Buenos Aires, Argentinien, 22.30 Uhr
Schwüle Nacht, 28 Grad
Der letzte Schultag von Woche eins! Heute ist mir sogar ein wenig der Knopf aufgegangen, jedenfalls hatte ich entweder einen guten Tag gehabt oder Spanisch wird wirklich langsam leichter. Nicht unwesentlich dazu trägt jedenfalls bei, dass ich endlich halbwegs eine Vergangenheitsform bilden kann, was das Sprechen schon unglaublich vereinfacht……..wird ja! 2 ganze Schulwochen noch, das sollte doch reichen, um auf ein halbwegs sinnvolles Niveau zu kommen…….bin jetzt jedenfalls wieder zuversichtlicher……
Zur Feier des Tages habe ich heute die Schule auch eine Stunde früher verlassen, weil wir einen Nachmittagsausflug im historischen Kontext unternahmen. Ausgehend vom mir bereits bekannten Puerto Madero steuerten wir „La Boca“ an. Das bedeutet so viel wie „der Mund“ – das Viertel war der alte Hafen von Buenos Aires, wo vor Allem italienische Einwanderer sich niedergelassen haben. Heute ist La Boca ein ziemlich heruntergekommenes Viertel, das durch 2 Dinge berühmt ist: hier befindet sich „La Bombonera“, das Stadion der Boca Juniors, wo auch Diego Maradona seine große Karriere begann. Andererseits errichteten die Italiener damals ärmliche Behausungen in Form trostloser Wellblechhütten, dies war dennoch die Wiege der Stadt Buenos Aires. Später verpassten die Bewohner des Hafens, die „Portenos“ (so werden die Bewohner von Buenos Aires noch heute bezeichnet), den schäbigen Barracken einen bunten Anstrich. Dies machte sich später die Tourismuswirtschaft zunutze, indem sie einen Straßenzug, den sogenannten „Caminito“, besonders bunt gestaltete und hier zahlreiche Souvenirshops und Touristenfallen in Form von Restaurants und nicht authentischen Tango Shows unterbrachte. Das Ganze wirkt wie eine Kulisse, eine Melange aus dem Set einer Geisterstadt in Wildwest und dem Wiener Prater. War nett zu sehen, weil es wirklich schön bunt ist, die halbe Stunde, die wir hier verbrachten, erachtete ich aber als ausreichend, es ist sicher nicht die Gegend, wo ich sage, dass ich hier nochmal länger und ausführlicher herkommen muss. Abseits des Caminito bewegt man sich in La Boca dann eher nicht zu Fuß, die Wahrscheinlichkeit, hier ausgeraubt zu werden, gilt als ziemlich hoch, und als ich die Straßenzüge beim Durchfahren mit dem Bus sah, war mir auch klar warum. Wir fuhren jedenfalls dann noch weiter nach San Telmo, das unter der Woche eine ganz andere Charakteristik hat als am Sonntag, an dem ich erstmals hier war. Die Plaza Dorrego ist ein angenehmer Platz mit großen Bäumen, wo wir uns nach Abschluss der Tour von der großen Hitze heute bei einem kühlen Bier erholten. Die Gruppe bestand aus insgesamt 5 Schülern unserer Schule aus diversen Klassen, dabei war sogar eine Französin in meinem Alter, die aufgrund der sonstigen Altersstruktur einen ziemlich ähnlichen Ersteindruck wie ich gehabt hatte – irgendwie im falschen Film unter den ganzen 20 Jährigen ;-) Nun ja, etwas zu spät kennen gelernt, denn sie begibt sich morgen bereits auf Argentinien Tour und verlässt die Stadt.
Ich hirschte dann schnell heim, musste noch runter in die Waschküche um dann mit Elfie Abend zu essen. Sie erzählte mir ein wenig, warum sie nie etwas unternimmt, sie meinte, seit ihr Mann vor rund 5 Jahren gestorben ist, hat sie dazu einfach keine Lust mehr. Nun ja, sie wirkt etwas traurig, und sie sagte dann auch, dass sie deshalb Studenten aufnimmt, um junge Menschen um sich zu haben, ihre Eindrücke und ihre Geschichten zu hören. War ein ganz nettes Gespräch, immerhin verstehe ich jetzt ein wenig besser ihre Beweggründe. Ich zeigte ihr auch am Computer dann einige Fotos von meiner Familie und Freunden, angetan war sie speziell von meiner Schwester (soooo hübsch, Karin ist auch wirklich fotogen ;-))) und von Harry (sie meinte, er sieht wie mein Bruder aus, ist ja nicht das erste Mal, dass ich das höre, und ich meinte zu ihr, dass wir ja irgendwie auch wie Brüder sind ;-)) Nun, es ist für mich auch wieder mal eine gute Übung, vielleicht etwas mehr Geduld aufzubringen und mich nicht gleich genervt zu fühlen von einer fürsorglichen alten Dame. Als sie nach dem Waschen dann aber meine T-Shirts bügeln wollte, musste ich sie dann doch wieder bremsen *gggg*
So, ich muss mich jetzt hinlegen, denn meine Fähre nach Uruguay geht schon recht früh……jawohl, Land Nummer 74 auf meiner Liste (von 195 aktuell existierenden) ruft! Und immerhin der dritte von 6 WM-Teilnehmern aus Südamerika dem ich auf dieser Reise einen Besuch abstatte ;-) Mehr davon dann nach meiner Rückkehr……