Santiago de Chile, Chile, 23 Uhr
Dunkel, 23 Grad
Nein, mit mir und den Surfern wurde das irgendwie nix mehr. Ein paar Unterhaltungen führte ich, diese erstickten allerdings jeweils schnell im Keim, als sich die Nerds sofort wieder in ihre Wind-und Wellenschleifen begaben. Ein Typus Reisender, der mir ein fremder ist, andere Länder nur wegen Meereswellen zu besuchen und die sonstige Kultur des Gastlandes außen vor zu lassen ist für mich eben nicht nachvollziehbar. Muss es aber auch nicht sein, denn es ist eine Community die in sich irgendwie geschlossen wirkt aber dabei niemandem weh tut. Und dass ich quasi in ihr Revier eingedrungen bin, dafür können sie nun auch nichts. Immer noch besser als vielleicht in eine Ansammlung irgendwelcher schlagender Burschenschafter, johlender Bierzeltmenschen oder sonstiger dummer und weniger harmloser Zeitgenossen zu geraten ;-)
Ich hatte es aber nichtsdestotrotz in der Früh eilig, aus Pichilemu weg zu kommen. Wieder war Alles grau in grau von diesem schrecklichen Küstennebel, der auf die Dauer schwer depressiv machen muss, dazu war es dann wirklich kalt im Zimmer, und das Warmwasser der Dusche verweigerte in der Früh ebenso seinen Dienst. Kalte Dusche in kaltem Zimmer – so ziemlich der Step’sche Super Gau. Noch dazu war ich, als ich nochmal nachgerechnet hatte, dahinter gekommen, dass mir die – gar nicht besonders freundliche – junge Dame an der Rezeption gestern beim Zahlen für das Zimmer zu viel berechnet hatte. Und als ich dann heute, nach 9.30 Uhr am Vormittag abfahren wollte und noch reklamieren, war die Rezeption geschlossen. Klar, für Surfer wahrscheinlich mitten in der Nacht, und so ließ ich vom Koch die Dame, die gleichzeitig die Chefin ist, aufwecken. Sie kam dann mit schlaftrunkenen Augen, sah sich meine Buchungsbestätigung an, nahm es zur Kenntnis und überreichte mir wortlos den Differenzbetrag, den sie tags zuvor zu viel von meiner Kreditkarte abgebucht hatte, in bar. Kein Wort der Entschuldigung, des Bedauerns. Ich bin der Letzte, der nicht darüber hinwegsehen kann, dass mal ein Irrtum passiert, aber sowas geht gar nicht. Auch die kalte Dusche ließ sie im wahrsten Sinne des Wortes kalt. Doch keine Empfehlung für dieses Hostel, auch nicht für Surfer! Und weil ich sowieso schon mit der ganzen Situation hier auf Kriegsfuß stand, vergaß ich dann auch noch meinen Welt Adapter dort im Zimmer, wie ich leider erst nach meiner Ankunft in Santiago bemerkte. Hier gibt es zum Glück einen Adapter, und für Ecuador muss ich mir jetzt eben wieder einen organisieren.
Das war es dann aber auch mit den Widrigkeiten. Ich hake diesen etwas seltsamen Reiseteil einfach unter Skurrilitäten ab. Kaum war ich ein paar Kilometer landeinwärts gefahren, tauchte ich schon auf aus dem Nebel und war zurück in „meiner“ Welt. Blauer Himmel, Sonne, Wärme. Na bitte, geht doch. Im Valle de Conchagua besuchte ich eines der schönen Weingüter, wo ich auch auf einer Terrasse mit nettem Ausblick gut Mittag aß. Absolut empfehlenswert!
http://www.casasilva.cl/inicio
Direkt fuhr ich dann durch bis Santiago, fand ohne Stau zum Airport und gab die „Kraxn“, auch Suzuki Alto genannt, ohne weitere Probleme wieder zurück.
Ein paar Tipps noch zum Autofahren in Chile. An sich ist Autofahren für uns Europäer hier kein Problem. Es wird rechts gefahren, und das auch recht zivilisiert.
- Einziger Minuspunkt ist, dass, sobald man sich in einer Stadt befindet, kaum mehr Richtungswegweiser zu finden sind, wo man weiter fahren muss. Selbst wenn man nur durch einen Ort durchfährt, ist es nicht immer klar, wo die Hauptstraße eigentlich wieder hinaus führt. Ist man auf der Autobahn oder Freilandstraße, kein Problem, da stehen dann wieder Hinweistafeln. In den Orten selbst aber nur selten oder gar nicht, und man muss sich schon des Öfteren auf seinen Orientierungssinn verlassen (oder ein gutes Navi haben) um wieder auf die richtige Spur zu kommen. Nun, zum Glück bin ich mit dieser Fähigkeit einigermaßen gut ausgestattet, trotzdem war es nicht immer offensichtlich, wo jetzt eigentlich die Route weiter gehen sollte.
- Tankstellen sind zumindest hier in Mittelchile zahlreich vorhanden, alle sind Bedienungstankstellen, etwas, das es bei uns schon lange nicht mehr gibt. Man gibt dem Tankwart ein paar Münzen Trinkgeld, ansonsten steht aber das Kreditkartenterminal stets direkt bei der Zapfsäule, man muss also nicht mal hinein gehen um zu zahlen.
