Buenos Aires, Argentinien, 18.30 Uhr
Heiter bis wolkig, 27 Grad
Nun, wenn man schon ganze 3 Wochen in Buenos Aires bleibt, muss man sich wohl auch mit den argentinischen Nationalheiligen befassen.
Diese sind einerseits – Diego Armando Maradona, auch „die Hand Gottes“ genannt. Eine Stadiontour zur Bombonera mache ich dann wohl die kommende Woche.
Andererseits – nicht minder bekannt – Eva Perón, genannt „Evita“. Sie hatte nie ein offizielles Amt inne, war eigentlich „nur“ First Lady an der Seite ihres Mannes Juan Perón in den späten 40er und frühen 50er Jahren. Trotzdem wurde sie zur schillerndsten politischen Figur die das Land jemals hatte. In Argentinien eine Ikone, ist „Evita“ im globalen Kontext eine nicht ganz unumstrittene Persönlichkeit. Die Politik ihres Mannes sympathisierte nämlich durchaus offen mit den damaligen faschistischen Regimen in Europa, und auch ihr wird eine gewisse Nähe zum Nationalsozialismus zugeschrieben – auch, dass sie am Untertauchen einiger NSDAP Größen nach dem Krieg in Argentinien mitgewirkt haben soll. So ganz klar wurde das nie herausgearbeitet, Fakt ist, Argentinien hatte während des zweiten Weltkriegs als einziges Land volle diplomatische Beziehungen zu Nazi Deutschland und verweigerte jüdischen Flüchtlingen aus dem dritten Reich die Aufnahme. Das Land hatte allerdings in den Jahren davor, speziell in den 20er Jahren, viele Juden aus Osteuropa, insbesondere Russland und Polen, die vor dortigen Pogromen geflüchtet waren, aufgenommen, woraus resultiert, dass Buenos Aires noch heute die größte jüdische Gemeinde ganz Lateinamerikas hat – ein ganz interessanter Widerspruch.
Diese Verwirrungen um ihre heilige „Evita“ werden in einer gesamthistorischen Betrachtung hier in Argentinien, speziell im eigenen „Evita“ Museum, vollkommen unter den Tisch gekehrt und nicht einmal in einer Randnotiz erwähnt, für Argentinier war sie diejenige, die sich für die Armen eingesetzt hat. Ihr historisch unwiderlegbar größter Verdienst war jedenfalls die verfassungsmäßige Durchsetzung des Wahlrechts für Frauen hier im Land, bevor sie im jungen Alter von nur 33 an Krebs starb.
Argentinier heute sind jedenfalls sehr angenehme Menschen, vor Allem sind sie ungemein höflich und rücksichtsvoll. Ihre „Fila“, also die „Warteschlange“, ist Kult, an Bushaltestellen sieht es ähnlich aus wie in England. Vordrängen wird hier nicht toleriert, bei der Fila gibt’s kein Pardon, die wird penibel eingehalten, egal ob beim Bus, beim Schalter, an der Kassa oder sonst wo. Auch ansonsten wird nie gedrängelt, selbst in der vollen U-Bahn zur Stoßzeit nicht. Und es ist immer Zeit für ein wenig Smalltalk, sei es der Kellner, der Taxifahrer oder die Kassierin im Supermarkt, genauso wie man auch im Restaurant durch Tischnachbarn oder selbst am Friedhof, als ich ein junges Pärchen nach dem Weg zu Evitas Grab befragte, immer gleich in ein kurzes Gespräch verwickelt wird. Und bei diesen immer wiederkehrenden Gelegenheiten stelle ich nicht nur fest, dass ich das äußerst sympathisch finde, sondern auch, dass ich diese Art der Konversation inzwischen recht gut und locker bewältige, was mich wahnsinnig freut. Es geht jeden Tag etwas flüssiger dahin…..
