Essaouira, Marokko, 22.10 Uhr
Wolkenlos, 15 Grad
Nun habe ich meine beiden Tage in den Bergen auch hinter mir und befinde mich gegenwärtig zum letzten Mal auf dieser Reise am Meer. Begonnen habe ich den Tag gestern mit einem einmaligen Sonnenaufgang über der Kasbah von Ait Ben Haddou. Mit den ersten Sonnenstrahlen war ich ganz allein auf dem Aussichtspunkt und konnte miterleben, wie die Lehmbauten langsam aus der Dunkelheit auftauchten und in schönsten Rottönen erstrahlten. So eröffnete sich dieses an Farben so reiche Land mit einem schönen Start in den Tag.
Wir hatten danach eine längere Fahrt zu bestreiten, durch die Steinwüste und über mehrere Gebirgspässe des Hohen Atlas. Wir erreichten am Nachmittag dann das Bergdorf Imlil. Von hier wanderten wir eine Stunde bergauf ins Nachbardorf Aroumd, das auf gut 2000 Höhenmetern liegt. Es ist ein uriges marokkanisches Bergdorf, enge Gassen zwischen Lehmhäusern voller Esel, Maultieren und Ziegen, die 4000er des Toubkal Massivs im Hintergrund. Unsere Unterkunft lag nicht einsam und verlassen auf einer Alm sondern mitten in diesem Dorf, eine sogenannte „Gite“, wie die einfachen Privatunterkünfte hier genannt werden. Dabei kommt man bei einer Familie unter, das Setting war auch diesmal wieder wesentlich weniger basic als gedacht, wir hatten ein Wohnzimmer mit Kamin, es gab eine Terrasse, die wir noch kurz mit den letzten Sonnenstrahlen nutzen konnten, und auch hatten wir wieder richtige Betten mit ordentlichen Decken. Alles halb so wild, wir bekamen Couscous serviert und nachher spielten wir Karten. Durch das Feuer war es auch nicht unerträglich kalt, zumindest nicht im Wohnzimmer, und es wurde ein geselliger und netter Abend.
Die Nacht wurde dann aber schon wieder eine frostige – ein Tee zum Frühstück wärmte angenehm. Direkt danach stiegen wir wieder ab zu unserem Bus, etwas Bewegung am Morgen brachte den Kreislauf in Schwung, und schon waren wir wieder unterwegs. In der Ebene wurde es rasch warm, an einem großen, bestens sortierten Supermarkt caterten wir Picknick Lunch, das wir eine Stunde später in einem Wald von Eukalyptusbäumen mit Sitzbänken verzehrten. Auf dem Weg an die Küste besuchten wir auch noch eine Frauen Kooperative, die das hier in Südmarokko beheimatete Arganöl produziert. Arganöl ist recht teuer, denn es wird stets von Hand gepresst, um die oberste Güteklasse zu erzielen, es findet in vielen Kosmetikprodukten Verwendung, kann aber auch gegessen werden und hat einen nussigen Geschmack. Das Vermarktungskonzept ist sehr professionell aufgezogen, die Frauen sind hier sehr freundlich und selbstbestimmt, und ihnen ein paar ihrer hochwertigen Produkte abzukaufen war mir eine Freude.
Wenig später erreichten wir Essaouira, die von den Portugiesen im 18 Jahrhundert gegründete Stadt am Meer. Unsere Unterkunft ist diesmal direkt in der Medina angesiedelt, es gibt viele nette Cafés, sehr gute Restaurants – und auch auf ein sonniges Bier am Strand kehrten wir ein. Morgen haben wir hier einen freien Tag, den ich zum Faulenzen, Herumschlendern, letzte Souvenirkäufe nutzen werde. Ein Tag „chillen“ wird mir gut tun, zu viele Pausen hatte diese Reise ja nicht gehabt, und nachdem sie ihrem Ende entgegen geht, lässt es sich an einem Ort wie diesem mal gut aushalten ohne dicht gedrängten Zeitablauf und hunderte neue Impressionen, die auf einen einprasseln.
Sieht man sich die Fotos meiner Reiseabschnitte an, so fällt doch bestimmt auf – in Westafrika hatten wir nicht ein einziges Gruppenbild gemacht, während wir hier eines nach dem anderen schießen. Dort war das Interesse einfach nicht da – und hier unternehmen wir selbst dann viel miteinander, wenn wir quasi „Freizeit“ haben. Wir waren auch heute wieder, nachdem das offizielle Programm abgeschlossen war, gemeinsam Abendessen – ganz herausragend übrigens. Keiner ist gezwungen, die Zeit miteinander zu verbringen, und trotzdem tun wir es. Hatte ich in Westafrika eine der mühsamsten Gruppen all meiner Reisen ausgefasst (diejenigen, mit denen ich gut auskam mögen sich bitte nicht angesprochen fühlen), so ist es hier in Marokko eine der besten, wenn nicht die beste überhaupt. Wir reden viel, lachen viel, haben uns auch immer wieder gegenseitig auf der Schaufel – und meine Korianderaversion ist natürlich auch hier ein willkommener Anlass für ein paar kleine Seitenhiebe.
Lhoucine ist übrigens ein sehr netter Guide, er ist zurückhaltend, eine sehr angenehme Person, hat immer einen schlitzohrigen Grinser im Gesicht, schiebt hin und wieder mal eine trockene Meldung rüber, hat Fachwissen und gibt wertvolle Tipps, wo es angebracht ist. Und auch wenn man es ihm nicht ansieht, ist er sehr sportlich und rennt wieselflink wie eine Ziege einen Berg hinauf oder durch den Wüstensand. Er bringt uns Marokko näher und uns einen direkten Bezug zu unserem Gastland. Sozusagen ist er das Tüpfelchen auf dem i.
Sollte ich diesen Artikel trotz langsamen Internets jemals ins Netz bekommen, so kann ich euch dann hoffentlich auch von meinem Erholungstag in Essaouira berichten….