„What do you think of Iran?“
„Were you scared to come here because of our negative image?“
„We hope that you like our country and that you are always treated well – we are happy that you are here“.
„Welcome to Iran!“
Das sind die Sätze und Phrasen, mit denen wir immer wieder hier begrüßt werden. Andauernd werden wir auf der Straße angesprochen, nicht, um uns etwas zu verkaufen, sondern weil die Iraner wirklich daran interessiert sind, wieso ein westlicher Tourist sich in ihr Land verirrt und sehr besorgt sind, von uns ob ihres Altherren-Mullah-Idioten-Regimes verurteilt zu werden. Das passt genau in die von mir eingangs zitierte Serie an Ungerechtigkeiten – man hat den Eindruck, den meisten Iranis ist ihr Regime peinlich und sie genieren sich dafür, sie freuen sich, dass man trotzdem kommt und zücken begeistert ihre Handys, um gemeinsame Fotos von sich und Menschen aus dem Westen zu machen. Die Freundlichkeit, Herzlichkeit und Offenheit der Iraner ist jedenfalls überwältigend, Zuvorkommenheit paart sich hier mit Interesse und ein wenig Neugier am Besucher! Wer davon nicht ergriffen wird, dem ist eigentlich nicht zu helfen!
Die Menschen im Iran und ihr Regime – die greise Eminenz Ali Khamenei, der hier die Regeln und die Politik vorgibt, scheint von der Lebensrealität der meisten seiner Untertanen sehr weit entfernt zu sein. Das sollte man immer berücksichtigen, bevor man sich eine Meinung über den Iran anmaßt, ohne je hier gewesen zu sein, und die Menschen, die hier leben, vorverurteilt und mit einem Terror-Regime, das sie leider nach außen vertritt, in einen Topf wirft. Zu bedenken ist ferner, dass in unseren Demokratien die Mehrheit der Bevölkerung selbst dafür verantwortlich ist, irgendwelche dumpfbackigen Populisten an die Macht zu wählen, während die vielen jungen Menschen im Iran nie Gelegenheit hatten, ein Mehrheitsvotum abzugeben, da sie zum Zeitpunkt, als die islamischen Revolutionäre das Ruder in die Hand nahmen, noch gar nicht geboren waren.
Ein paar Beispiele, um zu illustrieren, wie weit die Lebenswelten der Oberen und der Bevölkerung auseinanderklaffen…..
- In Isfahan wurden (im Gegensatz zum liberaleren Teheran) von oben selbst die Shisha Bars, in denen man sich trifft, um gemeinsam Wasserpfeife zu rauchen, als Ort der Lasterhaftigkeit verboten und geschlossen, damit sich Mann und Frau nur ja nicht zu nahe kommen könnten. Die vielen jungen Leute im Iran arrangieren sich mit diesen in ihren Augen sinnlosen Zwängen von oben, sie treffen sich trotzdem im Café und auf der Straße, sie halten Händchen, sie schießen Selfies und kommunizieren per Whats App (Facebook ist meist gesperrt ebenso wie übrigens scheinbar mein Reiseblog sehr verdächtig ist und sich nicht aufrufen lässt!!!), sie lachen und suchen sich ihre Partner lieber selbst aus als das von den Eltern arrangieren zu lassen – auf Umwegen wird genau das gelebt, was vom Regime gar nicht gerne gesehen wird. Es ist offensichtlich, dass die Mehrheit der Iraner nicht hinter ihrem Regime steht, und so werden die Grenzen des eigentlich nicht mehr Erlaubten stets ausgelotet und in unbeobachteten Momenten auch überschritten. Es ist ein pragmatischer Zugang, sich sein Leben trotz der Zwänge so gut es geht nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten – und eine andauernde Gratwanderung.
- Schreit der Muezzin, scheint das die meisten Menschen überhaupt nicht zu kümmern, kaum jemand geht beten oder schließt den Laden sondern trotz des Gesanges geht das Leben seinen normalen Lauf weiter. Die Mehrzahl der Iraner bezeichnet sich als nicht religiös.
