und Restaurants angesiedelt haben. Dazu gibt es die beiden Aussichtshügel Cerro de Santa Lucia, den ich gestern schon besucht habe, und Cerro San Cristóbal, den ich heute aufgrund des eher bewölkten Himmels einmal aufgeschoben habe. Die Stadt liegt in einem fruchtbaren Tal, umgeben von Weingütern und Obstplantagen. Im Hintergrund erheben sich die über 6000 Meter hohen Andengipfel und geben, so man sie sieht, eine wunderbare Kulisse ab. Santiago ist weltoffen und tolerant, die Menschen freundlich und entspannt, die Café-und Kulturszene vielseitig und einladend. Bei roten Ampeln springen schnell mal Musiker auf die Fahrbahn und spielen den wartenden Autofahrern ein nettes Lied, und Kinder können sich auf modernen und sauberen Spielplätzen austoben. Santiago ist eine einladende und freundliche Metropole. Wer immer findet, dass Santiago nichts zu bieten hat, hat entweder nicht genauer hingeschaut oder war woanders. Es muss nicht immer auf den ersten Blick erkennbare Pracht und Schönheit sein, die eine Stadt besonders machen, es kann nicht jede Großstadt diese glanzvolle Kulisse à la Wien, Paris oder Rom haben. Oft sind es die Menschen, die Lebensart, die bunten und vielseitigen Grätzln, die sie anziehend machen, das ist in Berlin, das optisch auch keine Perle ist, so, und das trifft für meinen Geschmack gleichermaßen auf Santiago zu. Ich jedenfalls bin sehr begeistert und fühle mich hier bei angenehmem, nicht zu heißem Sommerwetter, absolut wohl.
Nach dem Frühstück habe ich mich ins Zentrum begeben, vorher klappte es mit dem Adapterkauf reibungslos und schnell. Hier habe ich mich einer 4 stündigen Free Walking Tour angeschlossen, funktioniert ähnlich wie bei Tours4Tips in Valpo, man streift mit Guide durch die Stadt auf Trinkgeldbasis. So sahen wir alle wesentlichen Highlights, wurden mit Hintergrundinfos versorgt, ohne aber mit Details erschlagen zu werden. Es mögen natürlich staatlich geprüfte Reiseleiter wie die liebe Verena dieses Konzept hinterfragen, es ist aber mehr ein ergänzendes als ein konkurrenzierendes Produkt, das sie anbieten. Die Free Walking Tours richten sich mehr an die Internet affine Generation, die oft auch jünger sind und mit kleinerem Budget reisen, oder aber eben wie in meinem Fall auch gerne die Basisinfos bekommen, ohne dass jede Jahreszahl bis ins letzte Detail erläutert wird. Die Kreuzfahrttouristen werden eher weniger bei solchen Touren, die doch auch ein Mindestmaß an organisatorischem Individualismus erfordern, erscheinen, und Schiff-und Busgesellschaften werden aufgrund dieser Tatsache auch weiterhin lieber mit etablierten Fremdenführern zusammenarbeiten. So bekommt jeder sein Stück vom Kuchen, und das ist auch gut so.
https://freetoursantiago.cl/portada.html
In der Tourgruppe war auch eine nette Deutsche namens Edith, mit der ich danach noch Mittagessen war und die sich dann in meinem Orientierungssinn sonnte, um den nicht vorhandenen ihrigen zu kompensieren (war ihre eigene Ansage ;-)) Sprich, sie trabte mir nach, um das Barrio Italia zu erkunden, wir hatten uns dabei viel zu erzählen, nachdem sie seit fast einem Jahr auf Südamerikareise ist und augenblicklich hier in Santiago in einem B&B gegen freie Kost und Logis jobbt. Dahin musste sie jetzt dann auch, da sie jeden Abend ab 18 Uhr dort anwesend sein muss, außer an den Tagen, an denen sie frei hat. Ich war jetzt noch bei mir unten im Viertel Abendessen, diesmal habe ich mich für Patagonisches entschieden, ein zartes Hirschfilet vom Feinsten durfte diesmal den Cabernet Sauvignon durch meine Speiseröhre geleiten ;-)
Für morgen Vormittag habe ich dann eine Fahrradtour durch die Märkte Santiagos gebucht. Diesmal keine Free Tour ;-) Dabei werden wir den 3 wichtigsten Märkten der Stadt einen Besuch abstatten, und schauen, riechen, schmecken. Was ich dann am Nachmittag tue, weiß ich noch nicht, morgen soll der Himmel blauer und das Wetter heißer werden, wenn dem so ist, möchte ich den Cerro San Cristóbal nachholen, um der Anden ansichtig zu werden. Sollte es doch keine gute Sicht geben, nehme ich vielleicht die Metro und sehe mir noch ein berühmtes Weingut an. Was es im Endeffekt geworden ist, erfahrt ihr dann in meinem nächsten Bericht!