Ich flog gestern hierher, mal wieder mit der Airline, mit der ich eigentlich nicht fliegen will, aber leider war das auch in dem Fall wieder die beste Möglichkeit, hierher zu kommen. Es klappte alles reibungslos, ich landete pünktlich am späteren Nachmittag in Lissabon, ging zum Mietwagenverleiher und bekam dort diesmal sogar auch einen solchen. Und war gegen 7 hier. Es war schon dunkel, ich aß noch Fisch und war müde. Mein Quartier ist mitten im Zentrum, 50 Meter hinter der Strandpromenade. Der Ort ist sehr nett - und, was ich natürlich nicht gewusst hatte und in meiner klassischen Faschingsignoranz auch gar nicht am Schirm gehabt hatte, ein Zentrum des Karnevals in Portugal. Karneval - ja, Brasilien, Venedig.....hm....aber Portugal?! Hatten diesen etwa sogar die Portugiesen nach Brasilien gebracht?! Jedenfalls war er hier, wegen dem Üblichen, 2 Jahre ausgefallen, und das musste natürlich nachgeholt werden. Also strömten kostümierte junge Menschen in Massen durch den Ort, feierten ausgelassen bei lauter Musik, und das bis nach 3 Uhr Früh. Sei ihnen von Herzen vergönnt. Leider geht mein Fenster genau zum Hauptplatz und ist ziemlich hellhörig, weswegen ein Einschlafen nicht ansatzweise gelang. So wachte ich nach nur wenigen Stunden Schlaf heute ziemlich gerädert auf.
Mein Quartier ist sehr nett, und an sich ist die Lage ja top. Es ist neu, gestaltet im marokkanisch-modernen Stil, sehr gemütlich, die Besitzerin sehr freundlich, und auch das Frühstück war gut. Ich streifte durch Sesimbra, am Vormittag war es sehr ruhig. Doch die schöne Markthalle hatte geöffnet, und es gab auch einige Gebäude mit den typisch portugiesischen Kacheln. So war ich zwar müde aber dennoch gut gelaunt, zumal auch die Sonne vom strahlend blauen Himmel schien. Im Schatten und am Abend wird es kühl, sobald die Sonne aber rauskommt, hat sie hier natürlich schon deutlich mehr Kraft als zu Hause. Die Wiesen blühen, die Orangen sind reif, die Vögel singen. Es ist Frühling. Tagsüber hat es zwischen 17 und 20 Grad. In etwa wie bei uns Mitte April. Wunderbar. Genau, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Meine Wanderambitionen nahm ich auch ernst, erklomm zunächst das über dem Ort thronende Kastell, wofür schon ein ordentlicher Aufstieg vonnöten ist, für den man mit schönen Ausblicken auf die Umgebung entschädigt wird. Danach fuhr ich ans Cabo Espichel, dort gab es einen Rundwanderweg über die steilen Klippen, einen Leuchtturm und sogar echte Dinosaurierspuren aus der Jura Zeit kann man hier finden. Ein wenig Käse zum Lunch, und ich setzte fort zu den herrlich wilden Atlantikstränden von Baicas und Meco. Weite Sandstrände, hohe Wellen, wenig Menschen, schöne Felsformationen. Das ist Portugal! Ich genoss auch einen ausgiebigen Nap in der Sonne, es ist zwar windig, wenn man sich hinlegt aber angenehm warm. Ein durch und durch gelungener schöner Tag. Den ich dann bestimmt wieder mit frischem Fisch abschließen werde. Und ich hoffe doch, dass der Karnevals-Sonntag etwas weniger ausschweifend verläuft als der Samstag und ich heute mehr Schlaf bekommen werde.