- Die Frauen sind selbstbewusst – der Umgang zwischen den Geschlechtern wirkt keinesfalls männlich dominant sondern wie ein sehr respektvolles Miteinander. Iranerinnen sind top gestyled, die Kopftücher sind farbenfroh und bedecken weit weniger Haar als es viele Sittenwächter wohl gern sehen würden. Trotz der verordneten züchtigen Bekleidung betört die Schönheit der iranischen Frauen, und wäre es ihnen gestattet, mehr Haut zu zeigen, wäre ich hier glaube ich vollkommen überfordert, wo ich zuerst hinschauen soll ;-)))
Schönheit – das bezieht sich nicht nur auf die Menschen hier sondern auch auf das Land. Isfahan mit seinem Platz der Imame ist eine Augenweide. Die Moscheen mit ihren blauen Fayencen – eine Pracht, die den gesamten Zauber des Orients in sich vereint. Die Farben und das Licht – sowohl in der Stadt als auch in der Wüste – sind atemberaubend. Speziell als wir gestern einen sehr langen Ausflug nach Persepolis gemacht haben, waren wir hin und weg, als die Sonne aufging und eine alte verlassene Stadt aus Lehm in ein einzigartiges Licht tauchte. Der strahlend blaue Himmel, vor dem sich beeindruckende Felsengräber aus Sandstein erheben, lässt das Herz ebenso höher schlagen wie die duftenden Gewürze auf dem Bazar. Einzig grün ist eine Farbe, die in der kargen Hochebene des iranischen Hochlandes eher spärlich gesät ist – Wasser ist offensichtlich ob des wenigen Regens und gut sichtbar anhand zahlreicher ausgetrockneter Flussbette Mangelware.
Ein paar Informationen noch zu Isfahan:
- Die Stadt hat 2 Millionen Einwohner und liegt auf rund 1500 Metern Seehöhe. Das Klima im Winter ist tagsüber meist trocken und mild (um die 15 Grad), die Nächte sind kalt mit Temperaturen um den Gefrierpunkt.
- Sehenswürdigkeiten sind insbesondere der Platz der Imame, der einerseits von der Großen Moschee, auf der Längsseite vom Ali Qapu Palast und gegenüber von der schlichteren Lotfollah Moschee flankiert wird. Der Platz ist nach dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking der zweitgrößte der Welt – und um Vieles stimmungsvoller. Der Eintritt kostet für Ausländer einheitlich zu allen Sehenswürdigkeiten 200.000 IRR (gut 6 EUR). Die Moscheen sind meist tagsüber zugänglich, an manchen Feiertagen aber geschlossen und Freitag zur Gebetszeit mit Einschränkungen geöffnet. So richtig genau, wann welche Moschee offen ist und wann nicht weiß aber selbst bei der Touristeninformation Niemand so wirklich. Beide Moscheen sind prächtig und ein Muss – und von der Terrasse des Ali Qapu Palastes hat man den besten Blick auf den Platz! Rund um den Platz erstrecken sich Arkaden mit vielen Geschäften, die teils schönes, teils eher kitschig-billig wirkendes Kunsthandwerk anbieten. Die vierte Seite des rechteckigen Platzes ist der Haupteingang zum großen Bazar, der allerdings auch immer eher spontan geöffnet ist und dann wieder gar nicht. Es gibt im Iran keine geregelten Öffnungszeiten – und entsprechend macht hier offensichtlich wirklich jeder auf wann es ihm gerade einfällt ;-)
- Unser besonderes Highlight war das kleine Café Roozegar – nette Leute, wunderbare Smoothies, super entspannend zum Sitzen. Leider hat das Café keine eigene Homepage, eine Beschreibung dazu gibt es aber auf Tripadvisor:
- Weiters sehenswert sind die Brücken über den oft trockenen Fluss Zayandeh Rud. Wasser führt dieser meist im Frühjahr.
- Die angeblich noch prächtigere Freitagsmoschee konnten wir diesmal in unserem Programm gar nicht unterbringen, ein noch offener Punkt für das nächste Mal.
- Es empfiehlt sich auch, dem netten armenischen Viertel einen Besuch abzustatten. Die Besonderheit hier ist, dass es mehrere Kirchen gibt, die von außen wie Moscheen aussehen, aber auf ihren Kuppeln Kreuze tragen und auch innen wie typisch armenische Kirchen wirken. Man sieht einige armenische Aufschriften und zwischendurch findet man ein paar recht hübsche Cafés.
- Einen Ausflug nach Persepolis von Isfahan aus zu machen, wie wir es getan haben, erfordert viel Sitzfleisch, denn die antike Stätte liegt ganze 427 km entfernt, sodass wir an einem Tag an die 900 km zurückgelegt haben. Dadurch, dass die Straßen ausgezeichnet sind und durchwegs als Autobahnen ausgebaut, ist die Tour machbar, wenn man eine Iran Rundreise macht, bietet sich aber eher an, Persepolis von Shiraz aus anzusteuern, das nur rund 50 km südlich der Ruinenstadt liegt. Für Shiraz blieb uns leider keine Zeit. Persepolis ist absolut sehenswert und bezaubert speziell im Nachmittagslicht! Unbedingt ist Persepolis mit den schönen Felsengräbern von Naqsch-e-Rostam zu kombinieren, die nur ein paar Kilometer entfernt liegen!
Der Iran – ein Land, das die Sinne betört und die Seele berührt. Das, sobald man hier ist, viele Vorurteile über den Haufen wirft. Und das bestimmt statt einer nüchtern-formalen amtlichen Reisewarnung eine ganz dringende und aus tiefstem Herzen kommende Reiseempfehlung verdient! Welcome to Iran!