Die Populismuspolitik unserer ÖVP dominierten Regierung ist ungebrochen erfolgreich. So gilt zwar weiterhin für 30 Länder (laufend werden es weniger), dass man von dort ohne Quarantäne nach Österreich zurückkehren kann – trotzdem sind auch diese Staaten einheitlich mit Reisewarnstufe 4 – „hohes Sicherheitsrisiko“ – belegt. Von allen „nicht notwendigen Reisen, insbesondere Urlaubsreisen, wird dringend abgeraten“, steht da bedeutungsschwanger. Sprich, eigentlich darfst du dort zwar hinfahren, aber es wird dann doch der moralische Zeigefinger erhoben und subtil zu verstehen gegeben, dass es wahnsinnig gefährlich wäre, das auch wirklich zu tun. Für einen Weltenbummler wie mich sind diese Sätze des Außenministeriums Schall(enberg) und Rauch – wenn es danach ginge, dürfte man auch in normalen Zeiten praktisch nirgends hin, weil man überall ausgeraubt, entführt und was auch sonst noch alles wird. Nichts als Banditen bevölkern unsere Welt außerhalb unserer heilen Alpenfestung. In Corona Zeiten wird, im Gegensatz zur wie immer wesentlich vernünftigeren Politik unseres Nachbarn Deutschland, der bezüglich der freigegebenen Gebiete nicht die Moralkeule schwingt und den Deutschen unterschwellig vermittelt, sich von dort fernzuhalten, der Populismus weiterhin auf die Spitze getrieben und zwischen dem „schönen und sicheren“ Österreich einerseits (Zitat unseres besonders herzerwärmenden „Es gibt nur 4 Gründe“ Innenministers) und dem ach so bösen, weil so gefährlichen, Ausland andererseits, ein Keil getrieben. Die Quintessenz ebendieser Politik ist es, dass die Leute verunsichert sind - und selbst unter mir bekannten Personen sich 2020 eine überwiegende Mehrheit nicht traut, die Grenzen zu überqueren, sondern sich lieber am Wolfgangsee mit Corona ansteckt als in Dalmatien. Nun bekam auch Ré bezüglich Italien kalte Füße bzw wurde es ihm „zu heiß“.
Wenn ich im Corona Jahr eines gelernt habe, dann ist es, dass man einander respektieren und Rücksicht auf die Befindlichkeiten des anderen nehmen muss. Corona betrifft jeden Menschen dieser Erde, und jeder geht für sich persönlich anders mit der Situation um – manche tun sich relativ leicht damit, andere wiederum gar nicht, die einen haben Angst vor der Krankheit, die anderen wieder eher vor den mit ihr verbundenen gesellschaftlichen Folgen, die einen machen einen Riesen-Abstandsbogen um andere Menschen während andere ihnen Nahestehende weiterhin herzen und umarmen. Das Alles unter einen Hut zu bekommen, ist nicht immer einfach und erfordert oft ein Höchstmaß an Empathie und Toleranz. Meine Gedankengänge zu dem ganzen Thema entsprechen in fast keiner Hinsicht dem Mainstream und spielen sich, den Reaktionen nach zu schließen, offensichtlich oft in ganz eigenen Sphären ab.Ich erwarte in keinster Weise, auch von meinen Freunden nicht, dass man alle meine Überlegungen nachvollziehen kann. Was ich mir von Freunden schon erwarte ist, dass man meine Positionen, die ich stets offen und durchaus auch expressiv kommuniziere, respektiert. Und so habe ich es mir umgekehrt auch angewöhnt, Gedankengänge, die ich selbst nicht nachvollziehen kann, anzuerkennen, wie in diesem Falle jene Rés. Somit bin ich ihm selbstverständlich nicht böse, dass er sich von unserer geplanten Reise zurückgezogen hat, ich verstehe die Bedenken aus seiner Sicht, die nicht meine ist, und denke, es muss jeder für sich entscheiden, was für ihn gut oder weniger gut ist. Mit Bauchweh auf Urlaub zu fahren, macht jedenfalls überhaupt keinen Sinn, man soll diesen ja in erster Linie genießen können und sich wohlfühlen.
