Hanga Roa, Rapa Nui (Osterinsel), Chile, 16.30 Uhr
Sonnig, 29 Grad
Unsere Sonne. Nach ihr richtet sich unser ganzes Leben. Sie bestimmt, ob es hell oder dunkel ist, sie bestimmt unseren Tagesablauf, sie bestimmt, welche Jahreszeit wir haben bzw ob wir überhaupt welche haben, sie bestimmt ob es kalt oder warm ist. Sie macht froh wenn sie da ist und meistens traurig, wenn man sie ewig nicht sieht. Und so gab es nicht wenige Hochkulturen, die ihrer Blüte auch in der Analyse des Sonnenstands Ausdruck verliehen. Unzählige Kulturen betrieben seit Menschengedenken Sonnenkulte, und auch heute noch gibt es in vielen Ländern große Feierlichkeiten zur Sommersonnenwende, man denke nur an das schwedische Midsommernacht oder die St. Petersburger „Weißen Nächte“. Gibt es alle paar Jahre eine Finsternis, starren wir alle ehrfürchtig zum Himmel. Neben dem Ozean ist die Sonne etwas Mächtiges, Gigantisches, für uns nicht Beinflussbares und nicht Fassbares. Etwas, das die Kontrolle über uns hat und nicht wir über sie. Verschwindet am Abend die Sonne hinter dem Horizont, taucht sie die Natur zu ihrem Abgang in die schönsten Farben, und wenn sie am folgenden Tag wieder auftaucht, ist es jedes Mal aufs Neue wie ein kleines Wunder.
Noch einmal schöner ist es aber, wenn wir die Sonne an einem besonderen Ort auftauchen oder verschwinden sehen. Nicht umsonst gibt es überall berühmte Sunrise oder Sunset Touren, zu denen sich hunderte von Menschen gerne versammeln, um von einem besonderen Zauber erfasst zu werden. Sei es vor dem Uluru in Australien, sei es vor Angkhor Wat – oder eben den Moai auf der Osterinsel.
Schon um halb 6 stand ich auf, um in dunkelster Nacht ans andere Ende der Insel zu düsen. Verlässt man Hanga Roa, gibt es auf der Osterinsel, nachdem sich tausende Kilometer ringsum keine menschliche Ansiedlung befindet, praktisch keine Lichtverschmutzung, und so lenkte ich meinen Jeep unter einem gigantischen Sternenhimmel zu meinem Ziel, dem Ahu Tongariki an der Ostküste. Es war noch stockfinster, als ich hier eintraf, die Mengen an Touristen sind im Vergleich zum Uluru überschaubar, an die 50 Leute werden es zirka gewesen sein, die wie ich gebannt auf die ersten Anzeichen der Dämmerung warteten. An meinem Parkplatz stand ich aber alleine, und es war fast unheimlich, in der Dunkelheit aus dem Auto zu steigen. Langsam war es soweit, erste Anzeichen, dass es hell werden könnte, und schon konnte man die dunklen Umrisse der Moai erkennen. Ganz langsam tauchten sie aus der Finsternis, hinter ihnen das tosende Meer, die Unendlichkeit. Es war schaurig-schön, wie sich die steinernen Riesen aus der Dunkelheit erhoben, ihre Konturen langsam klarer wurden. Schwer zu beschreiben, aber einzigartig. Rund eine Stunde starrte ich ehrfürchtig auf das Spektakel, als zur Helligkeit auch der große Ball unserer Sonne langsam aus dem Meer aufzutauchen schien und die Moai mit ihren Strahlen wach küsste. Ich glaube, aufgrund des ganzen dramaturgischen Ablaufs und auch der Abgeschiedenheit des Ortes war der Sonnenaufgang sogar das noch etwas spektakulärere Ereignis, bei dem ich mir unendlich klein vorkam und voller Demut war, hier sein zu dürfen.
Nun, als Kind der Sonne hatte ich ihr dann genug gehuldigt, machte mich auf den Rückweg, frühstückte, und fuhr dann zum Auto-und Fahrradverleih, um ersteres gegen letzteres auszutauschen. Meine ambitionierten Pläne, es die 18 Kilometer pro Richtung zum weißen Strand zu schaffen, setzte ich sofort in die Tat um, es war herrlich, auf der Osterinsel mit dem Drahtesel unterwegs zu sein. Einige Bergwertungen hatte ich schon zu bewältigen, wurde aber, sobald ich oben war, jeweils mit dem erfrischenden Fahrtwind der Abfahrt belohnt. Als der Wind meine Nasenspitze umwehte, umgab mich ein Gefühl von Freiheit, zwischen den Wildpferden, den Eukalyptuswäldern und dem Blick auf den Pazifik dahin zu strampeln. Und nach gut einer Stunde erreichte ich schon den Strand. Wo es dann einmal für die folgenden 2 Stunden ganz heftig schüttete. Macht nichts, ich saß unter einem Palmendach und unterhielt mich lange mit einer einheimischen Familie, die gerade den 4. Geburtstag ihrer Tochter feierte und mir sogar ein Stück der Geburtstagstorte anboten ;-) So konnte ich mal wieder schön meine Sprachkenntnisse aufpolieren, und die Zeit verging. Auch Mittagessen gönnte ich mir hier noch, einen Salat mit frischem Thunfisch, Ananas, Maracuja, und Süßkartoffeln, begleitet von einem frischen Mangosaft. So war die Welt in Ordnung, die Frische der Küche hier, die noch dazu auch noch gesund ist, ist beeindruckend und macht mich froh. Der Regen endete, ich ging sogar schnell noch baden und war gestärkt für die Rückfahrt, die ich ebenso trocken über die Bühne brachte, also trocken von oben, denn ins Schwitzen kam ich schon ganz ordentlich. Aber Wandern und Radfahren tun wirklich gut. Das Leben auf der Osterinsel an sich entspannt und entschleunigt mich total. Kein Stress, keine Hektik, und trotzdem ist mir nie langweilig, was will man mehr!
Nun folgt sicher noch ein gutes Abendessen, und morgen bleibt mir nochmal ein ganzer Tag mit Fahrrad und mir selbst. Ich bin mir sicher, auch dieser wird ein wunderbarer werden!