- Die Straßen sind sehr gut, in der am dichtesten besiedelten Region Chiles sind auch viele als Autobahnen ausgebaut. Die Autobahnen sind mautpflichtig, diese Gebühr wird bar bezahlt, Alternative ist ein „e-Tag“, der die Gebühr elektronisch abbucht. Wagen, die man in Santiago mietet, haben diesen Sticker angebracht, und die Gebühren in Santiago Umgebung sind dabei inkludiert.
- Als Verkehrsregeln gibt es an Besonderheiten, dass man, wenn ein Pfeil darauf hinweist, bei Rot rechts abbiegen darf. Und es gilt kein Rechtsfahrgebot, es kann also auch stets von beiden Seiten überholt werden, entsprechend muss man hier immer etwas vorsichtig sein. Außerhalb des Ortsgebiets muss auch unter Tag mit Licht gefahren werden.
- Entfernungsangaben sind in Kilometern, ebenso sind die Geschwindigkeitsbeschränkungen in km/h angegeben. Keine Hexerei also!
- Meinen Mietwagenverleiher, Chilean, kann ich wegen des eher dürftigen Zustands des Autos und des Problems mit der schwachen Batterie am Anfang nicht wirklich weiter empfehlen. Ansonsten aber spricht nichts dagegen, Chile mit dem Mietwagen zu erkunden!
Ebenso schnell wie die Rückgabe klappte es mit dem Uber Transport, in einer halben Stunde war ich schon in meiner Unterkunft. Unterkunft und Stadtviertel hier in Santiago sind genial. Ich bin in einer Wohnung bei Ines untergekommen, die hier 2 Zimmer vermietet, eines an ein brasilianisches Pärchen und eines an mich. Eigentlich gehört die Wohnung Ines‘ Tochter Francesca, die aber mit ihrem Mann, einem Amerikaner, seit Ewigkeiten auf Weltreise ist und sich gerade zum Chinesisch Lernen in China befindet.
Das Viertel heißt Lastarria. Das ist gleich neben dem Zentrum, von eben diesem durch den Stadtpark und Hügel Cerro Santa Lucia, getrennt. Zunächst spazierte ich durch den Park, der eine tolle Aussicht auf Santiago und die dahinter liegenden Anden bietet – für die Andengipfel war es ein wenig zu diesig. Und dann stieß ich ins Herz Lastarrias vor, das eigentlich nur aus ein paar Straßenzügen besteht. Es ist ein Viertel genauso wie ich es mag. Es ist sicher, und es strahlt Weltoffenheit aus. Man kann Kunst und Kultur in einem neu errichteten Zentrum in moderner Architektur genießen. Manche rauchen einen Joint, auch das stört hier niemanden. Andere sitzen daneben und speisen in erstklassigen Restaurants, wieder andere im gemütlichen Café, andere schlürfen ihren Cocktail. Jung und Alt hält sich hier auf, die Menschen nutzen das Fahrrad als modernes Stadtverkehrsmittel, schwule und lesbische Pärchen schlendern ebenso Händchen haltend durch die Straßen wie heterosexuelle. Leben und leben lassen, das kann man hier, so sollte der Normalzustand sein. Und meine Unterkunft liegt mitten drin – ein Volltreffer. Einmal über die Straße, und schon kann ich das Leben atmen. Ich bin wieder in jener Welt, wi-de-wi-de-wie sie mir gefällt ;-)
Mein Abendessen war gigantisch, das Beste dieser Reise, und eines der besten aller vielen besten Mahlzeiten meines Lebens überhaupt. Ich saß im Freien, denn hier ist es schön warm, genoss die Atmosphäre des Viertels und erfreute mich an einem perfekt gegarten Lachs mit raffinierten Beilagen ebenso wie an einem unglaublichen Schoko-Fondant. Natürlich mit entsprechender Weinbegleitung. Leider hat das Mulato – Cocina del Mercado wieder nur ein Facebook Profil als Homepage.
https://es-la.facebook.com/Mulato-Restaurant-143627619100495/
Jetzt kam ich heim. Ines‘ entzückende Nichte, Valentina, war zu Besuch, gerade mal 22, besucht eine Schauspielschule hier in Santiago. Ein Sonnenschein, herzlich, intelligent, gebildet. Wir saßen zu Dritt noch 2 Stunden beisammen und hatten uns mehr zu erzählen als alle Surfer mir je hätten erzählen können. Das natürlich ausschließlich auf Spanisch, denn so gebildet kann man auch als junger Mensch hier nicht sein, dass man einen Grund sieht, Englisch zu lernen. Valentina sagte, in ihrer gesamten Schulzeit bis zur Matura hat sie im Englischunterricht in etwa die Farben gelernt, mehr nicht. Nachdem die meisten Südamerikaner es sich so und so nie leisten können, ins Ausland zu reisen, und wenn, dann in eines der benachbarten Länder, wo man ebenso Spanisch spricht, gibt es, wenn man nicht gerade Tourguide für Touristen werden will, die Notwendigkeit einfach nicht. Jedenfalls fand der Abend so seinen netten Abschluss – und ab morgen werde ich mich 2 Tage lang Santiago de Chile widmen. Ich hoffe, ihr seid dabei!