Chefchaouen, Marokko, 22.10 Uhr
Kalte Nacht, 2 Grad
Heute haben wir Marokkos Nordspitze erreicht und mal kurz hinüber nach Europa geblickt. Dabei dachte ich ans Nitscherl, als ich Tarifa von Tanger aus in meinem Blickfeld hatte….ich hab mal sicherheitshalber zu unserem „Zwischenquartier“ rübergewunken ;-))
Gestern Abend hatten wir also noch unser Gruppenmeeting. Unser Guide Hossein (oder wie immer man ihn korrekt schreibt) versammelte dabei eine Gruppe von 10 Personen um sich, von denen 3 aus den USA, 2 aus Kanada, 2 aus England und je eine aus Deutschland, der Schweiz und Österreich (ich natürlich) waren. Sofort fiel auf – wir sind altersmäßig diesmal komplett durchgemischt, ich bin mitten drin, und das tut eigentlich sehr gut. Und ein weiteres Kuriosum, das ich in der Form noch nie hatte…..4 der 10 Personen sind……Flugbegleiter ;-))) Wir mussten richtig lachen, als wir das herausfanden, ein amerikanisches Paar arbeitet in Dallas für American Airlines und Julia aus Deutschland in New York für United. Gleich beim Abendessen gestern war die Harmonie voll da, und das setzte sich heute auch fort. Wir hatten immer Gesprächsthemen, niemand benahm sich beim Fotografieren wie der erste Mensch und es gibt niemanden, mit dem ich nichts zu reden hätte. Die Amerikaner sind so wie fast alle Amerikaner, die das Land verlassen und herumreisen – sehr angenehme interessierte Zeitgenossen, die sich für ihren Präsidenten genieren. Ebenso wie das ältere englische Ehepaar für den Brexit. Gut, dass unseren Basti keiner kennt – wobei, die Engländer haben sogar schon von ihm gehört, nachdem er im letzten Halbjahr der Ratspräsidentschaft recht oft mit Theresa May zu sehen war. Von seiner politischen Ausrichtung wussten sie aber zum Glück nichts, und schon gar nicht von seinem Koalitionspartner. So überlasse ich das Schämen den anderen und freue mich über unsere politische Bedeutungslosigkeit…..
Die Voraussetzungen passten also, als wir uns heute nach dem Frühstück auf den Weg nach Norden machten. Auch hier präsentierte sich Marokko ganz anders als erwartet. Auf der doch 350 Kilometer langen Strecke nach Tanger gibt es eine bestens ausgebaute, mautpflichtige Autobahn. Die Mautstationen werden mit automatischen Abrechnungssystemen digital betrieben, Gäste können an diesen auch ihre Kreditkarte benutzen. Die Raststätten sind so wie sie in Europa auch sein könnten und daneben befindet sich eine Hochgeschwindigkeits-Bahntrasse für den TGV. Und als wir Tanger erreichten, änderte sich das ebenfalls nicht, an allen Ecken wird gebaut, die Stadt ist sauber und modern, gesäumt von Palmen bestandenen Promenaden – man könnte sich drüben in Spanien genauso befinden. Auch die Altstadt, die Medina, wo die Händler zu Hause sind, und die Kasbah, wo einst die Burgherren lebten, sieht mit ihren weiß getünchten Häusern aus wie eine andalusische Stadt – kein Wunder, war es doch der Einfluss der Mauren, der Andalusien entscheidend geprägt hat. Das Wetter bei unserem Stadtrundgang war dann schon strahlend blau, allerdings war es auch windig und mit 14 Grad recht frisch.
Die Vegetation ist wie bei uns im April – Alles steht in Blüte. Es strahlen Raps und Ginster in leuchtendem Gelb, die Mandelbäume rosa, reif sind Orangen und Mandarinen. Zudem ist der Nordwesten Marokkos saftig grün, er ist auch Kornkammer und Gemüsegarten des Landes, wo alles wächst und gedeiht. Speziell als wir nach dem Besuch in Tanger ins Hinterland aufbrachen, zu unserem Zielort Chefchaouen, präsentierte sich die sehr schöne Berglandschaft des Rif Gebirges mit Seen, Wäldern und Almen, auf denen wie bei uns Schafe und Kühe weideten. Man sieht schon jetzt, dass es in dem Land sehr viele unterschiedliche Landschaftsformen und Mikroklimata gibt, dass es extrem abwechslungsreich ist. Auch wird es landeinwärts dann doch langsam ursprünglicher und weniger modern, man sieht auch mehr sehr traditionell gekleidete Leute. Trotzdem ist immer noch alles schön hergerichtet und sauber und die kurviger werdende Bergstraße in gutem Zustand.
Chefchaouen, die blaue Stadt, sahen wir nur bei Dunkelheit, was wir sahen, war richtig schön, aber mehr dann bei Tageslicht. In der Dunkelheit ist es hier im Gebirge auf rund 700 Höhenmetern eisig kalt, es hat grad mal knapp über Null Grad, und ich habe die Klimaanlage auf volle Wärme aufgedreht, um den Raum halbwegs warm zu kriegen. Ich wusste ja, dass es hier Winter gibt, mit so einer Kälte hätte ich aber dann doch nicht gerechnet. Für morgen ist jedenfalls Sonnenschein bei 15 Grad vorausgesagt, und im Süden und in tieferen Lagen sollte es auf jeden Fall besser werden. Wir haben hier quasi einen Tag Freizeit, ich werde mich der Wandergruppe anschließen, denn nach so vielen Tagen immer im Bus ist es Zeit für Bewegung. So werden in der Früh losgehen und am Nachmittag zurückkehren, um dann auch noch Chefchaouen bei Tageslicht sehen zu können. Ich freue mich auf nette Tage in einem schönen Land und in netter Gesellschaft!