Ich hatte mich ausgeschlafen, und nachdem es am Vormittag regnete, ließ ich es sowieso langsam angehen. Erst knapp vor Mittag, als es zwar noch grau war aber immerhin dann trocken, machte ich mich auf den Weg zum „Cementerio de Recoleta“, dem berühmten Friedhof. Eigentlich ist er kein Friedhof sondern eine Totenstadt, man sieht hier nur beeindruckende Mausoleen betuchter und berühmter Bürger, unter Anderem auch jenes von Evita und ihrer Familie. Schon sehr beeindruckend die ganze Anlage, und ein Beweis dafür, dass der Spruch „als Leich is jeder gleich“ nicht ganz stimmt……auch wenn in den pompösen Gräbern im Endeffekt auch nur Knochen liegen, also doch wieder gleich ;-)
Recoleta ist ein bürgerliches Viertel im Norden der Stadt, das wunderschön ist. Es gab Ende des 19. Jahrhunderts hier eine Gelbfieber Epidemie, sodass die reichen Bürger den alten, im spanischen Kolonialstil errichteten südlicheren Stadtteil San Telmo verließen und dort auch die alten Bürgerhäuser verfielen, weil arme Einwanderer einzogen. San Telmo wird erst heute langsam wieder revitalisiert, wobei die etwas morbide Atmosphäre durchaus auch den dortigen Charme ausmacht. Die Reichen zogen nach Norden und orientierten sich bei der Errichtung des neuen Stadtteils an Bürgerhäusern im Stile des französischen Fin de Siècle. Und das sieht man auch heute noch, prächtige Gebäude wie in Paris prägen den Stadtteil, durchzogen von wunderschön grünen Parks.
Ich fand nach der Besichtigung des Friedhofs dann eine wunderbare Mischung aus Feinkostladen und kleinem Café, bekam hier herrlich frischen Pasta Salat mit Lachs und Basilikum, mal wieder ein Gedicht.
Mein nächster Programmpunkt war dann die Floralis Generica, eine riesige, vom argentinischen Architekten Eduardo Catalano 2002 errichtete Blume aus Metall, die inmitten eines kleinen Teichs steht und je nach Sonnenstand ihre Blüten öffnet und schließt. Sehr beeindruckend.
Nun also dann das Evita Museum, das mir aber zu oberflächlich war – das ist nur eine Huldigungs-und Anbetungsstätte, ich hätte mir hier schon eine etwas vollständigere Betrachtung der berühmten Persönlichkeit gewünscht.
Am Heimweg spazierte ich dann mal wieder durch Palermo Viejo, na immerhin war ich jetzt schon 2 Tage nicht hier ;-) Die Sonne zeigte sich hier dann auch noch ein wenig, sodass ich mich noch ein Stunderl in einem gemütlichen Straßencafé niederließ, in dem ausschließlich Aerosmith Songs gespielt wurden. Dabei genoss ich die Atmosphäre und befasste mich noch eingehender mit der ambivalenten Geschichte Eva Peróns in meinem Reiseführer.
Am Heimweg fand ich dann sogar noch eine Bäckerei, die ausgezeichnetes dunkles Brot verkaufte, da schlug ich zu für meine nächsten Tage Frühstück ;-) Tja, sogar dunkles Brot, jetzt kann ich endgültig hier leben ;-) Na, so ist es nicht, aber ich fühle mich hier unglaublich wohl, und es ist nach Wien und Sydney erst die dritte Stadt, die ich gesehen habe, wo ich dieses Gefühl habe, dass ich hier leben KÖNNTE. Natürlich muss man bedenken, ich habe Urlaub und es ist Sommer. Es gibt auch hier Arbeit und einen Winter, somit entsteht dieses Gefühl jetzt auch aus einer sommerlichen Urlaubslaune heraus, um das Ganze wieder zu relativieren. Eine grandiose Stadt ist es jedenfalls allemal, und es ist wie Sydney eine Stadt, die mich trotz ihrer großen Entfernung öfter sehen wird.
Wow, das war ein Roman heute mal wieder, zum Glück ruft Elfie gerade zum Abendessen und erlöst euch hiermit ;-)))