Natitingou, Benin, 23 Uhr
Klare Nacht, 22 Grad
Wie geplant, haben wir heute den Weg in den Norden Benins angetreten. Für die 350 Kilometer brauchten wir an die 12 Stunden, kurze Mittagspause und eine Dorfbesichtigung inklusive. Der Zustand der Straße war zu einem weiten Teil sehr übel, Asphalt wechselte mit Sandpiste, und selbst wenn es Asphalt gab, war er meist von tiefen Schlaglöchern durchsiebt.
Je weiter man in Benin nach Norden fährt, umso mehr ändern sich die Gegebenheiten. Werden im fruchtbaren, vergleichsweise grünen, Süden an den Straßenrändern noch Orangen, Ananas oder Avocados verkauft, so sieht man je weiter man nach Norden kommt nichts mehr davon, da warten gerade mal noch Säcke voller Kohle auf Abnehmer. Dazu wächst vor Allem Baumwolle, die hier geerntet und auf riesige LKWs verladen wird. Diese ziehen Richtung Süden, zum Hafen, denn es gibt in Westafrika praktisch keine Baumwoll verarbeitende Industrie. Sprich, die Konzerne engagieren hier schlechtest bezahlte Pflücker, um die Baumwolle in die asiatischen Länder zu verschiffen und sie dort Arbeiter in Bangladesh oder Kambodscha unter miserabelsten Bedingungen produzieren zu lassen. Und sie dann zu verkaufen. Das nennt man wohl die Fortsetzung des Kolonialismus oder modernes Sklaventum, denn zur Entwicklung Benins trägt dieses Modell genau nichts bei, es werden wie seinerzeit nur die Rohstoffe herausgepresst – der Rest passt wohl nicht ins „Geschäftsmodell“. Echt zum Kotzen!
Das Land wird sichtbar karger, staubiger – und ärmer. Die Autos werden schäbiger, und die Dörfer trostloser. Kirchen werden weniger, Moscheen immer mehr, Frauen sind immer noch bunt angezogen aber das Haar bei den meisten verdeckt, man merkt, dass man in den muslimischen Teil Benins einfährt, die Sahelzone. Dieses Nord-Süd-Gefälle scheint sich in den Nachbarländern Togo und Ghana auf die gleiche Weise zuzutragen. Es wurde also ein langer und anstrengender Tag im Bus, mit wenigen Pausen. Knapp vor unserer Destination Natitingou gab es eine solche in einem typischen Rundhüttendorf der Yom aus Lehmbauten. Dieses ist animistisch, trotzt also der ringsum inzwischen mehrheitlich muslimischen Umgebung. Das Dorf liegt recht idyllisch, und trotz des kargen Landes scheint es einen halbwegs vertretbaren Lebensstandard zu haben. Es gibt in dem Dorf auch etliche Würdenträger und 4 Könige. Würdenträger stehen dabei über den Königen, es sind durchwegs weise, alte Männer, die eine Holzpfeife rauchen und für alle Angelegenheiten um Rat befragt werden. Bei einem der Könige erhielten wir dann auch eine Audienz. Ein sehr kompliziertes gesellschaftliches Geflecht, aber friedlich und willkommen heißend. In dem Dorf lebt man jedenfalls sehr traditionell, und erst seit den 1970er Jahren tragen die Menschen dort Gewand.
Erst spät kamen wir ins Quartier und dann zum Abendessen. Das Quartier ist mal eines der besseren hier, von schön weit entfernt, dafür fehlt in einem Land mit wenig Tourismus auch einfach die Erfahrung mit dem – wohl oft auch zu anspruchsvollen – Gast aus Europa. Das Händchen für Details fehlt hier komplett, herunterhängende Türschnallen oder lockere Klodeckel werden einfach nicht fixiert sondern an den nächsten Gast vermietet, die Beleuchtung erfolgt häufig mit ungemütlichen Neonröhren, statt dass man mit afrikanischen Holzelementen ein wenig Wohlfühlatmosphäre schaffen würde und man merkt, dass einfach nichts in eine Erhaltung oder gar Verbesserung investiert wird. Naja, wie auch immer, das heutige Zimmer ist okay, und zumindest muss man sich nach den letzten beiden Unterkünften nicht überwinden, ins Bad zu gehen ;-)
Morgen kommt dann zum Glück eine etwas kleinere Etappe, die uns auf dem Weg nach Ghana für einen Tag zurück nach Togo, in dessen Norden, führen wird. Jetzt knipse ich aber mal die Birne aus….