Nun ja, die Monate waren trotzdem aus meiner Sicht einfach verschwendete Zeit. Nicht mehr und nicht weniger. Ich wäre voller Tatendrang gewesen, und die Realität zwang mich auf die Couch, mit der ich im letzten Jahr so intensiven Kontakt hatte wie nie zuvor. Gut, dass sie wenigstens bequem ist. Mein Tageshighlight war über weite Strecken „Fit mit Philipp“ – das sagt eigentlich schon im Kern aus, wieviel ich erlebt habe. Nicht mehr deprimiert und geschockt wie am Anfang, vegetierte ich also einfach vor mich hin, wartete, dass es vorbei gehen würde. Und ging es vorbei? Ich weiß es nicht. Fürs Erste habe ich meine beiden Stiche, die Grenzen innerhalb Europas gingen zumindest für Geimpfte wieder zum großen Teil auf, und immer mehr Länder fuhren ihre Beschränkungen des Alltags langsam zurück. Lokale öffneten wieder, Unterkünfte ebenso, je nach Land mit Test-oder Impfzertifikat oder auch ohne – es bleibt ein Fleckerlteppich, man muss sich so wie auch im letzten Jahr schon je nach Destination weiterhin tagesaktuell über die Einreisebestimmungen und die Gegebenheiten vor Ort informieren. Auch dieser Sommer ist also keineswegs „normal“, wie es vielfach propagiert wurde, aber das Leben ist wieder leichter. Ob das so bleibt, wer weiß das schon, neue Varianten sind im Vormarsch, ich hoffe, sie lösen nicht wieder Zustände aus wie im letzten Jahr sondern dass die Impfung uns jetzt endlich leben lässt und Delta am Ende eine Randnotiz bleibt, die uns nichts mehr anhaben kann.
Nun also hieß es für mich – Koffer packen und die Freiheit wieder spüren. In ein anderes Land fahren, eine andere Sprache hören, sehen, wie es woanders läuft und wie die Menschen damit umgehen. Und mein erstes Ziel sollte irgendwie etwas Besonderes sein. Kein 08/15 Ziel am Mittelmeer, wo schon wieder die Massen hinpilgern, keine gewöhnliche Destination, an der ich schon x Mal war, und auch ein Land, wo man nicht im Freien mit einer blöden Maske im Gesicht herumspazieren muss. Ganz viele Länder hatten diese völlig sinnlose Regelung – in Österreich herrschte da zum Glück von Anfang an wissenschaftlicher Konsens, dass im Freien, außer in dicht gedrängten Situationen, so gut wie keine Übertragung stattfindet. Warum man also in Frankreich, Spanien, Griechenland, Italien etc im Park oder am Strand beim Spaziergehen streng gestraft wird, wenn man sein Gesicht nicht verdeckt und gerne frische Luft atmen will, hat sich mir nie erschlossen, die Infektionskurven waren in diesen Ländern auch nicht besser als bei uns, wo es diesen Unsinn zum Glück nie gab. Nun heben aber auch diese Länder endlich die Maske im Freien auf, womit sie für mich als Reiseziele wieder interessant werden. Noch aber war es dafür zu früh – auch die Grenzen in der EU gehen erst mit 1. Juli unbeschränkt auf, und so fiel meine Wahl schlussendlich auf Rumänien. Auch in „normalen“ Zeiten ist dieses Land bestimmt nicht überlaufen, ein kleines „Abenteuer“ schwingt mit, auch wenn es schon lange keines mehr ist, denn Rumänien ist inzwischen besser entwickelt als viele glauben würden. Dort sind wir auf der „Grünen Liste“, wo man ganz normal ohne Besonderheiten einreisen kann, und das was ich bisher auf früheren Touren schon vom Land gesehen hatte, hat mir auch seinerzeit schon gut gefallen. Es gibt aber noch viele noch unentdecktere Ecken als Bukarest oder Transsylvanien, und sie erkunde ich nun auf einem einwöchigen Road Trip.
Ich flog also nach Bukarest, mietete mir ab dem Flughafen mein Auto, und machte mich auf den Weg nach Norden. Meine erste Nacht verbringe ich nun in Brasov, dem früheren Kronstadt. Der einzige Ort, den ich auf meiner Route schon kenne, eine sehr hübsche kleine Stadt mit altem Kern, netten Gassen, einem schönen Hauptplatz und vielen gemütlichen Lokalen. Ich übernachte in einem kleinen Boutique Hotel im Zentrum und genieße die Athmosphäre. Das Wetter ist genauso heiß wie zu Hause, ich genoss in Shorts und Flip Flops einen warmen Sommerabend, aß gut, machte nette Bilder im Abendlicht und ließ es mir gutgehen. Endlich wieder. Ich bin voller Freude und doch sentimental, die Unbeschwertheit, etwas Neues zu entdecken und einfach zu genießen, die war jetzt so lange nicht da, dass ich es noch nicht ganz realisiert habe, dass nun vielleicht wieder meine Zeit gekommen ist. Noch traue ich dem Frieden nicht ganz – und doch werde ich nun mit offenen Augen ab morgen mich auf neue Pfade begeben und ein für viele unbekanntes Land entdecken. Dabei ist etwas doch eigentlich nur so lange unbekannt, solange man es nicht kennengelernt hat. Meine Neugier, das zu tun, die ist da, ich freue mich schon wie ein kleines Kind, ihr nun wieder ein Stück entgegenkommen zu dürfen. Seid gespannt, was mich erwartet in den Regionen Bukowina mit den Moldauklöstern oder Maramures mit den bemalten Holzkirchen. Ich bin es auch. Ihr seid auf jeden Fall dabei. Bine ati venit la Romania!