Buenos Aires, Argentinien, 21.30 Uhr
Klare Nacht, 23 Grad
Der alte Step ist heute zwangsweise wieder auferstanden! Denn ein Steak, dick, butterweich, „jugoso“ (also blutig) vom feinsten Rind um 9 Euro, mit einem Glas Malbec dazu, da kann man einfach nicht widerstehen. Das ist Argentinien – jeder, der schon hier war, hatte von dieser Fleischqualität geschwärmt, jetzt weiß ich endlich, wovon die Rede ist. Einzigartig! Nun ja, ich werde mir jetzt nicht täglich so einen Klumpen Fleisch verabreichen, aber dem ganz entsagen kann ich hier wohl auch nicht.
Buenos Aires – ja es ist europäisch. An wirklich fast jeder Ecke ein nettes Café oder Lokal mit Tischen im Freien, viel Leben auf der Straße, am Sonntag speziell im historischen Stadtteil San Telmo, den ich heute ausführlich besucht habe. Eine Melange aus europäischer Grandezza der Vergangenheit, mit vielen Bürgerhäusern aus der Belle Epoche, gepaart mit dem etwas verblichenen Glanz der kulturellen Hochblüte hier, die teilweise von den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Gegenwart, die auch dieser Tage gerade wieder in den Schlagzeilen auftaucht, eingeholt wird, was auch etwas Morbidität in die ganze Mixtur einbringt. Die Eleganz von Paris trifft auf die Lebensfreude Südamerikas, die Leichtigkeit Italiens verbindet sich mit der Schwermut des Tangos, den man hier speziell in San Telmo wirklich sehr oft aus den Bars dringen hört. Buenos Aires ist ein Konglomerat aus all diesem, etwas, das der Stadt ihr spezielles Flair verleiht, so viel kann ich nach einem Tag schon sagen. Vielleicht kann ja Karin, die schon hier war, sich ein wenig in dieser Beschreibung wiederfinden.Ich glaube jedenfalls, hier kann ich es problemlos 3 Wochen lang aushalten.
Argentinier sind freundlich, gesellig und kommunikativ, als ich allein im Café oder beim Mittagessen saß wurde ich gleich in Gespräche mit meinen jeweiligen Tischnachbarn verwickelt, man kann sich also wohl fühlen. Der Querschnitt an weiblicher Bevölkerung, die mir so in den Straßen begegnet ist, kann allerdings optisch mit Kolumbianerinnen nicht annähernd mithalten. Diese spezielle Mischung in Kolumbien, aus kräftigen schwarzen Haaren, kaffeebrauner Haut, oft leicht indigenem Einschlag, bildhübschen Gesichtern gepaart mit der warmherzigen Ausstrahlung, das trifft man hier weniger, Argentinierinnen sehen wesentlich europäischer aus, haben gröbere Gesichtszüge, wirken auch deutlich kühler und man könnte sie glatt als Spanierinnen durchgehen lassen. War nur ein erster Eindruck aber Kolumbien war dahin gehend auch ein wirkliches Highlight.
Jedenfalls war ich heute den ganzen Tag bei strahlendem Sonnenschein unterwegs, hatte 27 Grad, leichten Wind und war ein perfekter Sommertag, ohne zu heiß zu sein. Ich habe schon viel gesehen, neben San Telmo auch das Zentrum mit dem Regierungssitz, der aus „Evita“ bekannten Casa Rosada, die Plaza de Mayo, die Avenida Corrientes, mit ihren Theatern auch „Broadway von BA“ genannt und den riesigen Obelisken, der den Nullpunkt im Straßennetz Argentiniens darstellt und von dem die Avenida 9 junio wegführt, die breiteste Straße der Welt mit 10 Fahrspuren pro Richtung.
Helvia ist eigentlich den ganzen Tag zu Hause. Auch bei dem Wetter verlässt sie das Haus nicht (erinnert mich an einen gewissen Harold Smith, halt mit Heiligenbildern statt Orchideen ;-))). Verstehe ich echt nicht, denn halbwegs mobil wäre sie eigentlich. Sie telefoniert zwar oft mit Jemandem, ich nehme mal an mit einer ihrer 3 Töchter oder 6 Enkeln, so oft dürfte sie diese aber auch nicht zu Gesicht bekommen. Mir kommt vor, die alte Dame ist etwas einsam und hat sich deshalb entschieden, Studenten aus aller Welt bei sich wohnen zu lassen, damit sie beim Essen etwas Ansprache hat. Sie ist immer sehr bemüht und kümmert sich um Alles, ich sagte ihr, sie müsste nicht jeden Tag mein Zimmer saugen oder das Bett machen, ich mache die Tür zu wenn ich gehe und es passt schon, aber sie lässt sich das nicht nehmen, Alles war wieder frisch gemacht, als ich am Abend zurück kam. Völlig unnötig, wenn sie mir einmal die Woche frische Handtücher gibt, wäre das vollkommen ausreichend. Hm, könnte mit der Zeit etwas anstrengend werden, ist mal mein Eindruck nach Tag 2, aber so oft bin ich ja eigentlich dann außer zum Schlafen und Abendessen eh nicht daheim.
So, morgen geht’s dann noch eine Stunde früher in die Schule, da ich vor dem Unterricht mal einen Einstufungstest schreibe und ich dann einer Klasse zugeordnet werde. Bin schon gespannt, auf welchem Level ich beginnen werde, ich nehme mal an, dem zweitniedrigsten…….die Schule ist 20 Minuten von hier entfernt, und die U-Bahn fährt direkt, das ist also ziemlich easy. Na dann, morgen mehr von meinem ersten Schultag!