Merzouga, Marokko, 22 Uhr
Wolkenlos, 7 Grad
Heute hat Marokko auf dem Weg nach Süden wirklich alle Register gezogen. Von Fes bis in die Sahara mussten wir sowohl den Mittleren als auch den Hohen Atlas überqueren, womit wir nach dem Rif Gebirge zu Beginn alle 3 von West nach Ost verlaufenden Gebirgsketten des Landes überwunden haben. Während das Rif Gebirge um Chefchaouen ein eher liebliches mediterranes Mittelgebirge ist, steigt der Mittlere Atlas schon auf Höhen weit über 2000 Meter an, und der Hohe Atlas hat auch einige 3000er in seinen Reihen. Von Fes aus ging es zunächst steil bergauf auf den Mittleren Atlas, bald fanden wir uns in einem Nadelwald wieder, der mit ordentlichen Schneebatzen angezuckert war. Hier fanden sich jede Menge Berberaffen, die an einem Stand, wo Tee ausgeschenkt wurde und Mandarinen verkauft, eifrig zulangten und sich an den Zitrusfrüchten schadlos hielten. Es wurde zusehends trockener, über ein karges Hochplateau mit verschneiten Gipfeln im Hintergrund fuhren wir dann wieder in eine Talsenke ein, wo sich vor uns die mit viel Schnee bedeckte Kette des Hohen Atlas auftürmte. Diese überwanden wir auf einer kurvigen Passstraße voller zerfurchter Canyons, dahinter ging es dann langsam in eine flache Steinwüste über. In Einbuchtungen dieser Steinwüste, den ersten Ausläufern der Sahara, fanden sich neben gänzlich anderen Häusern, den berühmten Sandstein farbenen Lehmbauten, endlose Oasen voller Dattelpalmen. Und am Ende erreichten wir dann die im Abendlicht rötlich schimmernden Sanddünen, wo unsere Unterkunft liegt.
Wir saßen zwar im Endeffekt 10 Stunden im Auto, langweilig wurde es aber keinen Moment. Zu dramatisch schön war der dauernde Wechsel der Landschaften, und dies stets vor strahlend blauem wolkenlosem Himmel, der uns eigentlich seit dem Ausrutscher an Tag 1 in Casablanca gnädig durch Marokko begleitet. Verschneite Berggipfel, gelb-braune Canyons, grüne Dattelpalmen, Sandstein farbene Dörfer und rötliche Sanddünen – das makellose Blau des Himmels lässt diese Farben in besonderer Schönheit erstrahlen. Zudem kann man auch spüren, dass es in tiefen Lagen immer milder wird, je weiter man nach Süden vordringt. Endlich wärmt die Sonne, die uns den ganzen Tag lang treu bleibt, und entfaltet ihre volle Kraft, erst wenn sie weg ist wird es wieder ziemlich kalt. Trotzdem ist es von den Temperaturen hier insgesamt doch um Vieles angenehmer als weiter im Norden.
Die Schönheit Marokkos ist kein Klischee sondern Realität, die abwechslungsreichen Landschaften, die Städte, die Farben – es ist nicht umsonst so ein beliebtes Reiseland, denn es bietet wirklich Alles. Und es ist von seiner Entwicklung her wesentlich weiter, als ich mir das eigentlich gedacht hätte – es ist sehr einfach zu bereisen. Die Straßen sind gut, ich würde hier auch ohne weiteres selbst fahren. Die Infrastruktur ist fast überall am letzten Stand, Alles ist modern und relativ sauber – nicht mit unseren Maßstäben zu vergleichen aber auch nicht mit Ägypten. Zudem ist es zwar ein islamisches Land aber trotzdem ein freies, wo man als Tourist keinen Einschränkungen unterliegt, außer, dass in vielen Lokalen kein Alkohol ausgeschenkt wird – das ist für mich aber überhaupt kein Problem, ich trinke zwar gern mal ein Bier oder ein gutes Glas Wein, aber das ist für mich keine Existenzfrage, von der mein Urlaubsglück abhängt – und zum Glück ist die ganze Gruppe dahingehend ebenso vollkommen entspannt, niemand von uns braucht Alkohol um eine gute Zeit zu haben, wenn es welchen gibt, ist es gut, wenn nicht, ist es genauso okay. Mit Jessica, unserer jüngsten Reiseteilnehmerin aus der Schweiz, habe ich zudem gemeinsam, dass uns beiden immer kalt ist und immer abwechselnd einer von uns beiden es ist, der den Fahrer bittet, doch das Fenster zu schließen oder einzuheizen….außerdem sind wir beide es, die immer 3 Mahlzeiten am Tag brauchen, und auch eine Schoko sollte dabei nie fehlen ;-) Schön, dass es Menschen gibt, für die es genauso selbstverständlich ist wie für mich, dass Kälte und kein Mittagessen einfach nicht gehen – denn bei Hunger wird man leicht „hangry“ ;-))
Während einige morgen Vormittag mit dem Jeep durch die Wüste touren, lasse ich den Punkt aus und werde mich ein wenig erholen – diese Reise ist in ihrer Intensität schon sehr hoch, und mal ein wenig Tempo rauszunehmen und nicht jeden Tag vollzustopfen, tut definitiv gut. Abgesehen davon, klingt für mich der Besuch von Nomadendörfern der Gegend ein wenig nach Touristenfalle – wir befinden uns zwar am Rande der Sahara, aber man sollte nicht glauben, dass das hier ein Ort fernab der Touristenströme wäre – nein, die touristische Infrastruktur ist voll ausgebaut, und lediglich die Nebensaison bewahrt uns vor echten Menschenmassen, ich möchte nicht wissen, wie es hier zur Hochsaison aussieht. So werde ich die Sonne genießen – ehe wir am Nachmittag dann auf die Kamele gesattelt werden und zu unserem Wüstencamp reiten. Ich habe mir zwar nach dem Desaster bei den Pyramiden seinerzeit, als Ré und ich schwer übers Ohr gehauen wurden, geschworen, dass ich in meinem Leben nie wieder auf ein Kamel aufsteigen werde, nachdem es aber in dem Fall bezahlter Teil der Tour ist, lässt es sich wohl nicht vermeiden. Jedenfalls werde ich mal alle Schichten an Gewand, die ich so habe, mitnehmen, denn ein wenig fürchte ich mich vor der Kälte im Zelt. Drückt mir die Daumen, dass es nicht zu schlimm wird und ich die Sterne genießen kann!