Soweit, Alles gut. Ich versuche hier, auf den Medienkonsum zumindest tagsüber komplett zu verzichten, um meine Zeit hier genießen zu können. Nicht Corona ist es, das mir Sorgen macht. Eigentlich war ich in den letzten Wochen seit meiner Rückkehr aus Sri Lanka frohen Mutes gewesen. Die Buchungen für die Flüge ziehen, wie oben erwähnt, an, die Restriktionen fallen. Corona war mir ja die ganze Zeit mehr auf die Nerven gegangen als dass ich mich persönlich hätte davon bedroht gefühlt. Speziell seit meiner dreifachen Impfung empfand ich die Maßnahmen als immer mehr übertrieben - Omikron hält zwar die Infektionszahlen noch hoch, aber im Endeffekt bleibt die Auslastung der Intensivstationen in fast allen Ländern stabil auf überschaubarem Niveau. Darum war es ja immer gegangen, das Gesundheitssystem nicht zu gefährden. Das scheint nicht mehr der Fall zu sein, also stehen endlich auch alle Zeichen auf Entspannung. Nein, Corona hat mich eingeschränkt, aber die Einschränkungen haben mich mehr genervt als die Angst dass ich dran sterben könnte. Aber jetzt habe ich Angst. Und zwar vor einem wild gewordenen Barbaren im Osten. Ich habe dieser Tage reelle Angst, dass wir alle doch noch zu unseren Lebzeiten mit etwas anderem konfrontiert sein könnten als Wohlstand, Freiheit und Frieden.
Putin ist komplett durchgedreht. Und ich traue ihm inzwischen alles zu. Gehabe wie ein fünfjähriges trotziges Kind. "Ich werde nicht ernst genommen als Großmacht und keiner kümmert sich um mich. Also zeig ich es jetzt allen". Klassischer Mann mit kleinem Schwanz oder auch anders ausgedrückt - ewiger Minderwertigkeitskomplex. Ich weiß, das ist sexistisch, aber als Mann darf ich gegen einen anderen Mann sexistisch sein, wenn er mit seinem peinlichen Machogehabe plötzlich die gesamte Welt bedroht. Was mir nicht gefällt - von der Entwicklung her gibt es zu viele Parallelen zu 1938.
Damals ein im ersten Weltkrieg geschlagenes Deutschland, das sich in seinem Nationalstolz gedemütigt fühlte. Der Feind war die Demokratie und die jüdische Finanzelite, die dran angeblich Schuld war. Sicher nicht man selbst. 1938, inzwischen aufgerüstet, argumentierte Hitler genau gleich - die Sudetendeutschen in der Tschechoslowakei werden unterdrückt, also müssen sie "befreit" werden. Einmarsch. Dann im Folgejahr ein konstruierter fingierter Kriegsgrund gegen Polen - und man schoss angeblich "zurück". Der Rest ist bekannt - der Zweite Weltkrieg begann - und legte binnen weniger Jahre große Teile der Welt, aber vor Allem Europa in Schutt und Asche. Vom Massenmord der Shoah rede ich dabei gar nicht.
