Kumasi, Ghana, 18 Uhr
Sonnig, 31 Grad
Als „aufgehender Stern“ der Region Westafrika wird Ghana oft bezeichnet. Ich verstehe jetzt ungefähr was damit gemeint sein könnte, speziell, da ich auch den direkten Vergleich zu den Nachbarländern in der Region jetzt ziehen kann. Es ist überall sichtbar – das Land ist definitiv 2 Schritte weiter als seine Nachbarn. Kurz, es ist natürlich nach wie vor ein Entwicklungsland, aber im Gegensatz zu Togo oder Benin merkt man, dass hier etwas weitergeht. Togo und Benin waren unter den Ländern mit dem niedrigsten Entwicklungsniveau, das ich je gesehen habe. Ghana hat dagegen einen Stand erreicht, der mit manchen asiatischen Ländern wie Thailand oder Indonesien vergleichbar ist.
Wie äußert sich das nun…..also das Grundsetting Afrikas ist auf jeden Fall vorhanden. Gewusel auf den Straßen, Ziegen und Hühner sind ebenso wenig aus dem Straßenbild wegzudenken wie überladene Busse, verrostete Autos oder Verkehrsstau und Chaos in den Städten. An Kreuzungen und Mautstellen kommen hunderte Straßenverkäufer – es ist wie beim Running Sushi, Alles kommt irgendwann mal vorbei….Obst, Klopapier, Handyhüllen, Taschentücher, Erdnüsse, manchmal sogar ein kleiner Tisch. Aber daneben merkt man eben auch den Aufbruch. In den Städten entstehen überall neue Häuser, Spitäler, an denen man vorbeifährt, sehen auch recht modern aus. Die Überlandstraße ist sehr gut, daneben gibt es Hochspannungsleitungen, die eine verlässliche Stromversorgung garantieren. Ein kleiner Wasserfall, den wir besichtigten, wurde mit modernem Eintrittsbereich, ebensolchen Hinweisschildern und Mülltonnen ausgestattet. Und auch unser zweites Hotel ist sehr in Ordnung, kein schmuddeliges und abgewohntes Zimmer sondern eine Ausstattung auf sehr anständigem Niveau. Man sieht, dass man sich in Ghana bemüht, weiterzukommen, eben an solchen Details, dass mehr darauf geachtet wird, dass die Infrastruktur aufgebaut wird und nicht das wenige Vorhandene auch noch verkommt. Ich würde einmal sagen, Ghana ist das optimale Einsteigerland für Westafrika, man bekommt immer noch eine ordentliche Portion afrikanischen Lokalkolorit verabreicht aber nicht gleich die volle Dosis wie in Togo und Benin. Ich möchte nicht sagen, dass mir Ghana besser gefällt als die beiden anderen Länder, es ist einfach anders. Togo und Benin waren liebenswürdige Länder, die das ursprüngliche Afrika zeigen – mit all seinen Höhen und Tiefen. Aber man muss auch schon etwas abgebrühter sein, wenn man sich zu einer Reise dorthin entschließt als wenn man sich nur für Ghana entscheidet. Ich kann jetzt schon sagen, dass ich froh bin, ein breiteres Gesicht Westafrikas kennengelernt zu haben – wo Trostlosigkeit und Lebensfreude, Hoffnung und Aussichtslosigkeit so knapp beieinander liegen. Ghana hinterlässt bei mir nach Tag 1 ein positives Gefühl voller Zuversicht für den gesamten Kontinent. Noch aber bin ich natürlich nicht am Ende meiner Reise und werde in den kommenden Tagen weitere Aspekte des Landes kennenlernen.
Wir hatten heute eine lange Fahrt auf guter Straße zu absolvieren, die letzte richtig lange Etappe dieser Tour. Ohne Schlaglöcher war sie aber durchaus erträglich. Dazwischen hielten wir wie angesprochen an einem netten Wasserfall, und bevor wir am Ende knapp vor Kumasi, Ghanas zweitgrößter Stadt, noch ins Verkehrschaos gerieten, besuchten wir eine Trauerfeier. So etwas habe ich noch nie gesehen. Eine Person stirbt – und zu Ehren dieser Person gibt es am Samstag immer ein Volksfest. Dabei wird am Hauptplatz des Ortes eine Art Schrein mit Fotos der Person aufgestellt. Ringsum aber versammeln sich keine weinenden Menschen, nein, es ist Party. Es wird Musik aufgelegt, getanzt, getrunken, auf die verstorbene Person angestoßen, in ein Mikro werden, während man sich zur Musik dahinshakt, Würdigungen über die Person gesprochen – und je mehr Menschen daran teilnehmen, umso besser. Wir waren dort herzlich willkommen, man schüttelte uns die Hände, freute sich, dass wir da waren….und die Menschen hatten nichts gegen Fotos, im Gegenteil, die Einheimischen Jugendlichen stellten sich mit ihren Smartphones auch vor uns auf und machten Bilder von und mit uns. Mehr oder weniger, seht her, bei der Feier waren sogar Gäste aus Europa dabei! Bill drängte dann zum Aufbruch, denn er meinte, die Feier würde vermutlich bis spät in die Nacht dauern. So ein Zugang zum Thema Tod ist für uns sehr ungewohnt, aber ich fand ihn sehr sympathisch. Die Beisetzung des Sargs am Friedhof findet sicher dann in ruhigerem Rahmen statt. Was wir da erlebt hatten, war quasi der Polterabend vor dem Begräbnis oder so. Lebensfreude bis in den Tod, auch das ist Afrika.
Ein wenig eine besondere Rolle habe ich in der Gruppe natürlich auch wieder….wir sind mit 2 Vans unterwegs, und Bill fährt abwechselnd jeden Tag in einem der beiden mit. Unsere Fahrer sind aus Mali und Togo – und sprechen neben ihrer lokalen Sprache nur Französisch. Sprich, wenn immer Bill nicht bei uns ist und jemand braucht etwas, bin ich das Sprachrohr zum Fahrer. Und selbst Englisch beherrschen manche in der Gruppe nicht einmal in Grundzügen, da bin ich auch der Übersetzer für Bestellungen in diversen Lokalen oder um von der Rezeption das WLAN Passwort zu erfragen oder Ähnliches. Und gestern, als wir nach Ghana kamen und alle vom Bankomaten abhoben, war auch ich es, der alle durchs Menü führte, nachdem Bill eher Geldwechseln als Geld beheben gewohnt ist. Lustig, ich denke ja eigentlich immer, dass ich, abgesehen von meinem guten Orientierungssinn, über keine außergewöhnlichen Fähigkeiten verfüge, wenn ich aber merke, dass Dinge, die für mich so ganz selbstverständlich sind für viele Leute offensichtlich große Hürden darstellen, werde ich mir wieder meiner Talente bewusst und bin auch durchaus stolz darauf.
Wir bleiben diesmal 2 Nächte hier – einmal nicht packen! Wir werden morgen Erkundungen um Kumasi unternehmen. Natürlich werde ich davon berichten!