Essaouira, Marokko, 15.30 Uhr
Wolkenlos, 19 Grad
Essaouira, von den Portugiesen als Mogador gegründet, ist eine besondere Stadt in Marokko. Aufgrund des immer wehenden Windes wird sie auch als „Windy City“ bezeichnet, was speziell eine internationale Community an Kite Surfern anzieht. Auch siedelten sich in der Vergangenheit zahlreiche Aussteiger, Hippies und später Künstler hier an, immer noch verströmen die alten Gassen der Medina einen Hauch von Leichtigkeit, es reihen sich Galerien, Cocktailbars und Kunstcafés aneinander, und so ergibt sich eine interessante Mischung aus internationalen Gästen aus aller Welt und Einheimischen, die ihren täglichen Geschäften nachgehen. Letzteres ist besonders gut zu beobachten an den Obst-und Gemüsemärkten der Stadt, in den kleinen Handwerkerläden der Mellah, des leicht verfallenen aber sehr charmanten ehemaligen jüdischen Viertels, das vor Allem mit herrlichen Eingangstoren und gerahmten Türen glänzt. Und am Fischerhafen, der direkt außerhalb des Stadttors liegt, und an dem man eine andere Welt betritt. Hier ist Marokko richtig Orient, eigentlich sogar richtig Afrika, hier wuselt es, hier ist es nicht aufgeräumt und westlich, ein sehr interessanter Kontrast.
Die Mellahs sind ein interessantes Phänomen in Marokko – jede Stadt hat am Rande der Medina eine Mellah. Bis in die 1960er Jahre lebten in Marokko noch 220.000 Juden, heute sind es nur noch 5000. Die Mellahs waren immer direkt unter den Augen des Königs angesiedelt, die Juden trieben Handel und Geldgeschäfte, die den Arabern aufgrund ihrer Religion her verboten waren – die Juden blieben zwar in ihren eigenen Stadtteilen unter sich, es gab aber stets ein gutes Einvernehmen zwischen ihnen und dem König, wovon beide Seiten profitierten und weitgehend friedlich zusammenlebten. Die große Emigrationswelle setzte ein, als Israel in den 1960er Jahren palästinensische Gebiete besetzte und Feindseligkeiten gegenüber Juden auch hier zunahmen, wo es bisher keine Probleme zwischen ihnen und den Arabern gegeben hatte. So zogen die meisten marokkanischen Juden nach Israel, die Mellahs wurden in Scharen verlassen und verschmolzen mit den Medinas zu einem Stadtteil, der verfiel und von ärmeren arabischen Bevölkerungsschichten bezogen wurde. Die meisten der verbliebenen marokkanischen Juden leben heute in Casablanca, in Marokko herrscht Religionsfreiheit, es gibt auch hier in Essaouira noch 2 Synagogen, die in Betrieb sind. Und angeblich zunehmend auch wieder ausgewanderte israelische Besucher, die ihre alte Heimat besuchen und vom marokkanischen König ausdrücklich willkommen geheißen werden. Die Mellahs sind als Schmelztiegel, die einen gewissen morbiden Charme ausstrahlen, auf jeden Fall interessant zu besichtigen.
Gesamt gesehen ist Essaouira eine Explosion an Farben – das strahlende Blau des Himmels, das in Marokko zum Standard gehört, mischt sich mit dem Blau-Weiß der Medina, das einen fast nach Griechenland versetzt. Dazu kommen die kräftigen Farbtöne der Früchte und Gewürze, die um die Wette strahlen, der unzähligen Katzen, von denen es hier noch mehr gibt als sonst wo in Marokko, und der allerorts verkauften Teppiche. Essaouira gehört auch zum UNESCO Weltkulturerbe und sollte keinesfalls fehlen auf einer Reise durch Marokko. Es ist ein Fest für die Sinne und erfreut das Gemüt.
Ich genoss nach meinem Rundgang und ein paar Einkäufen (mein Rucksack platzt bereits aus allen Nähten) dann Pasta mit Meeresfrüchten und einem Glas Wein am Strand – man gönnt sich ja sonst nichts. Heute hat mal jeder sein eigenes Programm gemacht, später werden wir uns in einer Cocktailbar am Hafen treffen und den Tag ausklingen lassen. Das war heute mal weniger reisen und mehr Urlaub, und das war, bevor es morgen quasi in den Zielhafen meiner großen Tour 2019, nämlich Marrakesch, geht, richtig wohltuend. Wie wir in Marrakesch angekommen sind, kann ich euch hoffentlich von dort berichten.