Und heute....vor 30 Jahren brach die Sowjetunion zusammen. Russland verlor seinen Status als Supermacht. Die Demokratien breiteten sich aus in Osteuropa, die NATO wurde erweitert und rückte an Russlands Grenzen. Russland war relativ bedeutungslos geworden, denn es blieb ein rückständiger Rohstoffexporteur mit einer reichen Elite an suspekten Oligarchen, die wirtschaftliche Entwicklung fand kaum statt. Ein Riesenland wie Russland bringt genau das dreifache Gesamt BIP von Österreich zusammen - das sagt eigentlich alles aus über das Versagen, eine seriöse volkswirtschaftliche Entwicklung auf die Beine zu stellen und der eigenen Bevölkerung eine Perspektive zu geben. Und dann ein Ex-Sowjetstaat wie die Ukraine. Der ist zwar nicht perfekt, durchaus auch korrupt und wirtschaftlich schwach, war aber immerhin auf einem demokratischen Weg Richtung EU und NATO. Es gab zumindest freie und faire Wahlen und halbwegs unabhängige Medien, die zum heutigen Staatspräsidenten Selenskij führten. Ein Graus für Putin. Demokratische freie Wahlen - so etwas durfte es nach seiner Diktion in einem Post-Sowjetstaat nicht geben. So erklärte er dieses Regime von Anfang an als illegitim und "faschistisch". Schon 2008 war man in russisch sprachige Gebiete Georgiens einmarschiert, weil die Russen dort angeblich unterdrückt wurden. Gleiches passierte auch in der moldawischen Teilrepublik Transnistrien und 2014 auf der Krim und in der Ostukraine. Und nun - behauptet Putin - gäbe es einen "Völkermord an den Russen" im Donbas, und man müsste dorthin "Friedenstruppen" zu deren "Schutz" entsenden. Sudentenland 1938, klingelts? Das Regime in Kiew müsse man "entnazifizieren". Ein frei gewählter Präsident. Der noch dazu russischsprachig ist, und jüdisch obendrein. Ein Nazi also, genau. Mit dieser Rechtfertigung griff man nun die Ukraine an. Krieg nicht weit von unserer Grenze. Wegen nichts. Ein Angriffskrieg als "Befreiungsmission". "Zurückgeschossen" nannte man das damals 1939. Unfassbar.
Die Frage ist, ob es dabei bleibt. Auch in den baltischen Staaten gibt es große Russisch sprachige Minderheiten. In Estland bis zu 40%. Wenn Putin beginnt, auch diese aufzuwiegeln und angeblich "befreien" zu müssen, dann wird es haarig. Denn im Gegensatz zur Ukraine sind die baltischen Staaten NATO Mitglieder. Ein Angriff auf diese - was das bedeuten würde, ist selbsterklärend. Der "Bündnisfall" würde eintreten - und es gäbe einen Krieg zwischen Russland und der NATO. Im Unterschied zu Hitler damals besitzt Putin Atomwaffen. Ihm ist inzwischen alles zuzutrauen. Deshalb schrieb ich auch - ich habe Angst. Ein wild gewordener Barbare kann also tatsächlich dafür sorgen, dass im schlimmsten Fall ein dritter Weltkrieg ausbricht. Man kann es nicht fassen und ist ohnmächtig. Man kann sich das nur sprachlos mitansehen und zittern und bangen. In den Händen des Irren liegt das Schicksal ganz Europas. Und damit auch das Schicksal meines Lebens und jenes meiner Familie und Freunde. Mein Job könnte ganz wegfallen, denn sobald Krieg geführt wird, fliegen keine Flugzeuge mehr außer Kampfjets. Was Corona nicht geschafft hat, könnte Putin schaffen. Es ist schon schlimm genug, was er den Menschen in der Ukraine antut, auch immerhin 43 Millionen. Er könnte unser aller Leben zerstören, ein einziger alter Mann mit seinem Minderwertigkeitskomplex. Da fehlen die Worte, dass sowas überhaupt möglich ist. Nein, im Gegensatz zu Corona fürchte ich mich diesmal.
Ich musste meine Gedanken hierzu jetzt schreiben, weil ich versuche sie zwar im Urlaub so gut es geht auszublenden, aber ganz gelingt es mir leider nicht. Sollte nichts Gravierendes passieren in den nächsten Tagen, werde ich auch hier wieder bei meiner Portugal Reise bleiben. Es ist ja schließlich ein Reiseblog. Trotzdem musste das jetzt raus. Ich genieße jetzt mal meinen Fisch und hoffe, mein Leben und das von uns allen wird auch weiterhin in erster Linie aus schönen Dingen wie diesen bestehen und nicht aus Leid und Zerstörung. In diesem Sinne, schaut euch statt Kriegsberichterstattung meine schönen Fotos an! Bald mehr von mir aus Portugal - dem immerhin von Russland aus am entferntesten gelegene Punkt unseres schönen Kontinents!