Aber so ein kleines bisschen Aufbruchsstimmung ist jetzt da. Mein Arbeitgeber scheint fürs Erste gerettet zu sein, und wir heben nächste Woche, in sehr bescheidenem Maße aber immerhin, wieder ab. Mit Kurzarbeit, empfindlichen Gehaltseinbußen – aber auch viel Freizeit - gehe ich in diesen Sommer. Der Juni beschert mir einen Tag Bereitschaft und 2 Tage Notfallsübungen, das war auch schon Alles. Dazwischen liegen wieder 10 freie Tage. Also nicht einmal sicher, ob ich überhaupt bereits in die Luft gehen werde. Und auch im Sommer planen wir mit zirka 20% Kapazität und werden uns daher nicht überarbeiten. Langsam wird es mehr werden und sich steigern, ich rede nicht von „neuer Normalität“, denn dieser Begriff ist einer von vielen, der mich an der ganzen Corona Zeit extrem genervt hat. Es gibt für mich kein „neues Normal“, erst wenn wir keine Abstände mehr halten müssen und unsere Mimik hinter Masken verstecken, wenn wir wieder in erster Linie Menschen und nicht mehr Virenträger sein dürfen, dann ist das Leben wieder normal. Es wird also dauern, aber es geht aufwärts. Die Chance, dass ich „mein“ Leben weiter leben darf, ist aber wieder intakt.
Und- das ist jetzt der zweite Grund für meine Aufbruchsstimmung – langsam werden zumindest innerhalb Europas die Grenzen geöffnet. Ich darf wieder an Reisen denken, mir wieder Reiseführer kaufen, mich wieder mit fremden Sprachen, Landschaften und Kulturen auseinandersetzen. Es ist nicht Post Corona – denn wir wissen alle die Entwicklung der kommenden Monate nicht, ob wir nicht wieder Schritte zurück machen müssen. Keine Entwarnung also, auch weil die Pandemie auf anderen Kontinenten erst jetzt gerade so richtig wütet. Aber doch ein Fünkchen Hoffnung. Und „mein“ Leben definiert sich nun einmal so, dass das Nicht-mehr-eingesperrt-sein in der Wohnung nur der erste Schritt war, nicht mehr eingesperrt zu sein innerhalb der eigenen Landesgrenzen ist für mich der noch viel größere und mindestens genauso wichtige. Ich weiß, das können nicht alle nachvollziehen, das erwarte ich auch gar nicht, aber das Aufgehen von Grenzen ist für mich Aufatmen, Freiheit, Glück.
Seit letzter Woche wurden die Grenzen zu den Nachbarländern im Osten geöffnet, und so nutzte ich den Tag, um einmal wieder einen Hauch von Ferne zu schnuppern. Nicht weit von Wien kann man wunderbar mit dem Rad einen Tagesausflug an den Euro Velo 13, den Europaradweg, der dem ehemaligen Eisernen Vorhang entlang führt, den sogenannten „Iron Curtain Trail“, machen. Eine Grenze voller Geschichte, die einst Kulturen und Familien trennte, die eigentlich nicht mehr existierte und in den letzten Monaten doch so ganz plötzlich wieder da war. Die Grenze zu Tschechien ist nun wieder offen – und es war für mich ein erhebendes Gefühl von Freiheit, sie zu überqueren, ganz ohne Kontrolle, ganz ohne Quarantäne, einfach nur rüber und wieder zurück. Ich wählte den Abschnitt von Bernhardsthal nach Laa an der Thaya, der gut 45 Kilometer lang ist und durch hügeliges Terrain führt. Dabei passierte ich die hübschen mährischen Städte Valtice und Mikulov mit ihren beeindruckenden Burgen und Schlössern. Setzte mich in Valtice zu Mittag in ein Lokal, wo die Speisekarte ausschließlich in Tschechisch gehalten war und beide Kellnerinnen weder Deutsch noch Englisch sprachen. So nah an daheim, und doch plötzlich in einer fremden Welt. Ich hatte mich selten so gefreut, mich nicht verständigen zu können, es wurde ein lächelnder Dialog, wo ich mein Übersetzungsprogramm am Handy nutzte und im Endeffekt eine wunderbare lokale Forelle auf meinem Teller landete, begleitet von tschechischem Bier. Endlich war ich wieder dort, wo ich hingehöre, da draußen, wenn auch nicht weit. Das Gefühl war schön. Als ich den Zug bestieg nach einem sehr warmen Tag in den Hügeln, zwischen mährischen Schlössern und Weinviertler Kellergassen, war ich nicht nur fix und fertig von der doch recht anstrengenden Tour sondern vor Allem einfach nur happy. So ganz ohne Aber.
Wer Interesse an einem Trip an den Eurovelo 13 hat, der von Finnlands hohem Norden bis ans Schwarze Meer führt, dem empfehle ich, sich wie immer den entsprechenden Bikeline zu kaufen, da werden die Strecken im Detail vorgestellt. Jener, der Österreichs Ostgrenzen beleuchtet, ist der vierte Teil. Kondition ist notwendig, denn wirklich flach ist es zwischen Mühl-, Wald- und Weinviertel nirgends, es geht stets bergauf und bergab, der Weg wechselt dabei immer wieder zwischen der tschechischen und der österreichischen Seite und ist durchgehend mit dem Symbol der EU, der Ziffer 13 und dem Zusatz „Iron Curtain Trail“ bestens markiert.
https://www.esterbauer.com/db_detail.php?buecher_code=ICTN4
Einen tieferen und persönlicheren Einblick mit vielen Geschichten speziell, was den österreichisch-tschechischen Grenzabschnitt betrifft, bekommt ihr in dem Buch meiner Bekannten Julia.
https://shop.falter.at/grenzenlos-radeln.html
Das war der Auftakt. Die 10 freien Tage werde ich nutzen und mich 6 davon nach Kroatien begeben. Ein wunderschönes Land, das aber in normalen Zeiten doch sehr überlaufen ist im Sommer. Ich denke, die Chance, Touristen Hot Spots ohne Massen zu besuchen, ist heuer groß wie nie. Gleichzeitig werde ich so viel Freizeit haben wie sonst in keinem Sommer jemals wieder. Da muss ich dann zuschlagen. Mehr demnächst hier. Ich erwache zum Leben – und mein Blog mit mir! Mögen schöne Zeiten auf uns alle zukommen!