Meine Überlegungen bezüglich Italien, das anfangs zwar am schwersten von der Corona Krise betroffen war, wo die heutige epidemiologische Situation aber wesentlich besser ist als jene der meisten Länder inklusive Österreichs, waren daher mal wieder, wie könnte es anders sein, ganz andere als jene des eindimensionalen österreichischen Blickwinkels – nämlich weniger, ob ich von Italien ohne Quarantäne nach Österreich zurückkehren könnte, als eher, ob die Italiener mich aufgrund der höheren Infektionszahlen bei uns überhaupt noch ins Land lassen würden. Ließen sie. Und hier bin ich nun also. In Italien. Auf Ré Urlaub ohne Ré. Dolce Vita mit etwas bitterer Note. Ganz zu diesem Jahr passend.
Als Ziel hatten wir uns gemeinsam für die Cinque Terre entschieden, einen 12 Kilometer langen Abschnitt der ligurischen Küste. 5 Dörfer, die sich mit ihren bunt gestrichenen Fassaden direkt an der Steilküste malerisch auftürmen, umgeben von Steinmauern, Weingärten auf Terrassen, mediterraner Vegetation. Kurzum – ein ziemlich malerisches Setting, das allerdings in normalen Jahren so malerisch ist, dass es von Touristenhorden förmlich überrannt wird. Die Idee war – ein Jahr ohne Kreuzfahrtschiffe, ein Jahr mit beschaulichem Tourismus. Gute Idee – nur nicht ganz der Wahrheit entsprechend. Ich flog nach Bologna, nahm mir hier direkt vom Flughafen ein Auto und fuhr in gut 3 Stunden hierher. Gebucht hatte ich ein Apartment im ersten der 5 Orte, in Riomaggiore. Nachdem geraten wurde, dass man sein Auto besser in La Spezia parkt und von dort den Zug nimmt, der in wenigen Minuten hierher kommt, versuchte ich genau das, um den Bahnhof waren allerdings sämtliche Parkgaragen voll. Also dachte ich, ich versuche es doch, nach Riomaggiore zu fahren und im dortigen Parkhaus unterzukommen. Vergeblich. Es war voll – und als doch ein Platz frei wurde, musste ich schlucken. 35 EUR pro Tag! Wucher! Nein, 70 EUR für 2 Tage parken, das geht nicht. Und so fuhr ich doch wieder nach La Spezia retour, wartete kurz, und ein heißer Platz wurde dann sogar frei. Ich nahm also den Zug und jetzt klappte Alles, nachdem ich in Summe doch 90 Minuten verplempert hatte. Das Apartment ist schön, in einem alten Haus in den steilen Gassen. Diese sind auch tatsächlich so malerisch wie in meiner Vorstellung – allerdings, wie ich es anhand der Parkplatzsituation schon befürchtet hatte, weit weniger ruhig als gedacht. Es tummeln sich auch 2020 Unmengen an Touristen, die die pittoresken Plätze und Aussichtspunkte bevölkern, nicht nur aus Italien sondern auch zahlreich aus Deutschland oder Frankreich. Wie es hier in normalen Jahren aussieht mag ich mir gar nicht ausmalen. Auch zum Abendessen einen Tisch im Freien zu bekommen, war unmöglich. Meine Spaghetti Frutti di mare und mein Tiramisu ließ ich mir also drinnen schmecken. Eben wieder – Dolce Vita mit leicht bitterer Note.
Italiener schaffen es dann sogar, ein Accessoire wie die Maske, das Sinnbild von Corona, charmant klingen zu lassen – „La Mascherina“, also das „Maskerl“, hört sich eigentlich richtig nett an. Die Maßnahmen in Italien sind, als am Anfang besonders betroffenes Land, ganz besonders streng, noch mehr als in Frankreich. Selbst beim Betreten von Restaurantterrassen im Freien muss die Maske getragen werden – und als ich für mein Frühstück in einem kleinen Laden einkaufen war, wurde streng darauf geachtet, dass ihn maximal 2 Personen gleichzeitig betreten, davor wurde diszipliniert in einer Schlange gewartet. Das ansonsten als besonders überschwänglich bekannte italienische Temperament hat seine Kratzer abbekommen und präsentiert sich 2020 schaumgebremst. Auch dies passend zum Thema des heutigen Artikels – ganz im Sinne von Dolce Vita mit leicht bitterer Note.
Morgen werde ich dann die Küste entlang wandern und die anderen Dörfer kennenlernen. Die Wanderung ist sicher besonders schön, ich werde möglichst früh losstarten, um den großen Mengen an Leuten zu entkommen. Freut euch also morgen auf bestimmt wunderschöne Bilder, einen Vorgeschmack gibt es heute schon mit ein paar Eindrücken aus Riomaggiore. Buona notte…